Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte im März 2013 beschlossen, dass Leiharbeiter im Einsatzbetrieb mitzuzählen sind, wenn es um die Frage der Größe des zu wählenden Betriebsrates geht. Ob dies auch bei der Frage der Anzahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder geht, hatte das BAG offengelassen. Diese Lücke hat jetzt als erstes deutsches Arbeitsgericht das Arbeitsgericht Wilhelmshaven geschlossen.

 

Geklagt hatte ein norddeutsches Unternehmen zur Herstellung von Mobilkranen. Da weniger als 901 feste Beschäftigte im Betrieb arbeiteten, war die Geschäftsleitung nicht einverstanden, als der Betriebsrat drei seiner Mitglieder freistellte. Die gewählte Vertretung hatte jedoch auch die regelmäßig beschäftigten Leiharbeiter mitgezählt. Auf diese Weise arbeiteten mehr als 901 Arbeitnehmer im Betrieb. Dies begründe, so der Betriebsrat, die dritte Freistellung.

Wirksame Betreuung von Leiharbeitern erfordert mehr Freistellungen

Dieser Ansicht folgte das Arbeitsgericht und wies den Arbeitgeberantrag, mit dem die Unwirksamkeit der Freistellungen festgestellt werden sollte, zurück. 

Zwar seien nach früherer Rechtsprechung nur betriebsangehörige Arbeitnehmer bei der Anzahl der Freistellungen zu berücksichtigen. Diese Rechtsprechung sei jedoch aufzugeben. Sinn und Zweck der Freistellungsregelungen sei es nämlich, eine wirksame Betriebsratsarbeit zu gewährleisten. Mit steigendem Umfang der Betriebsratsaufgaben in größeren Betrieben müsse auch die Anzahl der Freistellungen ansteigen. Und die Menge der Betriebsratsarbeit steige eben auch bei zunehmendem Einsatz von Leiharbeitern.

 

Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist noch nicht rechtskräftig. Der Arbeitgeber hat beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen Beschwerde eingelegt (Az. 5 TaBV 124/14).

 

Anmerkung der Redaktion

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven ist konsequent und folgerichtig. Wenn das BAG die Bedeutung der regelmäßig beschäftigten Leiharbeiter so bewertet, dass diese auch für die Größe des zu wählenden Betriebsrates mitzuzählen sind, kann nichts anderes für die Anzahl der Freistellungen gelten. Auch Leiharbeiter sind im Betrieb zu betreuen und führen zu einem größeren Umfang der Betriebsratsarbeit. Deshalb muss nicht nur die Betriebsratsgröße nach oben angepasst werden, sondern auch die Anzahl der Freistellungen.

Aus diesem Grunde verwundert nur der Arbeitgeberantrag, der offenbar die Entwicklung der Rechtsprechung ignorieren oder zurückdrehen wollte. Ernsthafte Erfolgsaussichten gab es jedoch nicht.

Michael Mey -  Rechtsschutzsekretär und Onlineredakteur - Hagen

Arbeitsgericht Wilhelmshaven Beschluss vom 30.9.2014, 1 BV 3/14

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.3.2013 können Sie hier nachlesen:

Rechtliche Grundlagen

§ 38 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)

Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
Ausfertigungsdatum: 15.01.1972

"Betriebsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. September 2001 (BGBl. I S. 2518), das zuletzt durch Artikel 3 Absatz 4 des Gesetzes vom 20. April 2013 (BGBl. I S. 868) geändert worden ist"
Stand: Neugefasst durch Bek. v. 25.9.2001 I 2518; zuletzt geändert durch Art. 3 Abs. 4 G v. 20.4.2013 I 868

§ 38 Freistellungen

(1) Von ihrer beruflichen Tätigkeit sind mindestens freizustellen in Betrieben mit in der Regel

200 bis 500 Arbeitnehmern ein Betriebsratsmitglied,
501 bis 900 Arbeitnehmern 2 Betriebsratsmitglieder,
901 bis 1.500 Arbeitnehmern 3 Betriebsratsmitglieder,
1.501 bis 2.000 Arbeitnehmern 4 Betriebsratsmitglieder,
2.001 bis 3.000 Arbeitnehmern 5 Betriebsratsmitglieder,
3.001 bis 4.000 Arbeitnehmern 6 Betriebsratsmitglieder,
4.001 bis 5.000 Arbeitnehmern 7 Betriebsratsmitglieder,
5.001 bis 6.000 Arbeitnehmern 8 Betriebsratsmitglieder,
6.001 bis 7.000 Arbeitnehmern 9 Betriebsratsmitglieder,
7.001 bis 8.000 Arbeitnehmern 10 Betriebsratsmitglieder,
8.001 bis 9.000 Arbeitnehmern 11 Betriebsratsmitglieder,
9.001 bis 10.000 Arbeitnehmern 12 Betriebsratsmitglieder.

In Betrieben mit über 10.000 Arbeitnehmern ist für je angefangene weitere 2.000 Arbeitnehmer ein weiteres Betriebsratsmitglied freizustellen. Freistellungen können auch in Form von Teilfreistellungen erfolgen. Diese dürfen zusammengenommen nicht den Umfang der Freistellungen nach den Sätzen 1 und 2 überschreiten. Durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung können anderweitige Regelungen über die Freistellung vereinbart werden.
(2) Die freizustellenden Betriebsratsmitglieder werden nach Beratung mit dem Arbeitgeber vom Betriebsrat aus seiner Mitte in geheimer Wahl und nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Wird nur ein Wahlvorschlag gemacht, so erfolgt die Wahl nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl; ist nur ein Betriebsratsmitglied freizustellen, so wird dieses mit einfacher Stimmenmehrheit gewählt. Der Betriebsrat hat die Namen der Freizustellenden dem Arbeitgeber bekannt zu geben. Hält der Arbeitgeber eine Freistellung für sachlich nicht vertretbar, so kann er innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach der Bekanntgabe die Einigungsstelle anrufen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Bestätigt die Einigungsstelle die Bedenken des Arbeitgebers, so hat sie bei der Bestimmung eines anderen freizustellenden Betriebsratsmitglieds auch den Minderheitenschutz im Sinne des Satzes 1 zu beachten. Ruft der Arbeitgeber die Einigungsstelle nicht an, so gilt sein Einverständnis mit den Freistellungen nach Ablauf der zweiwöchigen Frist als erteilt. Für die Abberufung gilt § 27 Abs. 1 Satz 5 entsprechend.
(3) Der Zeitraum für die Weiterzahlung des nach § 37 Abs. 4 zu bemessenden Arbeitsentgelts und für die Beschäftigung nach § 37 Abs. 5 erhöht sich für Mitglieder des Betriebsrats, die drei volle aufeinanderfolgende Amtszeiten freigestellt waren, auf zwei Jahre nach Ablauf der Amtszeit.
(4) Freigestellte Betriebsratsmitglieder dürfen von inner- und außerbetrieblichen Maßnahmen der Berufsbildung nicht ausgeschlossen werden. Innerhalb eines Jahres nach Beendigung der Freistellung eines Betriebsratsmitglieds ist diesem im Rahmen der Möglichkeiten des Betriebs Gelegenheit zu geben, eine wegen der Freistellung unterbliebene betriebsübliche berufliche Entwicklung nachzuholen. Für Mitglieder des Betriebsrats, die drei volle aufeinanderfolgende Amtszeiten freigestellt waren, erhöht sich der Zeitraum nach Satz 2 auf zwei Jahre.