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Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts wollten nationalliberale Abgeordnete der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche die Bildung von „Fabrikausschüssen“ in die Gewerbeordnung aufnehmen Vertreter der Arbeitnehmerschaft sollten in diesen Ausschüssen ein gewisses Maß an Mitbestimmung in betrieblichen Angelegenheiten erhalten. Nach dem Scheitern der Revolution von 1848 ist es jedoch nicht dazu gekommen.
Einer der Abgeordneten war der Textilfabrikant Karl Degenkolb aus Eilenburg. In einem Abkommen von 1850 vereinbarte er mit drei weiteren Textilunternehmen aus seiner Heimatstadt die Errichtung solcher Ausschüsse in ihren Fabriken. Wirkliche betriebliche Mitbestimmung haben die Fabrikanten damals zwar den Arbeitnehmern nicht gewährt. Es handelt sich aber um den ersten Fall von Arbeitnehmerbeteiligung an betrieblichen Angelegenheiten, der in Deutschland historisch belegt ist.
In der Folgezeit wurden zunehmend Gewerkschaften gegründet. Arbeitskämpfe sind in Europa zwar bereits seit dem 14. Jahrhundert belegt. Organisationen von abhängig Beschäftigten, die auf Dauer angelegt sind, gründeten sich jedoch erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Arbeitnehmer*innen hatten erkannt, dass nur das gemeinschaftliche solidarische Handeln Stärke bedeutet. Nur wenn sie gemeinsam Forderungen stellten und diesen Forderungen im Zweifel durch Streik Nachdruck verliehen, konnten sie Verbesserungen erreichen. Sie konnten Arbeitgeber zum Abschluss von Tarifverträgen zwingen und auch Einfluss auf die politischen Entscheidungsträger nehmen, Gesetze zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu erlassen.
Nachdem ab 1848 eine Reihe von lokalen Gewerkschaften gebildet wurde, kam es 1865 zur Gründung des Allgemeinen Deutsche Cigarrenarbeiter-Vereins, der ersten zentral organisierten Gewerkschaft in Deutschland, eine der Vorläufer der NGG. 1891 wurde mit dem Deutschen Metallarbeiter-Verband (DMV) eine der wichtigsten Vorläuferorganisationen der heutigen IG Metall gegründet. Das sind nur zwei Beispiele.
Die organisierten Arbeitnehmer*innen beschränkten ihre Forderungen aber nicht nur auf die Teilhabe an der Entwicklung des Arbeitsrechts. Vielmehr forderten sie auch eine Beteiligung an unternehmerischen Entscheidungen.
Eine gesetzliche Regelung betrieblicher Mitbestimmung ließ unterdessen zunächst auf sich warten. In den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts gab es Bestrebungen der preußischen Regierung, im Bergbau freiwillige Arbeiterausschüsse einzuführen. Das scheiterte zunächst jedoch am massiven Widerstand der Arbeitgeber. Erst 1905 führte Preußen dann obligatorische Arbeiterausschüsse im Bergbau ein, nachdem Bayern diese bereits 1900 eingeführt hatte.
Während des ersten Weltkrieges hob das sogenannte „Hilfsdienstgesetz“ die freie Arbeitsplatzwahl auf. Männer zwischen dem 17. und dem 60. Lebensjahr, die nicht zur Armee eingezogen wurden, mussten in kriegswichtigen Betrieben arbeiten. Das Gesetz enthielt aber auch eine Konzession an die Gewerkschaften: in allen für den „vaterländischen Hilfsdienst“ tätigen Betrieben mit mindestens 50 Arbeitern mussten Arbeiterausschüsse gebildet werden.
Gegen Ende des ersten Weltkrieges kam es im Deutschen Reich dann zu Ereignissen, die als Novemberrevolution in die Geschichte eingegangen sind.
Näheres hierzu in unserem Artikel „Der Kaiser ist weg - Novemberrevolution vor 100 Jahren"
Mit Beginn des Weltkrieges hatte die Reichstagsfraktion der SPD einer Initiative des damaligen Reichskanzlers von Bethmann-Hollweg zugestimmt, die „innenpolitischen Streitigkeiten“ für die Dauer des Krieges ruhen zu lassen. Das war der sogenannte „Burgfriede“. Eine Art Vorgängerorganisation des DGB war seinerzeit die Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands, ein überverbandliches Koordinierungs- und Agitationsgremium für die der Sozialdemokratie nahestehenden Gewerkschaften. Auch diese Organisation stimmte der Burgfriedenspolitik zunächst zu.
