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Im November 1989 wurde Hans Modrow zum Ministerpräsidenten der DDR gewählt. Er war einer der letzten bekannteren Politiker der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), der noch Rückhalt in der Bevölkerung hatte. Bereits im Sommer 1889 zu einer Zeit, als Honecker noch im Amt war und Erich Mielke der mächtige Stasi-Chef, suchte Modrow Kontakt zu oppositionellen Gruppen. Die Regierung Modrow war der letzte Versuch der SED, ihre Macht und ihren Staat zu retten.
Demokratisch gewählt war die Regierung indessen nicht. Bestimmt wurden Regierungschef und Mitglieder der Regierung durch das Parlament der DDR, der Volkskammer, die ihrerseits ebenfalls nicht frei gewählt worden ist. Der Regierung gehörten neben Mitgliedern der sogenannten „Blockparteien“ auch noch acht Vertreter von Oppositionsgruppen als Minister*innen ohne Geschäftsbereich an.
An Wiedervereinigung dachte im November 1989 noch niemand ernsthaft. Das hatte weltpolitische Gründe, aber auch wirtschaftliche. Bundesrepublik und DDR hatten zwei völlig unterschiedliche Wirtschaftssysteme. Für die Vereinigung einer kapitalistischen Volkswirtschaft mit einer staatssozialistischen gab es keine Vorbilder.
Betriebe in der DDR waren in der Regel Staatseigentum und nicht etwa „Volkseigentum“, wie es offiziell hieß. Ein Großteil der Betriebe hatten die Rechtsform eines Volkseigenen Betriebes (VEB), der der DDR-Partei- und Staatsführung unterstand. Ab Ende der 60er Jahre wurden viele VEB zu sogenannten „Kombinaten“ zusammengeschlossen, von denen aus Produktion, Forschung, Entwicklung und Absatz der Betriebe koordiniert wurden. Am Ende der DDR waren über 99% aller Betriebe des industriellen Sektors in der DDR Staatsbetriebe.
Betriebe und Kombinate wurden in der Ära Honecker nicht mehr vorrangig unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt. Es galt vielmehr der Primat der Politik. Die gesamte Wirtschaft der DDR war ausgerichtet am Prinzip der „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“. Grundidee war, das materielle und kulturelle Lebensniveau der Bevölkerung zu erhöhen, um mehr Akzeptanz mit dem Staat zu schaffen. Dadurch, so hoffte man, würde sich wiederum die Leistungsbereitschaft und die Produktivität erhöhen.
Letztlich ging die Führung der SED davon aus, dass ihr ökonomisches Model ein kontinuierliches Wachstum von Einkommen und Lebensstandard zur Folge hätte. Letzterer sollte auch dadurch gesteigert werden, dass alle Grundnahrungsmittel subventioniert waren, also zu einem Preis weit unter Wert verkauft wurden.
Teil des Wirtschafts- und Sozialpolitik war zudem ein riesiges Wohnungsbauprogramm. Überall in der Republik entstanden seit den 70er Jahren große Plattenbausiedlungen. Die Wohnungen in diesen Bauten wurden wiederum so günstig vermietet, dass die Kosten nicht annähernd gedeckt waren.
Diese Politik führte zu einer starken Staatsverschuldung und hatte erhebliche negative wirtschaftliche Folgen. Der Staat konnte immer weniger in seine Infrastruktur und in seine Betriebe investieren. Ende der 80er Jahre waren viele Betriebe völlig veraltet und marode. Dass doch noch in nennenswertem Umfang produziert werden konnte, war dem Einfallsreichtum, der Improvisationsgabe und dem Einsatz der Beschäftigten zu verdanken.
Die Regierung Modrow stand also vor erheblichen Problemen. Die „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ war ganz offensichtlich gescheitert.
Damals war klar, dass es in der DDR marktwirtschaftliche Strukturen geben soll, die nicht notwendigerweise kapitalistisch sein müssen. Marktwirtschaft kann aber nicht funktionieren, wenn gleichsam alle Betriebe dem Staat gehören. Völlig unklar war, wem denn die Betriebe juristisch als Eigentum zugeordnet werden, wenn der Staat nicht mehr Eigentümer ist. Diskutiert wurden damals etwa Genossenschaften, an denen alle Beschäftigten eines Betriebes gleiche Anteile haben sollten. Aber auch GmbHs mit den Beschäftigten als Gesellschafter*innen war durchaus eine Option.
