Die Fa. Stölting Care & Services GmbH mit Sitz in Gelsenkirchen beschäftigt ca. 200 bis 250 Arbeitnehmer*innen. Sie ist schwerpunktmäßig in der Reinigung von Krankenhäusern und Seniorenheimen tätig.
Prämie gegen Kündigung der Mitgliedschaft bei der IG BAU
50 EUR Prämie bot die Fa. Stölting in einem Rundschreiben Anfang Februar 2016 für den Austritt aus der Gewerkschaft an. Um den Austritt so einfach wie möglich zu machen, verfasste sie auch gleich das Kündigungsschreiben. Es musste nur noch unterschrieben werden. Ein schriftlicher Aushang an der Tür zum Büro eines Vorarbeiters wies darauf hin, dass man sich den Vordruck zum Gewerkschaftsaustritt im Büro abholen könne.
Druck durch Mitarbeitergespräche
Außerdem fanden einzelne Personalgespräche statt, in denen die Fa. Stölting nach einer Mitgliedschaft in der Gewerkschaft fragte, und den Beschäftigten gegenüber erläuterte, weshalb man die Gewerkschaft nicht brauche. Bei Stölting würde alles gut ohne Gewerkschaft geregelt. Manche Mitarbeiterin – vor allem diejenigen, die sich noch in der Probezeit befanden – sahen sich durch das Gespräch erheblichem Druck ausgesetzt. Auch im Rundschreiben von Februar 2016 macht Stölting deutlich, weshalb Gewerkschaften überflüssig sind: der Mindestlohn werde ohnehin gezahlt und zusätzliches Urlaubsgeld auf freiwilliger Basis geleistet.
Nach Mindestlohn folgte Arbeitsverdichtung
Der aberwitzige Vorstoß der Fa. Stölting, gewerkschaftlichen Einfluss in ihrem Unternehmen zurückzudrängen, hat seinen Grund. Zum 1.1.2016 ist ein neuer Lohn- und Mindestlohntarifvertrag in Kraft getreten, der für alle Beschäftigten im Gebäudereinigerhandwerk einen Stundenlohn von mindestens 9,80 € im Westen und 8,70 € im Osten vorsieht. Auf den erhöhten Stundenlohn reagierte die Fa. Stölting daraufhin mit massiver Arbeitsverdichtung, um die höheren Personalkosten wieder reinzuholen. Sie ordnete an, dass die Beschäftigten die gleichen Flächen nun in um 1 Std. gekürzter Zeit reinigen müssen, also statt 4 Stunden nun in 3 Stunden. Da die neu vorgegebenen Zeiten nicht zu schaffen waren, reinigten viele pflichtbewusste Arbeitnehmer*innen dennoch 4 Stunden, aber ohne Bezahlung.
Dieses Problems nahmen sich die örtlichen Gewerkschaftsvertreter der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) an und wiesen den Krankenhausbetreiber auf diese unzumutbaren Zustände hin. Darauf reagierte die Fa. Stölting mit Zuckerbrot und Peitsche gegenüber ihren Beschäftigten, also Einschüchterung in Gesprächen einerseits und finanzieller Belohnung andererseits.
Kein Erfolg beim Arbeitsgericht
Die Verhaltensweisen der Fa. Stölting sind eindeutig unzulässig und verletzen Verfassungsrecht. Daran ließ das Arbeitsgericht Gelsenkirchen keinen Zweifel.
Die von der Gewerkschaft beantragte Unterlassung war deshalb in allen Punkten erfolgreich.
- Die Fa. Stölting Care & Service GmbH darf keine Prämien mehr versprechen
- Sie darf nicht mehr auf den Vordruck zum Gewerkschaftsaustritt hinweisen,
- Sie darf nicht mehr nach der Gewerkschaftsmitgliedschaft fragen und
- auch nicht dazu auffordern.
- Verstößt sie dagegen, muss sie Ordnungsgeld bis zu 250.000 € zahlen.
Verletzung von Verfassungsrecht
Das Verhalten der Fa. Stölting greift in die in Art. 9 Abs.3 Grundgesetz geschützte sog. kollektive Koalitionsfreiheit ein. Diese Verfassungsbestimmung schützt nicht nur das einzelne Gewerkschaftsmitglied sondern auch die Gewerkschaft selbst in ihrem Bestand, in ihrer Organisation und in ihrer Betätigungsfreiheit. Gegen Maßnahmen, die in dieses Grundrecht eingreifen, kann sich die Gewerkschaft deshalb wehren.
Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit ist unzulässig
Arbeitgeber dürfen Beschäftigte nicht fragen, ob sie Gewerkschaftsmitglied sind. Denn damit erhält der Arbeitgeber Auskunft über Umfang und Verteilung der Mitglieder in einer Gewerkschaft, und damit auch Kenntnis, über welche Verhandlungsstärke eine Gewerkschaft in einem evtl. Arbeitskampf verfügt. Mit dem Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG nicht vereinbar ist auch das Ziel der Fa. Stölting, die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder innerhalb der Belegschaft so weit wie möglich zu reduzieren.
Prämie nimmt unzulässig Einfluss auf die Mitgliederzahl der Gewerkschaft
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass ein Arbeitgeber die Einstellung nicht davon abhängig machen darf, dass Bewerber keine Gewerkschaftsmitglieder sind. Genauso wenig darf er deshalb eine Kündigung aussprechen. Verhält er sich so, verletzt er die in Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz geschützte Freiheit des Einzelnen, sich für oder gegen eine Mitgliedschaft zu entscheiden. Außerdem greift er damit in den verfassungsrechtlich geschützten Bestand und Tätigkeit der Gewerkschaft ein, da eine ausreichende Mitgliederzahl Voraussetzung für eine erfolgreiche Tätigkeit der Gewerkschaft ist.
Anmerkung: Skandalöser Kampf gegen gewerkschaftlichen Einfluss!
Es ist skandalös, mit welchen unlauteren Mitteln hier ein Unternehmen gegen gewerkschaftlichen Einfluss kämpft. Es scheut nicht davor zurück, Arbeitnehmer*innen als Geiseln für dieses Ziel zu missbrauchen. Alles spricht dafür, dass die Fa. Stölting, die nun wahrlich kein kleines Unternehmen ist, genau wusste, dass ihr Verhalten rechtswidrig war. Sie kann also nur darauf gesetzt haben, dass sich genügend Beschäftigte entweder einschüchtern oder durch finanzielle Anreize verleiten lassen, ihre Gewerkschaft zu verlassen. Wie erfreulich deshalb, dass Beschäftigte den Mut aufgebracht haben, beidem zu widerstehen, und damit dazu beigetragen haben, dass derartige Verhaltensweisen zukünftig unterbleiben.
Das Verfahren hätte Anlass sein können, zu einem normalen Umgang untereinander zurückzufinden. Dies scheint von der Fa. Stölting Care & Service jedoch nicht gewollt zu sein, da das Unternehmen nunmehr Gewerkschaftsvertretern den Zutritt zu bestimmten Räumen in ihren Reinigungsobjekten untersagen möchte. Diesbezüglich ist ein weiteres Verfahren beim Arbeitsgericht in Gelsenkirchen anhängig. Der Verhandlungstermin in diesem Prozess findet am Dienstag, den 15.03.2016 statt.