Während des gesamten Krieges kam es zu zahlreichen Streiks. Der bedeutendste dieser Streiks fand im Januar 1918 statt. Reichsweit legten in den meisten großen Betrieben Beschäftigte ihre Arbeit nieder, um für die Beendigung des Krieges und eine Demokratisierung des Staates zu protestieren. Die Burgfriedensgegner unter den Gewerkschaftern hatten sich als „revolutionäre Obleute“ innerhalb der Gewerkschaftsbewegung organisiert. Diese Vereinigung von sozialdemokratisch gesinnten Gewerkschaftern war vor allem verantwortlich für die Organisation von Streiks während des Krieges.
Auch nach der Niederlage im ersten Weltkrieg blieb die Arbeiterbewegung gespalten. Die revolutionären Obleute bildeten einen wesentlichen Teil der Rätebewegung. Während die SPD unter Friedrich Ebert und Philip Scheidemann eine bürgerliche Demokratie anstrebten, setzte sich die Rätebewegung für eine „Rätedemokratie“ ein. Statt Parlamente sollten auf vielen Ebenen, etwa im Wohnbezirk, in der Gemeinde, im Landkreis und auf Reichsebene, als politische Entscheider Räte gebildet werden.
Unter dem Eindruck der revolutionären Ereignisse in Deutschland vereinbarten die Arbeitgeber aus Furcht vor einer Sozialisierung ihrer Fabriken unter Führung des Ruhrindustriellen Hugo Stinnes mit der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands im November 1918 eine Satzung für die Arbeitsgemeinschaft der industriellen und gewerblichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Deutschlands. Die Arbeitgeberseite kannte die Gewerkschaften damit als offizielle Vertreter der Arbeitnehmer*innen an. Arbeitsbedingungen sollten zukünftig zwischen den Gewerkschaften und Arbeitgebern in Kollektivvereinbarungen (Tarifverträge) geregelt werden. Das war im Grunde ein Wandel im Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit und der Beginn der Tarifautonomie.
Gewerkschaften und Arbeitgeber vereinbarten aber in diesem Abkommen auch, den Achtstundentag einzuführen. Zudem versprachen die Arbeitgeber, in ihren Betrieben Arbeiterausschüsse nach dem Vorbild von Karl Degenkolb einzuführen. Auf Arbeitnehmerseite hatte der Vorsitzende der Generalkommission der Gewerkschaften, Karl Legien, die Verhandlungen geführt. Die Vereinbarung ist deshalb in die Geschichte als k:Stinnes-Legien-Abkommen:k eingegangen.
Legien war ein Vertreter der gemäßigten Gewerkschafter und ein entschiedener Gegner revolutionärer Bestrebungen. Er stand damit im Gegensatz zu vielen anderen Gewerkschaftern. Der Deutsche Metallarbeiter-Verband (DMV) unter dem Vorsitz von Robert Dißmann etwa befürwortete ebenso entschieden ein Rätesystem. Auch heute fast vergessene Gewerkschafterinnen wie etwa Toni Sender, damals Redaktionsleiterin der Betriebsräte-Zeitung des DMV, setzten sich aktiv für ein Rätesystem ein. Das Stinnes-Legien-Abkommen war aus gewerkschaftlicher Sicht sicherlich ein Fortschritt. Es hat aber auch eher dazu beigetragen, die bis dato herrschenden Machtstrukturen zu festigen und die Revolution vom Weg in eine Rätedemokratie abzubringen.
Ein wesentliches Prinzip der Rätedemokratie ist das sogenannte „imperative Mandat“: es gibt keine Abgeordneten, sondern Abgesandte, die nicht ihrem Gewissen, sondern ihren Wählern gegenüber verantwortlich sind. Die Wähler können die Abgesandten jederzeit abberufen, wenn sie nicht in ihrem Sinne handeln. Das Prinzip sollte nach Vorstellungen der revolutionären Obleute und vielen linken Politikern in Deutschland auch für Großbetriebe gelten. Diese sollten nicht mehr Unternehmer leiten, sondern Betriebsräte, die die Belegschaft wählt. Zumindest sollten solche Betriebsräte aber bei allen wichtigen Entscheidungen paritätisch mitbestimmen.