Zudem waren Experten der Regierung zu dem Ergebnis gekommen, dass lediglich 40% aller Betriebe rentabel arbeiten. 30% stuften sie als sanierungsbedürftig ein, den Rest als unrentabel. Und das ohne dass diese Experten von einer direkten Konkurrenz mit westeuropäischen Unternehmen ausgegangen sind.
Das war jedenfalls die Situation, in der die Regierung Modrow beschloss, eine Treuhandanstalt zu errichten, die für die Bewohner der DDR ihr Volkseigentum treuhänderisch verwaltet. Ziel sollte letztlich sein, die Kombinate der DDR zu entflechten und die VEB in Körperschaften des privaten Rechts umzuwandeln.
Im März 1990 fanden die ersten freien Wahlen zur Volkskammer statt. Sie endeten mit einer krachenden Niederlage der bisherigen Regierung. Wahlsieger wurde die CDU, deren Spitzenkandidat Lothar de Maiziere zum Ministerpräsidenten einer Koalitionsregierung aus mehreren Wahlbündnissen und Parteien, unter anderem der SPD, gewählt wurde. Vertreter der demokratischen Opposition, die maßgeblich den Sturz des SED-Regimes mit herbeigeführt oder jedenfalls beschleunigt haben, waren in dieser Regierung nicht mehr vertreten.
Spätestens mit der Regierung de Maiziere hatten sich alle Überlegungen erledigt, die DDR und deren Wirtschaft zunächst einmal selbst zu reformieren, bevor beide deutsche Staaten vereinigt werden. Schon im Februar 1990 einigte sich die Bundesregierung unter Helmut Kohl am Rande einer Sicherheitskonferenz in Ottawa mit den vier Siegermächten des zweiten Weltkrieges auf die sogenannte „Zwei-Plus-Vier-Formel“. Die beiden deutschen Staaten sollten mit den vier Siegermächten über die außenpolitischen Bedingungen einer Vereinigung sprechen. Damit waren die Weichen für die Wiedervereinigung gestellt.
Im Mai 1990 vereinbarten DDR und BRD einen Staatsvertrag für eine Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, der am 1. Juli 1990 in Kraft treten sollte. Mit diesem Tag ersetzte die westdeutsche D-Mark die DDR-Währung. Auch galt ab diesem Zeitpunkt westdeutsches Arbeitsrecht in den Unternehmen der DDR.
Mit der Regierung de Maiziere arbeitete die Regierung der BRD ein Treuhandgesetz aus, das am 17.6.1990 von der Volkskammer beschlossen wurde. Nach dem Gesetz ist die Treuhandanstalt eine Anstalt öffentlichen Rechts, die der Privatisierung und Verwertung volkseigenen Vermögens nach den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft dient. Die Einnahmen der Treuhandanstalt sollten vorrangig für die Strukturanpassung der Unternehmen, in zweiter Linie für Beiträge zum Staatshaushalt und zur Deckung der laufenden Ausgaben der Treuhandanstalt verwendet werden. Im Einzelnen sollte die Treuhand folgende Aufgaben verrichten:
Bis das Treuhandgesetz in Kraft trat, war die Treuhandanstalt dem Ministerpräsidenten der DDR unterstellt. Danach unterstand sie dem Finanzminister der BRD. Alle wichtigen Posten besetzte das Finanzministerium nunmehr mit Wirtschaftsfachleuten und Politikern aus der BRD. Im Verwaltungsrat, der aus 23 Mitgliedern bestand, waren nur fünf Vertreter*innen aus den Ländern der DDR.
Die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion hat letztlich dazu geführt, dass noch viel weniger Betriebe rentabel arbeiten konnten, als von der Modrow-Regierung angenommen. Die Nachfrage nach DDR-Produkten ging drastisch zurück, auch bei Bürger*innen der DDR. In der jetzt direkten Konkurrenz mit westeuropäischen Unternehmen konnten die meisten Betriebe kaum bestehen. Der Warenverkehr mit den ehemaligen „Bruderstaaten“ ging stark zurück. Es gelang zudem nicht, kurzfristig neue Märkte zu erschließen.
