Kritisiert den Missbrauch des AGG: Michael Mey, Hagen.
Kritisiert den Missbrauch des AGG: Michael Mey, Hagen.

Missbrauch des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Diesem Geschäftsmodell schien sich auch ein süddeutscher Rechtsanwalt verschrieben zu haben. Obwohl er eine gut gehende Anwaltskanzlei betrieb, bewarb er sich auf die Anzeige einer Anwaltspraxis im westfälischen Hamm. Gesucht wurde ein Jurist*in unter anderem mit überdurchschnittlichen Examina. Folgende Einschränkung enthielt die Anzeige: Es sollte ein Berufsanfänger*in oder jemand mit kurzer Berufserfahrung sein. 

Der (erwarteten) Absage folgte die Entschädigungsklage: Die Ausschreibung sei altersdiskriminierend, da bewusst ältere Juristen ausgeschlossen seien. Berufsanfänger sei man halt nur in jungen Jahren.

Kein Erfolg vor Gericht

Das Arbeitsgericht Hamm wies die Klage ab. Zwar sei die Ausschreibung in der Tat altersdiskriminierend, denn mittelbar würden ältere Bewerber*innen benachteiligt. Gleichwohl scheide aber ein Entschädigungsanspruch aus, da die Ablehnung auf die fehlenden, aber in der Anzeige geforderten überdurchschnittlichen Examina gestützt wurde.

Die Frage des Rechtsmissbrauchs ließ das Gericht offen, obwohl bekannt war, dass sich der süddeutsche Anwalt auf eine Vielzahl von Stellen beworben hatte, die an Berufsanfänger gerichtet waren.

Das Landesarbeitsgericht Hamm hat die Berufung zurück gewiesen, die Revision zum Bundesarbeitsgericht aber zugelassen.

Anmerkung der Redaktion:

Das AGG ist ein wichtiges Gesetz. Es soll Diskriminierung im Arbeitsleben dadurch verhindern, dass es dem Benachteiligten einen Entschädigungsanspruch gibt. Dadurch ist es gelungen, die ungerechtfertigte Diskriminierung von Frauen, ethnischen Minderheiten, Homosexuellen und anderen stets und überall in der Gesellschaft Benachteiligten einzudämmen.

Umso schändlicher ist es, wenn dieser gute Gedanke unseres Gesetzgebers – der übrigens auch auf Europäischen Richtlinien beruht – missbraucht wird. Wer sich in Form eines Geschäftsmodelles nur einen Nebenverdienst schaffen will, indem er auf der „Diskriminierungswelle“ reitet, dem kommt es nicht wirklich auf die Unterbindung von gesellschaftlich zu ächtender Diskriminierung an. Im Gegenteil: Derartiges Verhalten schadet nur, weil es das AGG in Misskredit bringt. Es bleiben nämlich Fälle wie der vorliegende in Erinnerung und werden zum Gegenstand von Stammtischparolen.

Wir wissen nicht, wen wir im Hammer AGG-Fall mehr bedauern müssen: Den süddeutschen Advokaten, der es trotz gut gehender Kanzlei für nötig hielt, sich einen Zusatzverdienst zu verschaffen. Oder den westfälischen Juristen, der, obwohl vom Fach, nicht in der Lage war, eine fehlerfreie Anzeige zu schalten.

Bleibt zu hoffen, dass sie wenigstens am Prozess gewonnen haben: Der Sieger die Gebühren, der AGG-Hopper an Erfahrung.

Michael Mey, Hagen

Hier finden Sie die Presseerklärung des LAG Hamm

Rechtliche Grundlagen

§§ 1 und 15 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Ausfertigungsdatum: 14.08.2006
Vollzitat:
"Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897), das zuletzt durch Artikel 8 des Gesetzes vom 3. April 2013 (BGBl. I S. 610) geändert worden ist"
Stand: Zuletzt geändert durch Art. 8 G v. 3.4.2013 I 610

Abschnitt 1, Allgemeiner Teil
§ 1 Ziel des Gesetzes

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

.......

Abschnitt 2, Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung
Unterabschnitt 3
Rechte der Beschäftigten

§ 15 Entschädigung und Schadensersatz

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.
(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.
(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.
(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.