Zwischen den Beteiligten bestand Streit darüber, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, Übernachtungskosten einer Betriebsratsrätin zu tragen, die aufgrund der Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung entstanden waren.
Berechtigen Schnee- und Eisglätte Übernachtung im Schulungshotel?
Da die „Grundlagenschulung Betriebsverfassungsrecht“ nur 44 Kilometer vom Wohnort des Betriebsratsmitglieds durchgeführt wurde, meldete der Betriebsrat die zu dem Seminar entsandte Betriebsrätin, nach einer entsprechenden Beschlussfassung, als Tagesgast zu der Schulung an. Vorausgegangen war dieser Beschlussfassung die Bitte des Leiters der Abteilung „Arbeit und Soziales“, im Hinblick auf die örtliche Nähe des Schulungsortes, Übernachtungskosten zu vermeiden.
Da zum Zeitpunkt der Schulungsmaßnahme ungünstige winterliche Witterungsbedingungen und damit verbundene Verkehrsbehinderungen aufgrund von Schnee- und Eisglätte herrschten, veranlasste die Betriebsrätin beim Seminarveranstalter die Nachbuchung eines Einzelzimmers mit Vollpensionspauschale für die Dauer der Schulungsveranstaltung.
Arbeitgeber bestreitet widrige Verkehrsverhältnisses und verweigert Übernahme der Übernachtungskosten
Der Arbeitgeber vertrat die Auffassung, dass die Übernachtungen angesichts der kurzen Distanz zwischen Wohn- und Schulungsort nicht notwendig gewesen seien. Denn es treffe nicht zu, dass im Zeitraum vom 7. bis 10. Dezember 2010 außergewöhnliche Witterungs- und Straßenverhältnisse geherrscht hätten. Jedenfalls habe die Entscheidung zur Übernachtung im Schulungshotel nicht auf widrigen Verkehrsverhältnissen beruht. Während des Seminars habe die Betriebsrätin nicht geprüft, ob die Übernachtungen im Schulungshotel erforderlich seien.
Betriebsrat beruft sich auf Unzumutbarkeit der Heimfahrt wegen Schnee- und Eisglätte
Der Betriebsrat trat der Begründung des Arbeitgebers entgegen und begründete die Übernachtungen der Betriebsrätin im Schulungshotel mit deren Notwendigkeit. Der Nutzen einer Betriebsratsschulung, so der Betriebsrat, bestehe nicht nur in der Wissensvermittlung, sondern auch in dem abendlichen Erfahrungsaustausch mit anderen Teilnehmern und Referenten.
Zudem sei der Betriebsratskollegin die tägliche An- und Abreise zum Schulungsort wegen der seinerzeit herrschenden ungünstigen winterlichen Witterungsbedingungen und der damit verbundenen Verkehrsbehinderungen aufgrund von Schnee- und Eisglätte nicht zumutbar gewesen.
Arbeitsgericht weist Antrag des Betriebsrats auf Kostenerstattung ab. Landesarbeitsgericht anerkennt Zahlungsanspruch und wird durch Bundesarbeitsgericht bestätigt
Das Arbeitsgericht Köln hat den Zahlungsantrag des Betriebsrats abgewiesen. Nach Einholung einer Auskunft des Deutschen Wetterdienstes hat das Landesarbeitsgericht (LAG) dem Antrag des Betriebsrats entsprochen. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hatte beim Bundesarbeitsgericht (BAG) keinen Erfolg.
In seiner Entscheidung vom 27.05.2015 führt das BAG, aus, dass der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen habe.
Zu diesen Kosten, so der Siebte Senat, gehören die Kosten, die anlässlich der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung entstanden sind, sofern das bei der Schulung vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist.
Übernachtungskosten sind grundsätzlich zu tragen
Neben den eigentlichen Seminargebühren habe der Arbeitgeber auch die notwendigen Reise-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten des Betriebsratsmitglieds zu tragen. Allerdings stehe die Pflicht des Arbeitgebers zur Kostentragung Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit.
Hiernach sei der Betriebsrat verpflichtet, den Arbeitgeber nur mit Kosten zu belasten, die er der Sache für angemessen halten dürfe. Er habe darauf zu achten, die durch seine Tätigkeit verursachten Kosten auf das notwendige Maß zu beschränken. Diese Pflicht gelte auch für das einzelne Betriebsratsmitglied.
Unter Beachtung dieser Grundsätze, so das BAG, habe das LAG rechtsfehlerfrei erkannt, dass die Arbeitgeberin verpflichtet sei, die Übernachtungskosten zu tragen.
Übernachtung war aufgrund der Eis- und Schneeglätte geboten
Die Würdigung des LAG, wonach die Betriebsrätin die Übernachtung am Schulungsort für erforderlich habe halten dürfen, weil ihr die tägliche An- und Abreise zum Schulungsort aufgrund der Witterungs- und Straßenverhältnisse nicht zumutbar gewesen sei, sei nicht zu beanstanden. Das LAG sei von dem zutreffenden Begriff der Erforderlichkeit ausgegangen und habe alle maßgeblichen Umstände widerspruchsfrei gewürdigt.
Denn das LAG habe unter Berücksichtigung der von ihm eingeholten Auskunft des Deutschen Wetterdienstes festgestellt, dass in der Zeit vom 7. bis 10. Dezember 2010 aufgrund durchgehender Eis- und Schneeglätte außergewöhnliche Straßenverhältnisse bestanden hätten, die zu verlängerten Fahrtzeiten und einem besonderen Unfallrisiko führten.
Die Würdigung des LAG, unter Berücksichtigung dieser Umstände, habe ergeben, dass die Betriebsrätin die Übernachtungen im Schulungshotel für erforderlich halten durfte. Im Übrigen sei es ihr auch unter Beachtung des Kosteninteresses des Arbeitgebers nicht zumutbar gewesen, ein erhöhtes Unfallrisiko einzugehen.
Anmerkung:
Die Entscheidung des BAG ist zu begrüßen. Zu Recht führt der Siebte Senat in den Entscheidungsgründen aus, dass der Arbeitgeber neben den eigentlichen Seminargebühren auch die notwendigen Reise-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten des Betriebsratsmitglieds zu tragen hat.
Zum Problem wurde der durch drei Instanzen getriebene Fall, bei dem es um ganze 314,16 Euro ging, erst dadurch, dass die Betriebsrätin durch den Betriebsrat als „Tagesgast“ für die mehrtägige Schulung angemeldet worden war. Auf der Arbeitgeberseite ging man offenkundig davon aus, dass die Klägerin täglich nach Beendigung der Schulung heim- und am nächsten Tag wieder zum Schulungsort fahren würde. Dies auch vor dem Hintergrund der Bitte des Leiters der Abteilung „Arbeit und Soziales“, der im Hinblick auf die örtliche Nähe des Schulungsortes, darum bat, Übernachtungskosten zu vermeiden.
Aus diesem zu Gunsten des Betriebsrats entschiedenen Fall sollte man die Lehre ziehen, sich bei mehrtägigen Schulungen nicht darauf einzulassen, nach täglichem Schulungsende die Heimfahrt anzutreten und am kommenden Tag wieder an den Schulungsort zu fahren. Denn grundsätzlich hat der Arbeitgeber auch die Übernachtungskosten zu tragen. Und dies nicht nur dann, wenn widrige Verkehrsverhältnisse herrschen, sondern auch zur Sommerzeit. Übernachtungen an Schulungsort empfehlen sich auch deshalb, weil dann die Möglichkeit des abendlichen Gedankenaustausches mit Schulungsteilnehmer*innen und Referenten*innen möglich ist. sollte Auf diese Möglichkeit sollte man nur in begründeten Ausnahmefällen verzichten.
Hier gibt es den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 27.05.2015 (Az.: 7 ABR 26/13)im Volltext
Im Praxistipp: §§ 2, 37 und 40 Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG
Rechtliche Grundlagen
§§ 2, 37 und 40 Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG
§ 2 Stellung der Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber
(1) Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten unter Beachtung der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammen.
(2) Zur Wahrnehmung der in diesem Gesetz genannten Aufgaben und Befugnisse der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften ist deren Beauftragten nach Unterrichtung des Arbeitgebers oder seines Vertreters Zugang zum Betrieb zu gewähren, soweit dem nicht unumgängliche Notwendigkeiten des Betriebsablaufs, zwingende Sicherheitsvorschriften oder der Schutz von Betriebsgeheimnissen entgegenstehen.
(3) Die Aufgaben der Gewerkschaften und der Vereinigungen der Arbeitgeber, insbesondere die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder, werden durch dieses Gesetz nicht berührt.
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§ 37 Ehrenamtliche Tätigkeit, Arbeitsversäumnis
(1) Die Mitglieder des Betriebsrats führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt.
(2) Mitglieder des Betriebsrats sind von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist.
(3) Zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, hat das Betriebsratsmitglied Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Betriebsbedingte Gründe liegen auch vor, wenn die Betriebsratstätigkeit wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder nicht innerhalb der persönlichen Arbeitszeit erfolgen kann. Die Arbeitsbefreiung ist vor Ablauf eines Monats zu gewähren; ist dies aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich, so ist die aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit zu vergüten.
(4) Das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats darf einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dies gilt auch für allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers.
(5) Soweit nicht zwingende betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen, dürfen Mitglieder des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nur mit Tätigkeiten beschäftigt werden, die den Tätigkeiten der in Absatz 4 genannten Arbeitnehmer gleichwertig sind.
(6) Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Betriebsbedingte Gründe im Sinne des Absatzes 3 liegen auch vor, wenn wegen Besonderheiten der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung die Schulung des Betriebsratsmitglieds außerhalb seiner Arbeitszeit erfolgt; in diesem Fall ist der Umfang des Ausgleichsanspruchs unter Einbeziehung der Arbeitsbefreiung nach Absatz 2 pro Schulungstag begrenzt auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Der Betriebsrat hat bei der Festlegung der zeitlichen Lage der Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen die betrieblichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen. Er hat dem Arbeitgeber die Teilnahme und die zeitliche Lage der Schulungs- und Bildungsveranstaltungen rechtzeitig bekannt zu geben. Hält der Arbeitgeber die betrieblichen Notwendigkeiten für nicht ausreichend berücksichtigt, so kann er die Einigungsstelle anrufen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
(7) Unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 6 hat jedes Mitglied des Betriebsrats während seiner regelmäßigen Amtszeit Anspruch auf bezahlte Freistellung für insgesamt drei Wochen zur Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, die von der zuständigen obersten Arbeitsbehörde des Landes nach Beratung mit den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände als geeignet anerkannt sind. Der Anspruch nach Satz 1 erhöht sich für Arbeitnehmer, die erstmals das Amt eines Betriebsratsmitglieds übernehmen und auch nicht zuvor Jugend- und Auszubildendenvertreter waren, auf vier Wochen. Absatz 6 Satz 2 bis 6 findet Anwendung.
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§ 40 Kosten und Sachaufwand des Betriebsrats
(1) Die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten trägt der Arbeitgeber.
(2) Für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung hat der Arbeitgeber in erforderlichem Umfang Räume, sachliche Mittel, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Büropersonal zur Verfügung zu stellen.