In Artikel 165 der Weimarer Reichsverfassung (WRV), dem Grundgesetz der ersten deutschen Republik, ist dieser Gedanke in Ansätzen auch aufgenommen worden. Die Arbeiter und Angestellten erhalten nach dieser Vorschrift zur Wahrnehmung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Interessen gesetzliche Vertretungen in Betriebsarbeiterräten sowie in nach Wirtschaftsgebieten gegliederten Bezirksarbeiterräten und in einem Reichsarbeiterrat. Die WRV räumte sogar die Möglichkeit ein, den Räten auf ihren Gebieten Kontroll- und Verwaltungsbefugnisse zu übertragen.
Der erste Gewerkschaftskongress nach dem Krieg fand 30. Juni bis 5. Juli 1919 in Nürnberg statt. Das war der Kongress zur Gründung des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB), des Vorläufers des DGB. Auch die Gründung des Gewerkschaftsbundes war begleitet von unterschiedlichen Positionen zur Zukunft Deutschlands. Die Vorständekonferenz der Gewerkschaften legte auf diesem Kongress ein Kompromisspapier vor, das Richtlinien für die künftige Wirksamkeit der Gewerkschaften und Bestimmungen über die Aufgaben der Betriebsräte enthielt.
Das Papier ging davon aus, dass sich der Wiederaufbau des durch den Krieg zerrütteten Wirtschaftslebens in Richtung der Gemeinwirtschaft unter fortschreitendem Abbau der Privatwirtschaft vollziehen wird. Die Gewerkschaften würden im Sozialismus gegenüber der kapitalistischen Wirtschaft eine höhere Form der volkswirtschaftlichen Organisation sehen. Die von ihnen erstrebte Betriebsdemokratie und Umwandlung der Einzelarbeitsverträge in Kollektivverträge seien wichtige Vorarbeiten für die Sozialisierung.
Das Mitbestimmungsrecht der Arbeiter müsse bei der gesamten Produktion, vom Einzelbetrieb beginnend bis in die höchsten Spitzen der zentralen Wirtschaftsorganisation, verwirklicht werden. Innerhalb der Betriebe seien freigewählte Arbeitervertretungen (Betriebsräte) zu schaffen, die im Einvernehmen mit den Gewerkschaften und auf deren Macht gestützt, in Gemeinschaft mit der Betriebsleitung die Betriebsdemokratie durchzuführen hätten. Die Grundlage der Betriebsdemokratie sei der kollektive Arbeitsvertrag mit gesetzlicher Rechtsgültigkeit. Die Aufgaben der Betriebsräte im Einzelnen, ihre Pflichten und Rechte seien in den Kollektivverträgen auf Grund gesetzlicher Mindestbestimmungen festzulegen.
Bereits vor dem Kongress gab es im Reich zahlreiche Streikbewegungen, insbesondere an Rhein und Ruhr und in Mitteldeutschland, an denen hunderttausende Beschäftigte teilnahmen. Gegenstand der Forderungen waren vor allem bessere Arbeitsbedingungen, Lohnerhöhungen und Verkürzung der Wochenarbeitszeit. Wesentliche Forderung in vielen Streiks war aber auch, die Sozialisierung von Großbetrieben voranzutreiben. Die Streiks im Frühjahr 1919 bezeichnet man deshalb auch als „Sozialisierungsstreiks“.
Die Reichsregierung sah sich von den Streiks unter Druck gesetzt und legte im Mai 1919 den Entwurf eines Betriebsrätegesetzes vor. Der Entwurf entsprach aber noch nicht einmal in Ansätzen den Vorstellungen der betrieblichen Interessenvertretungen und der Gewerkschaften. Mitbestimmung war lediglich in sozialen Angelegenheiten vorgesehen. In wirtschaftlichen Angelegenheiten sollte der Unternehmer weiterhin allein und unbehelligt durch Betriebsräte und Gewerkschaften seine Politik verfolgen.
