Wer diskriminiert, der verliert!
Wer diskriminiert, der verliert!

Nach § 82 Satz 2 und 3 SGB IX ist der öffentliche Arbeitgeber verpflichtet, schwerbehinderte Bewerber*innen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Hiervon kann nur abgesehen werden, wenn dem Bewerber offensichtlich die fachliche Eignung fehlt.

In dem vom Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg entschiedenen Fall stellte der Arbeitgeber dem schwerbehinderten Kläger, dem ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 zuerkannt worden war, zwar die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch in Aussicht, wies aber zugleich darauf hin, dass dessen Bewerbung geringe Erfolgsaussichten habe.

Der Kläger wurde gebeten mitzuteilen, ob er das Vorstellungsgespräch wahrnehmen wolle. Er reagierte weder auf diese Nachricht noch auf das anschließende Einladungsschreiben zu einem Bewerbungsgespräch. Daraufhin teilte der beklagte Landkreis dem Kläger am 8. Oktober 2013 mit, dass er sich für eine andere Bewerberin entschieden habe.

„Abschreckende“ Einladung zum Bewerbungsgespräch

Diese Form der „Einladung“ bewertete das LAG, ebenso wie das Arbeitsgericht Pforzheim, als "abschreckend". Hieraus ergab sich die Vermutung der Benachteiligung wegen der Behinderung i.S. des § 22 AGG, da der öffentliche Arbeitgeber seiner Einladungspflicht nach § 82 SGB IX dann nicht genüge, wenn er den schwerbehinderten Bewerber zwar formal zu einem Vorstellungsgespräch einlädt, ihm aber gleichzeitig die Erfolglosigkeit prognostiziert.

Da der öffentliche Arbeitgeber dem Kläger unverhohlen zu erkennen gegeben hatte, dass ein persönliches Vorstellungsgespräch keinen Erfolg haben werde, fühlte sich der schwerbehinderte Kläger diskriminiert. Er erhob Klage beim Arbeitsgericht (ArbGer) Pforzheim und beantragte den beklagten Landkreis zu verurteilen, eine Entschädigung in Höhe von 2.500 EURO zu zahlen. Das Arbeitsgericht gab seiner Klage mit Urteil vom 05.06.2014 – Az.: 6 Ca 9/14 – statt.

Wer diskriminiert, der verliert!

Der unterlegene Landkreis versuchte nun sein Glück beim LAG Baden-Württemberg durch Einlegung der Berufung, welche jedoch nicht von Erfolg gekrönt war.

Mit Urteil vom 03.11.2014 – Az: 1 Sa 13/14 – wies das LAG die Berufung des Beklagten zurück. In seiner Entscheidung machte das Berufungsgericht deutlich, dass der öffentliche Arbeitgeber dann seiner Einladungspflicht nach § 82 SGB IX nicht genügt, wenn er den schwerbehinderten Bewerber formal zu einem Vorstellungsgespräch einlädt, ihm aber zeitgleich die zu erwartende Erfolgslosigkeit meint mitteilen zu müssen.

Das Gericht ging von einem diskriminierenden Verhalten des Beklagten aus, auch wenn der Kläger aufgrund mangelnder Englischkenntnisse einen wesentlichen Teil des Anforderungsprofils des Beklagten nicht erfüllte. Der beklagte Landkreis hätte den Kläger also trotz seiner Schwerbehinderung unschwer aus dem Kreis der für die Stelle als Projektmanager in Frage kommenden Bewerber ausnehmen könne.

 

Begründet wurde dies damit, dass der Kläger aufgrund der Erklärungen des beklagten Landkreises in dem Eingangsbestätigungsschreiben der Bewerbung, davon ausgehen durfte, dass er die Voraussetzungen für die ausgeschriebene Stelle erfülle. Dies, so das LAG, ergebe sich aus der Auslegung des Schreibens.

Ebenso wie die I. Instanz kam das LAG zu dem Ergebnis kam, dass der Kläger aufgrund einer Benachteiligung wegen seiner Behinderung Anspruch auf einen Entschädigungsanspruch gem. § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) hat.

Anmerkung:

Die Entscheidung des ArbGer Pforzheim und deren Bestätigung durch das LAG Baden-Württemberg kann nur begrüßt werden.

Hier hat der beklagte Landkreis in offensichtlich diskriminierender Weise versucht, einen schwerbehinderten Bewerber dahin zu bringen, seine Bewerbung nicht weiter zu verfolgen. Denn nachdem der Landkreis dem Kläger mit Mail vom 12.07.2013 den Eingang der Bewerbungsunterlagen bestätigt hatte teilte der Leiter des Personal- und Ordnungsamtes diesem mit weiterer Mail vom 02.08.2013 folgendes mit:

 

„Sehr geehrter Herr Z.,


für Ihre Bewerbung bedanken wir uns nochmals.


Unser Stellenangebot ist auf das Interesse von nahezu 100 Bewerberinnen und Bewerbern gestoßen, darunter eine ganze Reihe, deren Profil unseren Erwartungen an den Stelleninhaber oder die -inhaberin stärker entspricht als das Ihrige.


Als öffentlicher Arbeitgeber berücksichtigen wir Bewerbungen von Schwerbehinderten entsprechend den Zielen des Schwerbehindertenrechts, d.h. wir geben Schwerbehinderten auch die Gelegenheit sich persönlich vorzustellen.


Bitte teilen Sie uns mit, ob Sie trotz der geringen Erfolgsaussichten ein Bewerbungsgespräch wünschen und die doch längere Anreise auf sich nehmen.


Das Gespräch würde dann voraussichtlich am 13.08.2013 stattfinden. Das genaue Datum und die Uhrzeit würden wir Ihnen noch mitteilen.


Mit freundlichen Grüßen


R.S.“

 

Aus diesem Schreiben war für den Empfänger mehr als deutlich erkennbar, dass allein dessen Schwerbehinderung ausschlaggebend für seine als chancenlos eingestufte Bewerbung, war. Das Schreiben gleicht mehr einer Absage, als der Einladung zu einem Gespräch.

 

Richtiger Weise nahm der Kläger deshalb Abstand davon, die Reise zu einem, aus Sicht des beklagten Landkreises, sinnlos erscheinenden Vorstellungsgespräch anzutreten.

 

 

 

Wer meint, schwerbehinderte Bewerber*innen in der Art und Weise von Vorstellungsgesprächen und somit von Arbeitsplätzen öffentlicher Arbeitgeber fern halten zu können, wie dies durch den Leiter des Personal- und Ordnungsamtes des beklagten Landkreises geschehen ist, der darf sich nicht wundern, wenn die im Arbeitsleben offenkundig benachteiligten schwerbehinderten Mitbürger*innen arbeitsgerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen und einen Entschädigungsanspruch gem. § 15 AGG geltend machen.

Hier finden Sie die vollständige Entscheidung des LAG Baden Württemberg vom 3.11.2014, 1 Sa 13/14

Rechtliche Grundlagen

§ 82 SGB IX - Besondere Pflichten der öffentlichen Arbeitgeber

Die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber melden den Agenturen für Arbeit frühzeitig frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze (§ 73). Haben schwerbehinderte Menschen sich um einen solchen Arbeitsplatz beworben oder sind sie von der Bundesagentur für Arbeit oder einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen worden, werden sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Eine Einladung ist entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Einer Integrationsvereinbarung nach § 83 bedarf es nicht, wenn für die Dienststellen dem § 83 entsprechende Regelungen bereits bestehen und durchgeführt werden.

§ 15 AGG - Entschädigung und Schadensersatz

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.
(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.
(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.
(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

§ 22 AGG - Beweislast

Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.