Vergabe eines öffentlichen Auftrags nur bei Zahlung eines Mindestlohns 

Das deutsche Unternehmen RegioPost hatte sich, entgegen der Vergabebekanntmachung der Stadt Landau, nicht verpflichtet, seinen Beschäftigten bei Ausführung des Antrags einen Mindestlohn zu zahlen. Die Stadt Landau schloss das Unternehmen daher von einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags über die Postdienstleistungen der Stadt aus.

In der Vergabebekanntmachung hatte die Stadt Landau das rheinland-pfälzische Landestreuegesetz in Bezug genommen. Danach durften öffentliche Aufträge in Rheinland-Pfalz nur an Unternehmen vergeben werden, die sich bei Angebotsabgabe verpflichten, ein Mindestentgelt von 8,70 EURO brutto pro Stunde zu zahlen. Im maßgebenden Zeitraum (2013) gab es in Deutschland für die Postdienstleistungsbranche keinen Tarifvertrag über einen verbindlichen Mindestlohn.

Europäischer Gerichtshofs hält Verpflichtung zur Zahlung eines Mindestentgelts von 8,70 EURO brutto pro Stunde für vereinbar mit dem Unionsrecht 

Das von RegioPost angerufene OLG Koblenz legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob diese Rechtsvorschriften des Landes Rheinland-Pfalz mit dem Unionsrecht vereinbar sind. 

Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass das rheinland-pfälzische Landestreuegesetz und die hierauf beruhende Vergabebekanntmachung der Stadt Landau nicht gegen das Unionsrecht verstoßen.

In den Entscheidungsgründen führte der EuGH aus, dass die von der Stadt Landau getroffenen Regelungen insbesondere mit der Richtlinie 2004/18 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge vereinbar sind.

Einschränkung durch Arbeitnehmerschutz gerechtfertigt

Denn die für Bieter bestehende Auflage, sich schriftlich zur Zahlung eines Mindestlohns an ihre Beschäftigten zu verpflichten, und der Ausschluss vom Vergabeverfahren bei Nichtabgabe einer solchen Verpflichtungserklärung stellen nach der Richtlinie zulässige zusätzliche Bedingungen dar, da sie sich auf die Ausführung des Auftrags beziehen und soziale Aspekte betreffen.

Im Übrigen sei diese Verpflichtung im Streitfall auch transparent und nichtdiskriminierend. Überdies sei sie auch mit der Entsende-Richtlinie (RL 96/71) vereinbar, da sie sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, die einen Mindestlohnsatz im Sinne dieser Richtlinie vorsieht. Der in Rede stehende Mindestlohn gehört daher zu dem Schutzniveau, das den von Unternehmen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten zur Ausführung des öffentlichen Auftrags entsandten Arbeitnehmern garantiert werden muss.

Auch wenn ein Mindestlohn, so der EuGH, geeignet ist, den freien Dienstleistungsverkehr zu beschränken, kann er in Fällen wie dem Vorliegenden durch das Ziel des Arbeitnehmerschutzes gerechtfertigt sein. 

Anmerkung:

Die Entscheidung des EuGH vom 17.11.2015 überrascht positiv. Denn mit Urteil vom 03.04.2008 – Rs. 346/06 erblickten die EuGH-Richter in einer Bindung an Tarifverträge einen Verstoß gegen europäisches Recht. Nach der EG-Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern sei es unzulässig, die Vergabe eines öffentlichen Auftrags davon anhängig zu machen, dass der Auftragnehmer das am Ausführungsort tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zahlt.

Da in der am 17.11.2015 entschiedenen Sache der „RegioPost“ eine etwas andere Konstellation vorliegt als in der am 03.04.2008 entschiedenen Rechtssache „Rüffert“ kam der EuGH nun zu dem Ergebnis, dass es unionsrechtlich möglich ist durch landestreuegesetzliche Vorgaben öffentliche Aufträge nur an Unternehmen zu vergeben, die sich bei Angebotsabgabe verpflichten einen landesgesetzlich festgelegten Mindestbruttostundenlohn zu zahlen.


Hier finden Sie die vollständige Entscheidung des Europäische Gerichtshofs vom 17.11.2015