Die Regierung musste ihren Entwurf mehrfach nachbessern. Für die Gewerkschaften war er enttäuschend, weil sich die Mitbestimmung allein auf soziale Angelegenheiten beschränken sollte. Als daraufhin die Regierung vorschlug, den Beschäftigten zwei Sitze in den Aufsichtsräten einzuräumen, begehrte die Arbeitgeberseite auf. Sie wandte sich entschieden dagegen, angeblich wegen des Schutzes von Betriebsgeheimnissen. Der endgültige Entwurf des Gesetzes enthielt dann die Bestimmung, dass die Beschäftigten zwei Mitglieder in den Aufsichtsrat entsenden konnten. Diese sollten allerdings nur an Sitzungen teilnehmen dürfen, in denen es um soziale Angelegenheiten ging.
Während der Verhandlungen zum Betriebsrätegesetz vor der Nationalversammlung kam es dann am 13. Januar 1920 zu einer Massendemonstration vor dem Reichstag mit etwa 100.000 Teilnehmern. Hier ereignete sich etwas, was als die blutigste Demonstration Deutschlands in die Geschichte eingegangen ist. Sicherheitskräfte schossen friedliche Demonstranten gegen das Betriebsrätegesetz zusammen, 42 Menschen starben, Hunderte wurden verletzt. Am selben Tag verhängte Reichspräsident Friedrich Ebert den Ausnahmezustand. 44 Zeitungen im ganzen Land wurden verboten. Es gab zahllose Festnahme linker Politiker*innen.
Das, was dann am 04. Februar 2020 als Betriebsrätegesetz verabschiedet wurde, war nur ein Abklatsch dessen, was Gewerkschaften gefordert hatten. Von den weitergehenden Vorstellungen der revolutionären Obleute und linker Politiker aus der USPD und der neugeründeten KPD blieb so gut wie gar nichts mehr übrig. Eine Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten war nicht vorgesehen. Die marginale Beteiligung der Beschäftigten an den Aufsichtsräten war weit entfernt von paritätischer Mitbestimmung. Von einer Rätedemokratie blieb nur noch der Begriff Betriebsrat übrig. Im Übrigen wurde Artikel 165 WRV zu keinem Zeitpunkt umgesetzt.
Die Opfer der Demonstrationen vom 13.Januar 1920 wurden im Nachhinein zu kommunistischen Gewalttätern erklärt, die den Staat und die öffentliche Sicherheit bedrohten.
Dem Betriebsrätegesetz blieb aber nur eine kurze Lebenszeit beschieden. Im Januar 1934 erließen die Nationalsozialisten das „Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit“ (Arbeitsordnungsgesetz - AOG). Das Gesetz erklärte den Unternehmer zum „Führer des Betriebes“ und die Beschäftigten zur „Gefolgschaft“, die dem Betriebsführer unbedingt Gehorsam und Treue leisten musste. Eine Mitbestimmung der Beschäftigten war nicht vorgesehen.
Die Betriebsräte schaffte das Gesetz ab. Stattdessen sollten sogenannte „Vertrauensräte“ gebildet werden, die indessen nur beratende Funktion hatten. Vorsitzender des Vertrauensrates war automatisch der Unternehmer oder dessen gesetzlicher Vertreter selbst. Die übrigen Mitglieder wurden zwar von der „Gefolgschaft“ gewählt, mussten aber Mitglied in der Deutschen Arbeitsfront (DAF) sein.
Am 2. Mai 1933 hatten Nationalsozialisten in ganz Deutschland die Gewerkschaftshäuser besetzt. Alle Vorsitzenden und viele Funktionäre nahmen die Nazis in „Schutzhaft“, eine euphemistische Beschreibung für Einsperren ohne rechtsstaatliches Verfahren. Das Vermögen der Gewerkschaften wurde beschlagnahmt, die Arbeiterorganisationen selbst verboten. Die Nazis gründeten nach Zerschlagung der Gewerkschaften die DAF. Diese stellte alles andere als eine freie Gewerkschaft dar. Nach eigenem Bekunden verstand sie sich als nationalsozialistische Einrichtung zur Bildung einer „wahren Volks- und Leistungsgemeinschaft“, die dem Klassenkampfgedanken abgeschworen hat. Geplant war, dass die DAF sich zu einer Organisation mit vier Säulen entwickelt: neben Arbeiter und Angestellte sollten irgendwann auch Unternehmer und mittelständische Handwerker und Gewerbetreibende hinzukommen.
Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus erließen die Alliierten mehrere Kontrollratsgesetze, mit denen sie das AOG außer Kraft setzten und ein Betriebsrätegesetz einführten, das Rahmenbestimmungen über eine Betriebsverfassung bestimmte. Am 14. November 1952 trat das Betriebsverfassungsgesetz in Kraft. Auch dieses Gesetz war heftig umstritten, weil es in wesentlichen Punkten inhaltsgleich mit dem Betriebsrätegesetz war. Es enthielt zwar auch Regelungen zur Unternehmensmitbestimmung in Aufsichtsräten. Jedoch entsprachen diese bei Weitem nicht gewerkschaftlichen Vorstellungen. Die Aufsichtsräte waren bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Aktiengesellschaften ab 500 Beschäftigten nur zu einem Drittel mit Vertretern der Arbeitnehmer*innen besetzt.
Auch die neue Fassung des Betriebsverfassungsgesetzes von 1972 und die Neuregelungen von 2001 änderten grundsätzlich insoweit nichts. Die Wahl der Arbeitnehmer*innen in den Aufsichtsrat wird seit 1976 durch das Mitbestimmungsgesetz geregelt. Seit Mai 2004 ist die Beteiligung von Arbeitnehmer*innen im Aufsichtsrat durch das Drittelbeteiligungsgesetz festgelegt.
2005 berief die damalige rot-grüne Bundesregierung eine Kommission unter dem Vorsitz des ehemaligen sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf mit je drei Vertretern der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite (Biedenkopf-Kommission). Sie sollte ausgehend vom geltenden Recht bis Ende 2006 Vorschläge für eine moderne und europataugliche Weiterentwicklung der deutschen Unternehmensmitbestimmung erarbeiten. Anfang November 2006 erklärten die Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter die Kommission für gescheitert.
Wirkliche Mitbestimmung im Sinne der ursprünglichen gewerkschaftlichen Forderungen gibt es damit auch heute weder auf Betriebs- noch auf Unternehmensebene. Die Betriebsräte haben echte Mitbestimmungsrechte nur in den Angelegenheiten, die in § 87 BetrVG beschrieben sind, sowie bei personellen Einzelmaßnahmen. An der Unternehmensmitbestimmung sind sie unmittelbar nicht beteiligt. Diese werden von den Vertreter*innen der Beschäftigten im Aufsichtsrat ausgeübt. Vorgeschrieben ist allerdings nur, dass der Aufsichtsrat zu einem Drittel aus Arbeitnehmervertretern bestehen muss. Die Chance, Interessen der Beschäftigten gegen die Arbeitgeberseite durchzubringen, ist daher eher beschränkt. Auch gilt die Regelung für kleinere Unternehmen gar nicht.
Von wirklicher Demokratie in den Betrieben und Unternehmen sind wir weit entfernt. Angesichts neuerer Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt wie die zunehmende Bedeutung der Plattformökonomie laufen wir sogar Gefahr, uns weiter von demokratischer Mitbestimmung zu entfernen.
Gibt es für uns einen Grund, das Betriebsrätegesetz von 1920 als historischen Erfolg zu feiern? Das muss jeder für sich selbst beurteilen. Auf jeden Fall ist der Jahrestag aber Anlass, der vielen Opfer staatlicher Willkür insbesondere anlässlich der Großdemonstration gegen das Betriebsrätegesetz im Januar 2020 zu gedenken. Und uns unserer Pflicht als Gewerkschafter*innen bewusst zu sein, weiter für eine solidarische Gesellschaft aller Kulturen und für menschenwürdige Arbeitsbedingungen in der ganzen Welt zu kämpfen.
Quellen und zur Vertiefung:
Betriebsrätegesetz vom 4. Februar 1920:
Stinnes-Legien-Abkommen vom 15. November 2018:
Artikel „Gewerkschaften nach 1918 - Viele Zerreißproben“ auf der Website „Gewerkschaftsgeschichte“
Artikel „Die Streikbewegung“ in der Frankfurter Zeitung vom 2. April 1919:
Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit vom Januar 1934:
Schwerpunkthema „Beteiligungsrechte des Betriebsrates“:
Unser Artikel: „Der Kaiser ist weg - Novemberrevolution vor 100 Jahren“: