Die Mundipharma GmbH ist ein mittelständisches forschendes Pharmazieunternehmen mit Sitz im mittelhessischen Limburg an der Lahn. Auf der Homepage wirbt Mundipharma unter anderem damit dass „Mundipharma auch bei seiner dritten Teilnahme am renommierten bundesweiten Wettbewerb „Deutschlands Beste Arbeitgeber 2015“ die fachkundige Jury überzeugte und damit zu „den 100 besten Arbeitgebern Deutschlands zählt“.
Wenn man dem Urteil der „fachkundigen Jury“ trauen darf, dann müsste bei dem Pharma–Konzern, der zu der US-amerikanischen Purdue Pharmaceuticals L.P. gehört, die betriebliche Welt in Ordnung sein. Skepsis gegen diese Entscheidung erscheint jedoch angezeigt. Für Mundipharma scheint es schon verwerflich wenn der Betriebsrat seine gesetzlich geregelten Informations- und Beteiligungsrechte geltend macht. Um aktive Betriebsräte zu verhindern, scheute man seitens der Verantwortlichen offenkundig nicht davor zurück, außertariflich Beschäftigte und Führungskräfte vor der 2014 durchgeführten Betriebsratswahl gegen die Liste der amtierenden Betriebsratsvorsitzenden einzustimmen.
Betriebsratswahl angefochten! Arbeitsgericht Wiesbaden erkennt keine Wahlanfechtungsgründe!
In einem derzeit bei der 9. Kammer des Hessischen Landesarbeitsgerichts (LAG) in Frankfurt anhängigen Beschlussverfahren (Az: 9 TaBV 44/15) ist über die Anfechtung der am 05. Mai 2014 durchgeführten Betriebsratswahl zu entscheiden. Vorausgegangen war diesem Beschwerdeverfahren eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 19. November 2014 (Az: 7 BV 2/14), welches zu dem Ergebnis kam, dass die durchgeführte Wahl des sich aus vier Betrieben zusammengesetzten gemeinsamen Betriebs nicht rechtsunwirksam gewesen sei.
Eingeleitet wurde das Wahlanfechtungsverfahren durch drei Mitglieder einer Liste, die bei der Wahl 2014 ihre Mehrheit verloren hat. Hierzu zählt auch die frühere Betriebsratsvorsitzende. Begründet wurde die Wahlanfechtung insbesondere mit dem Vorwurf der Wahlbeeinflussung durch Erfüllungsgehilfen (Führungskräfte) der Arbeitgeberin, die das erstinstanzliche Wiesbadener Gericht nicht zu erkennen vermochte.
Von den durch die Antragsteller*in angebotenen Zeugeneinvernahmen machte das Arbeitsgericht keinen Gebrauch. Die Zurückweisung des Antrags erfolgte mit der leicht absurd anmutenden Begründung, dass es auf die Vorwürfe gegen den Arbeitgeber nicht ankomme, weil sie außerhalb des Wahlzeitraums lagen. Stimmungsmache gegen die Betriebsratsvorsitzende und aktive Betriebsratsmitglieder im Vorfeld der Betriebsratswahl erachtete die 7. Kammer des Wiesbadener Arbeitsgerichts im Rahmen der Entscheidungsfindung für unbeachtlich.
LAG Frankfurt vernimmt ehemaligen Geschäftsführer
Völlig anders sieht es das das Beschwerdegericht. Ein Termin am 21. Mai 2015 beim Landesarbeitsgericht diente vor allem der Zeugenbefragung.
Der frühere Geschäftsführer eines Teilunternehmens des Mundipharma-Konzerns, der die Funktion des Leiters der Rechtsabteilung innehatte, berichtete von einem nachdenklich stimmenden Vorgang: Spät abends, so der Zeuge, hätte sich eine Mitarbeiterin bei ihm gemeldet. Sie sei Teilnehmerin eines sogenannten „Scheunentreffens“ gewesen, das am selben Abend stattgefunden habe.
Hierbei habe es sich um eine Sonderveranstaltung für außertariflich Beschäftigte und Führungskräfte gehandelt, an der sie, zusammen mit drei weiteren Kollegen*innen (Volljuristen*innen) aus der Rechtsabteilung teilgenommen hätte. Ihre Kollegen*innen und sie seien zutiefst darüber erschrocken gewesen, in welcher Weise zwei Unternehmensvertreter den Betriebsrat schlecht gemacht hätten. Sie habe für den folgenden Tag ein Meeting eingefordert um die Lage zu besprechen. Um auf die Missstände aufmerksam zu machen, habe man dann ein Gedächtnisprotokoll verfasst und dieses an die Muttergesellschaften in England und den USA geschickt.
Aus dem Gedächtnisprotokoll, das der Zeuge zur Verhandlung mitgebracht hatte, ergab sich, in welcher Weise der Personalleiter Martin Schöne und der damalige Geschäftsführer Gunther Niederheide die amtierende Betriebsratsmehrheit als destruktive und verantwortungslose Kraft dargestellt haben und dass es deren Ziel sei, dem Unternehmen zu schaden. Von einer Wiederwahl der Vorsitzenden sei konkret abgeraten worden. An die Anwesenden wurde appelliert, sich für die Kandidatur von „konstruktiveren“ Leuten einzusetzen.
