Arbeitgeber muss Zeit für das An- und Ausziehen von Sicherheitskleidung zahlen. © Adobe Stock - artfocus
Arbeitgeber muss Zeit für das An- und Ausziehen von Sicherheitskleidung zahlen. © Adobe Stock - artfocus

Immer wieder beschäftigen die Gerichte die Frage, ob das An- und Ablegen von persönlicher Schutzkleidung Arbeitszeit ist. Im konkreten Fall bestand die Besonderheit in einem Tarifvertrag, der vorsah, dass Umkleide- und die damit verbundenen Wegezeiten von der Vergütungspflicht ausgenommen sind. 

Ist das Umkleiden Arbeitszeit oder Privatvergnügen?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat dazu entschieden, dass Arbeit jede Tätigkeit ist, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (BAG, 19.09.2012 – 5 AZR 678/11). Dazu gehört auch das Umkleiden für die Arbeit, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt. Wenn dies nicht zu Hause erfolgen kann oder darf, so ergibt sich bereits daraus die Fremdnützigkeit.

Die Formulierung im Tarifvertrag, wonach Zeiten für Umkleiden und Waschen keine Arbeitszeiten sein sollen, stellt keine Vergütungsregelung dar. Ein Verstoß gegen § 2 Absatz 1 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG), so das Gericht, liegt nicht vor. Arbeitszeit im Sinne dieses Gesetzes ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen; diese ist zu vergüten.

Wichtig: Es handelt sich um Schutzkleidung

Aber: Im vorliegenden Fall handelte es sich um Schutzkleidung. Die Regelung im Tarifvertrag verstößt daher gegen § 3 Absatz 3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), wonach der Arbeitgeber die Kosten für Maßnahmen des Arbeitsschutzes nicht den Beschäftigten auferlegen darf.

Die Tarifregelung ist damit unwirksam, soweit Umkleide- und Wegezeiten nicht vergütet werden. Denn die Kosten des Arbeitsschutzes dürfen nicht dem Arbeitnehmer auferlegt werden. Diese gesetzliche Anordnung im ArbSchG ist unabdingbar. Zu den Kosten des Arbeitsschutzes gehören nicht nur die Sachmittel, sondern auch die dazu erforderliche Arbeitszeit.

Das gilt allgemein zu Umkleidezeiten

Das Problem von Umkleidezeiten stellt sich in sehr vielen Bereichen. Als Beispiele können genannt werden: Mitarbeiter bei der Abfallentsorgung, im Gesundheitswesen. Bei diesen Fallgruppen dürfte es keinen Zweifel daran geben, dass das Umkleiden Arbeitszeit ist. 

Solange allerdings ein Anlegen der vom Arbeitgeber geforderten Kleidung auch ohne weiteres zu Hause erfolgen kann, wird die dafür aufgewendete Zeit nicht bezahlt. Es müsste sich ansonsten schon um eine äußerst auffällige Kleidung im Vergleich zum Normalbürger handeln. Bei einem Zugbegleiter (LAG München, 25.09.2012 – 5 Sa 276/11) oder einer Pförtneruniform dürfte dies generell nicht der Fall sein.

Das Arbeitsgericht Oberhausen hat einem Werkstattmitarbeiter die Vergütung der Umkleidezeit zugesprochen. Es handelte sich dort um eine sehr auffällige Farbgebung. Insbesondere war es dem Arbeitnehmer aber nicht zuzumuten, ölverschmiert und nach Diesel riechend den Heimweg anzutreten (ArbG Oberhausen 04.03.2015 – 3 Ca 1700/14).

Praxistipp: Mitbestimmungsrechte bei der Arbeitskleidung

Darauf sollten Betriebsräte achten: Die Anordnung des Arbeitgebers, Dienstkleidung zu tragen, ist mitbestimmungspflichtig. Dies ergibt sich aus § 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG (betriebliche Ordnung). Soweit es sich um Schutzkleidung handelt, ist § 87 Absatz 1 Nr. 7 BetrVG (Arbeitsschutz) einschlägig. Dieses Recht sollte der Betriebsrat einfordern. 

Bei der Frage, ob Umkleidezeit und Wegezeiten zur Arbeitszeit gehören, kann der Betriebsrat großen Einfluss nehmen. Um Streit zu verhindern, sollte daher in einer Betriebsvereinbarung so genau wie möglich geregelt werden, was vergütet wird. Dazu gehört auch die Festlegung, welche Zeiten für Wegezeiten und Umkleiden normal bzw. üblich sind. (Dieser Artikel ist zuerst erschienen in: „AiB-Newsletter, Rechtsprechung für den Betriebsrat“ des Bund-Verlags, Ausgabe 22/2015 vom 17. Dezember 2015)

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg (Hamburg, 06.07.2015 - 8 Sa 53/14) finden sie hier

 

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Im Praxistipp:

§ 2 Arbeitszeitgesetz (ArbZG):  - Begriffsbestimmungen - und

§ 3 - Grundpflichten des Arbeitgebers  - Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz - ArbSchG)

Rechtliche Grundlagen

§ 2 Arbeitszeitgesetz (ArbZG): - Begriffsbestimmungen - und § 3 - Grundpflichten des Arbeitgebers - Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)

§ 2 Arbeitszeitgesetz (ArbZG): - Begriffsbestimmungen

§ 2 Begriffsbestimmungen

(1) Arbeitszeit im Sinne dieses Gesetzes ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen; Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern sind zusammenzurechnen. Im Bergbau unter Tage zählen die Ruhepausen zur Arbeitszeit.
(2) Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten.
(3) Nachtzeit im Sinne dieses Gesetzes ist die Zeit von 23 bis 6 Uhr, in Bäckereien und Konditoreien die Zeit von 22 bis 5 Uhr.
(4) Nachtarbeit im Sinne dieses Gesetzes ist jede Arbeit, die mehr als zwei Stunden der Nachtzeit umfaßt.
(5) Nachtarbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeitnehmer, die
1. auf Grund ihrer Arbeitszeitgestaltung normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht zu leisten haben oder
2. Nachtarbeit an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr leisten.

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Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz - ArbSchG)

§ 3 Grundpflichten des Arbeitgebers

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben.
(2) Zur Planung und Durchführung der Maßnahmen nach Absatz 1 hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten
1. für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen sowie
2. Vorkehrungen zu treffen, daß die Maßnahmen erforderlichenfalls bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen beachtet werden und die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können.
(3) Kosten für Maßnahmen nach diesem Gesetz darf der Arbeitgeber nicht den Beschäftigten auferlegen.