Regelmäßiger Alkoholkonsum: Längst ist auch bei den Arbeitsgerichten anerkannt, dass Alkoholismus eine Krankheit ist. Deshalb ist darauf beruhendes Fehlverhalten am Arbeitsplatz auch nicht nach den Kriterien der verhaltensbedingten Kündigung zu bewerten. Aber auch die Anwendung der Grundsätze der krankheitsbedingten Kündigung kann zur Beendigung der Beschäftigung führen.
Ein 55-jähriger Hofarbeiter, der auch verschiedene Fahrzeuge bedienen musste, war seit längerem alkoholkrank. Aus diesem Grund hat er seinen Arbeitsplatz verloren. Dies hat jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) in letzter Instanz bestätigt.
Der Beschäftigte war mehrfach bei Alkoholkontrollen negativ aufgefallen. Bereits vor der Kündigung hatte er eine Entziehungskur vorzeitig abgebrochen.
Das BAG sah die Prognose gerechtfertigt, dass der Beschäftigte aufgrund seiner Alkoholsucht nicht dauerhaft in der Lage sei, seine Arbeitsleistung ordnungsgemäß zu erbringen. Entscheidend für die negative Einschätzung der weiteren Entwicklung der Alkoholerkrankung war die fehlende Bereitschaft des Beschäftigten zur Durchführung einer Alkoholtherapie.
Daraus folge auch eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen. Mildere Mittel, wie etwa eine Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz, standen dem Arbeitgeber nicht zur Verfügung.
Tipp der Redaktion:
Arbeitsvertragliches Fehlverhalten, das auf einer Alkoholerkrankung des Beschäftigten beruht, ist im Falle einer Kündigung nicht als verhaltensbedingt zu bewerten. Vielmehr müssen Arbeitgeber und Gerichte die Grundsätze der krankheitsbedingten Kündigung anwenden.
Das bedeutet natürlich auch, dass ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) nach § 84 Absatz 2 Sozialgesetzbuch IX durchzuführen ist.
Voraussetzung ist hierfür, dass der Beschäftigte vor der Kündigung innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt wegen seiner Alkoholerkrankung arbeitsunfähig war.
Aber Achtung: Das Unterlassen eines BEM führt nicht zwingend zur Unwirksamkeit der Kündigung. Vielmehr muss der Arbeitgeber dann im Gerichtsverfahren konkret darlegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des alten Arbeitsplatzes des Beschäftigten noch dessen Tätigkeit auf einem anderen Arbeitsplatz in Betracht kommt.
Michael Mey, Onlineredakteur und Rechtsschutzsekretär - Hagen
Die vollständige Entscheidung des Bundesarbeitsgericht 2 AZR 565/12 finden Sie hier
Rechtliche Grundlagen
§ 84 II Sozialgesetzbuch (SGB) Neuntes Buch (IX)
Vollzitat: "Das Neunte Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (Artikel 1 des Gesetzes vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1046, 1047), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 14. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2598) geändert worden ist"
Stand: Zuletzt geändert durch Art. 3 G v. 14.12.2012 I 2598
§ 84 Prävention
(1) Der Arbeitgeber schaltet bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung und die in § 93 genannten Vertretungen sowie das Integrationsamt ein, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeits- oder sonstige Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann.
(2) Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 93, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). Soweit erforderlich wird der Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen. Die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter ist zuvor auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, werden vom Arbeitgeber die örtlichen gemeinsamen Servicestellen oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt hinzugezogen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Leistungen oder Hilfen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Abs. 2 Satz 2 erbracht werden. Die zuständige Interessenvertretung im Sinne des § 93, bei schwerbehinderten Menschen außerdem die Schwerbehindertenvertretung, können die Klärung verlangen. Sie wachen darüber, dass der Arbeitgeber die ihm nach dieser Vorschrift obliegenden Verpflichtungen erfüllt.
(3) Die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter können Arbeitgeber, die ein betriebliches Eingliederungsmanagement einführen, durch Prämien oder einen Bonus fördern.