Personalleiter mit Gedächtnislücken
Als weiterer Zeuge wurde der Personalleiter gehört, dessen Anhörung von Gedächtnislücken geprägt war. Er hatte große Schwierigkeiten sich an Einzelheiten zu erinnern. Bei dem „Scheunentreffen“ sei es wohl auch um die Betriebsratswahl gegangen. Soweit erinnerlich, habe man zwei Beispiele präsentiert, die der Betriebsrat, aus unerfindlichen Gründen blockiere.
Zu der Frage, ob auch Aussagen mit direktem Bezug zur anstehenden Wahlentscheidung gemacht worden sein, antwortete der wohl unter einer Altgedächtnisschwäche leidende Personalleiter: „Nein, vermutlich nicht“. Auch verließ ihn sein Erinnerungsvermögen bei der Frage, ob er bei anderer Gelegenheit gesagt habe, dass es „Verrat am Unternehmen“ sei, die BR-Vorsitzende wiederzuwählen“ Er antwortete darauf, dass er sich an jedes Wort jetzt nicht mehr erinnern könne, aber „Verrat“? Nein, das sei eigentlich nicht seine Wortwahl.
„Wenn es da so steht, dann wird es wohl so gewesen sein.“
Als Dritter trat einer der Mitarbeiter in den Zeugenstand, die am Zustandekommen des spontanen Meetings beteiligt waren. Hierbei handelt es sich um den Autoren des „Memos“, das an die Muttergesellschaften in England und den USA weitergereicht worden war. Dieser noch in der Rechtsabteilung bei Mundipharma Beschäftigte war erkennbar bemüht, sich von dem Inhalt des „Memos“ zu distanzieren und auf keinen Fall schlecht über seine Chefs zu reden. Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters räumte er aber ein, dass er sich bei der schriftlichen Zusammenfassung seiner Erinnerungen des Vorabends darum bemüht habe, keine Unwahrheiten oder Übertreibungen einzubauen und erklärte: „Wenn es da so steht, dann wird es wohl so gewesen sein.“
Zu einer Entscheidung des LAG kam es am 05. Mai 2015 noch nicht. Fest steht, dass zwischen Unternehmen und einem Teil des Betriebsrates nicht die besten Beziehungen bestehen.
Was die Unternehmensleitung als unverständliche Blockadehaltung der ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden sieht, ist aus der Sicht des Verfahrensbevollmächtigten Tjark Menssen von der Frankfurter Kanzlei „EuRAA Anwälte für Arbeitnehmer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH“, der die ehemalige Betriebsratsvorsitzende und zwei weitere Wahlbewerber vertritt, lediglich gewissenhafte Betriebsratsarbeit: „Die Betriebsratsvorsitzende hat mit ihrem Amtsantritt begonnen, auf die Informations- und Beteiligungsrechte zu bestehen, die das Betriebsverfassungsgesetz garantiert. Das war Mundipharma von ihren Amtsvorgängern nicht gewohnt. Sie hat den Unmut der Unternehmensleitung auf sich gezogen, weil sie ihr Amt ernst genommen hat.“
Da noch weiterer Aufklärungsbedarf besteht, wird die Verhandlung vor dem Frankfurter LAG am 16. Juli 2015 seine Fortsetzung finden. Weitere Zeugen sind zu diesem Termin geladen. Über den weiteren Verlauf werden wir berichten.
Anmerkung:
Wenn Mundipharma tatsächlich zu „den besten 100 Arbeitgebern Deutschlands“ gehören sollte, dann frage ich mich, nach welchen Bewertungsmaßstäben die „fachkundige Jury“ diese Entscheidung getroffen hat.
Arbeitgeber, die so vorgehen wie Mundipharma und aktive Betriebsräte verhindern oder gar aus dem Betrieb vertreiben wollen, gibt es immer wieder mal, stellen aber sicherlich die Ausnahmen dar. Mitnichten zählen diese jedoch zu den TOP 100 der besten Arbeitgeber, es sei denn, dass die „fachkundige Jury“ Arbeitgeber, die Betriebsräte mobben, oder Union Busting betreiben, im Rahmen ihrer Bewertung eine besonders hohe Punktzahl zukommen lassen.
Es ist zu hoffen, dass das Frankfurter LAG seine bisher eingeschlagene Linie beibehält und weitere Zeugen hört. Sollte sich bei den weiteren Zeugenaussagen erneut bestätigen, dass Unternehmensvertreter Einfluss auf die Betriebsratswahl genommen haben, so ist zu hoffen, dass, unter Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses, die Betriebsratswahl vom 05. Mai 2014 für rechtsunwirksam erklärt wird und es zu einer störungsfreien und von Arbeitgeberseite unbeeinflussten Neuwahl kommen kann.