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Die Tarifnormen über den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 1 Abs. 1 TVG) gelten im Falle »beiderseitiger Tarifbindung« von Arbeitgeber und Arbeitnehmer »unmittelbar« und »zwingend« (§ 4 Abs. 1 TVG).
Beiderseitige Tarifbindung nach § 3 Abs. 1 TVG liegt vor, wenn der Arbeitnehmer Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft und der Arbeitgeber Mitglied im tarifschließenden Arbeitgeberverband ist oder er - bei einem Firmentarifvertrag - selbst Partei des Tarifvertrags ist.
Liegt beiderseitige Tarifbindung vor, wird eine ungünstigere arbeitsvertragliche Vereinbarung »verdrängt« (BAG v. 01.07.2009 - 4 AZR 261/08, NZA 2010; 01.07.2009 - 4 AZR 250/08, AP Nr. 51 zu § 4 TVG Nachwirkung; 12.12.2007 - 4 AZR 998/06, NZA 2008, 649; siehe Günstigkeitsprinzip).
Die Verdrängungswirkung des Tarifvertrags hält auch im Zeitraum der »Nachbindung« (§ 3 Abs. 3 TVG) und »Nachwirkung« (§ 4 Abs. 5 TVG) an (BAG v.01.07.2009 - 4 AZR 261/08, a.a.O.; 01.07.2009 - 4 AZR 250/08, a.a.O.; 12.12.2007 - 4 AZR 998/06, a.a.O.).
Die »Nachbindung« eines Tarifvertrages ist in § 3 Abs. 3 TVG geregelt, die »Nachwirkung« in § 4 Abs. 5 TVG. Zu den unterschiedlichen Zwecken beider Vorschriften ein Auszug aus BAG v. 13.12.1995 - 4 AZR 1062/94, AiB 1997, 63: »Die Normen des § 3 Abs. 3 TVG und des § 4 Abs. 5 TVG verfolgen verschiedene Zwecke: § 3 Abs. 3 TVG soll den Austritt aus den Tarifvertragsparteien erschweren, bezweckt also zumindest auch deren Schutz. § 4 Abs. 5 TVG dient den Interessen der Arbeitsvertragsparteien, für die es wichtig ist, dass ihr Arbeitsverhältnis nach Beendigung des Tarifvertrages nicht inhaltsleer wird. Auch die Wirkung der Tarifnormen ist in beiden Vorschriften verschieden geregelt: § 3 Abs. 3 TVG ordnet für den Fall des Verbandsaustritts durch Fiktion des Weiterbestehens der Tarifgebundenheit die zwingende Weitergeltung des Tarifvertrages bis zu dessen Beendigung an, § 4 Abs. 5 TVG hingegen die dispositive Weitergeltung der Tarifnormen nach Ablauf des Tarifvertrages. Diese Wirkung ist rechtlich so verschieden, dass eine Spezialität des § 3 Abs. 3 TVG im Verhältnis zu § 4 Abs. 5 TVG nicht besteht.«
Arbeitsvertragliche Vereinbarungen, die für den Arbeitnehmer günstiger sind als tarifliche Regelungen, sind jederzeit - sowohl während der Laufzeit des Tarifvertrages als auch danach - zulässig (§ 4 Abs. 3 TVG; z.B. übertarifliche Zulagen; Günstigkeitsprinzip).
Zur Nachwirkung einer Betriebsvereinbarung (§ 77 Abs. 6 BetrVG) siehe Betriebsvereinbarung: Nachwirkung.
§ 3 Abs. 3 TVG stellt klar, dass die Tarifgebundenheit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer an einen Tarifvertrag (etwa aufgrund Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband bzw. in der Gewerkschaft) so lange bestehen bleibt, bis der Tarifvertrag endet (z.B. aufgrund einer Befristung oder nach einer Kündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist).
Mit dem Ende des Tarifvertrages beginnt die sog. Nachwirkung (auch »verlängerte Tarifgebundenheit« oder »Nachgeltung« genannt).
§ 3 Abs. 3 TVG hat Bedeutung vor allem in folgenden Fällen:
Zu Verbandsaustritt und OT-Wechsel siehe Arbeitgeberverband.
Zum »Königsweg« der Tarifflucht durch Betriebsinhaberwechsel und Ausgliederung siehe Betriebsübergang.
Zu den gewerkschaftlichen Handlungsmöglichkeiten bei Tarifflucht siehe Arbeitgeberverband.
Aus § 3 Abs. 3 TVG folgt, dass der Arbeitgeber trotz Austritts aus dem Arbeitgeberverband bzw. OT-Wechsels weiter an die bisherigen jeweiligen Verbandstarifverträge (z.B. Entgelttarifvertrag, Manteltarifvertrag, usw.) bis zu deren Ablauf mit unmittelbarer und zwingender Wirkung gebunden ist (Nachbindung). Entsprechendes gilt für den Austritt des Arbeitnehmers aus der Gewerkschaft.
Während der Zeit der Nachbindung werden verschlechternde vertragliche Abmachungen von den fortgeltenden Verbandstarifregelungen verdrängt. Für den Arbeitnehmer günstigere vertragliche Vereinbarungen sind natürlich jederzeit möglich (siehe Günstigkeitsprinzip).
Auch bei einer Auflösung des Arbeitgeberverbandes sind die Verbandsmitglieder an die Tarifverträge nach § 3 Abs. 3 TVG weiterhin gebunden (BAG v. 23.01.2008 - 4 AZR 312/01, NZA 2008, 771).
Das BAG hat seine frühere Rechtsprechung, nach der eine Verbandsauflösung (nur) Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG zur Folge hat (BAG v. 28.05.1997 - 4 AZR 546/95, DB 1997, 2229) aufgegeben.
Siehe auch Arbeitgeberverband
Tarifregelungen, die sich zum Zeitpunkt des Austritts des Arbeitgebers aus dem Verband in ungekündigtem Zustand befinden gelten kraft Nachbindung gemäß § 3 Abs. 3 TVG sogar für solche Arbeitnehmer, die erst nach dem Verbandsaustritt des Arbeitgebers in die für den Betrieb zuständige Gewerkschaft eintreten (BAG v. 06.07.2011 - 4 AZR 424/09, NZA 2012, 281; BAG v. 04.08.1993 - 4 AZR 499/92, AiB 1994, 128).
Sie erwerben durch den Gewerkschaftsbeitritt einen tariflich abgesicherten Anspruch auf die Tarifleistungen.
Dieser Anspruch kann auch durch einen neuen (ggf. verschlechternden) Arbeitsvertrag nicht beseitigt oder auf eine »freiwillige Leistung« reduziert werden (§ 4 Abs. 3 TVG)!
Quelle: Betriebsratspraxis von A bis Z (Christian Schoof); Tarifvertrag: Nachbindung und Nachwirkung - Was ist das?
Betriebsratspraxis von A bis Z ist Bestandteil des Online-Moduls »Betriebsratswissen online«.
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