Insbesondere nach der Vereinigung am 3. Oktober 1990 kam es zu erheblichen Auseinandersetzungen zwischen der Treuhandanstalt und den Gewerkschaften. Gleich nach den pathetischen Feiern zur „Wiedervereinigung“ kündigte die Treuhand millionenfache Entlassungen, Frühverrentungen und „Kurzarbeit null“ in den traditionellen Industriebranchen des Ostens an. Zugleich gab es harte Tarifauseinandersetzungen in der Metallindustrie der nunmehr „neuen Bundesländer“. Der IG Metall ging es vor allem darum dass möglichst schnell die Löhne an das Westniveau angeglichen werden.
In erster Linie wollten die Gewerkschaften aber verhindern, dass große Teile der ostdeutschen Industrie dem Erdboden gleich gemacht werden und dadurch viele Menschen nicht nur ihren Arbeitsplatz, sondern auch einen wesentlichen Teil ihres sozialen Umfeldes verlieren. Der damalige Vorsitzende der IG Metall, Franz Steinkühler, bezeichnete die Politik der Treuhand seinerzeit treffend mit „Schlachthaus Ost“.
Der Kahlschlag betraf aber nicht nur die Industrie. In allen Bereichen fanden in den folgenden Jahren Massenentlassungen statt und vielen Menschen wurde gleichsam der Boden unter den Füßen weggezogen. Abgewickelt wurden auch die beiden großen Handelsunternehmen der DDR, die Handelsorganisation (HO) und die Konsumgenossenschaften. Auch der öffentliche Dienst blieb nicht verschont.
Hinzu kommen diverse Skandale, in die die Treuhand verwickelt war. Viele Investoren hatten Betriebe günstig erworben, um sie danach auszuplündern. Es gab Fälle von Bilanzfälschungen, die zu Verkäufen unter Wert geführt haben. Auch Ausschreibungsbetrug und Bestechung sind vorgekommen. Über 1.800 Fälle von Wirtschaftskriminalität im Umfeld der Treuhand sind bekannt. Der Deutsche Bundestag setzte im Laufe der Zeit mehrere Untersuchungsausschüsse ein, in denen es um die Tätigkeit der Treuhand ging.
Es wäre sicherlich falsch, der Treuhand insgesamt kriminelle Machenschaften zu unterstellen. Aber eine große Anzahl von Einzelfällen, die zum Teil verheerende Auswirkungen für die Menschen in Ostdeutschland hatten, sind auch Teil ihrer Geschichte. Und vom ursprünglichen Zweck der Treuhand, das Volkseigentum zu wahren und im Interesse der Allgemeinheit zu verwalten, war nicht mehr viel zu spüren.
Tatsache ist auch, dass viele Menschen das Handeln der Treuhandanstalt als kalt und herzlos empfunden haben. Sie war vorrangig daran interessiert, DDR-Vermögen zu verwerten. Privatisieren ging vor sanieren. Auch war ihre Arbeit wenig transparent. Bis heute ist nicht klar, ob die Treuhand wirklich konsequent geprüft hat, dass Investoren ihre Arbeitsplatzzusagen auch einhielten.
Anfang 1995 wurde die Treuhand in Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben umbenannt. Die Bilanz der Treuhand ist zumindest ernüchternd. Als sie 1990 gegründet wurde, waren noch etwa 4 Millionen Menschen in Treuhandunternehmen beschäftigt. Ende 1994 waren es noch 1,5 Millionen.
Bereichert haben sich aber nicht „die Wessis“. Bereichert haben sich vielmehr viele derjenigen, die sich im Kapitalismus immer bereichern.
Quellen und zur Vertiefung:
Ralf Neubauer: „Das unzähmbare Ungeheuer“ auf Zeit-Online
Marcus Böick: „Beziehungsgeschichten von Treuhandanstalt und Gewerkschaften in der ostdeutschen Transformationslandschaft“
Treuhandanstalt auf der Homepage der Bundeszentrale für politische Bildung