Frankreich und die Benelux-Länder: Vor- und Spitzenreiter
Pionier in Sachen Mindestlohn sind die Niederlande. Dort gab es schon 1894 erste Bestrebungen zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns.
Im Jahre 1968 wurde ein gesetzlicher Mindestlohn landesweit eingeführt.
Seither passt das Arbeitsministerium die Lohnuntergrenze gemäß der allgemeinen Preis- und (Tarif-)Lohnentwicklung an. Derzeit liegt der Mindestlohn in den Niederlanden bei 9,21 €.
In Belgien einigten sich 1975 die Dachverbände der Tarifvertragsparteien in einem branchenübergreifenden Vertrag auf die Einführung eines national gültigen Mindestlohns. Rechtliche Verbindlichkeit erlangte dieser Tarifvertrag durch einen Erlass des Königs, die Anpassung erfolgt zum einen durch automatischen Inflationsausgleich, zum anderen durch tarifvertragliche Aushandlung. Derzeit liegt der gesetzliche Mindestlohn bei 9,10 €.
Als erstes europäisches Land führte das Großherzogtum Luxemburg im Jahre 1944 einen gesetzlichen Mindestlohn ein. Dieser ist an die Preisentwicklung gekoppelt und orientiert sich zudem an der Entwicklung der Reallöhne. Mit 11,12 € ist er der europäische Spitzenwert. Für qualifizierte Arbeitnehmer*innen liegt er nochmals 20 Prozent darüber.
Frankreich hat seit 1950 einen Mindestlohn (SMIC). Die jährliche Anpassung orientiert sich dabei an der Preis- und Reallohnentwicklung, lässt aber auch der Regierung einen Ermessenspielraum. Seit Januar 2014 liegt der SMIC bei 9,61 € in der Stunde.
Großbritannien und Irland: Nachzügler, aber vorne dabei
In Großbritannien gibt es seit 1999 einen einheitlichen Mindestlohn. Die Low Pay Commission, bestehend aus Vertretern der Arbeitgeber, Gewerkschaften und Wissenschaftlern, empfiehlt alle zwei Jahre eine Anpassung dieser Lohnuntergrenze nach wirtschaftlichen und sozialen Faktoren. Derzeit liegt der britische Mindestlohn bei 7,43 Euro pro Stunde. Lag die Höhe des Mindestlohns im Sommer 2007 noch bei umgerechnet 8,20 Euro, so führt die derzeitige Stärke des Euros gegenüber dem britischen Pfund nun zu diesem niedrigeren Wert.
Eine ähnliche Entwicklung nahm die Einführung des Mindestlohns in Irland. Dort war trotz eines unvergleichlichen Wirtschaftsaufschwungs in den 80er Jahren Armut trotz Arbeit weit verbreitet. Seit dem Jahr 2000 sorgt der gesetzliche Mindestlohn dafür, dass es auf der grünen Insel mittlerweile keinen Lohn mehr unter 8,65 Euro in der Stunde gibt. Auch hier gab es keinen Beschäftigungsrückgang. Insgesamt erfreut sich der Mindestlohn in Irland einer breiten gesellschaftlichen Anerkennung.
Süd- und Osteuropa: Mindestlohn zwischen einem und vier Euro
Spanien hat seit 1968 einen gesetzlichen Mindestlohn. Dieser ist im westeuropäischen Vergleich mit derzeit 3,93 Euro bewusst auf einem niedrigen Niveau festgelegt worden. Hintergrund ist, dass er vorrangig als Referenzwert für soziale Leistungen dient. Tatsächlich liegen die meisten Löhne, auch im Niedriglohnbereich, deutlich über dem Mindestlohn. Auch Portugal (3,04 €) und Griechenland (3,35 €) liegen bei ihrem Mindestlohn in diesem Bereich.
Auch in den neuen EU-Mitgliedsstaaten im Osten gibt es gesetzliche Mindestlöhne, die zum Teil jedoch deutlich unter dem Schnitt der westeuropäischen Staaten liegen. Vergleichsweise hoch ist der Mindestlohn in Slowenien, wo er mit 4,57 € über dem der Südländer liegt.
Dagegen liegt der Mindestlohn in den übrigen Ländern bei unter 2,50 € in der Stunde (Kroatien (2,29 €), Estland (2,34 €), Lettland (2,17 €), Litauen (1,82 €), Polen (2,42 €), Slowakei (2,18 €), Tschechien (2,00 €), Ungarn (1,96 €) und auch in Bulgarien (1,06 €) und Rumänien (1,30 €)).
Der Unterschied zwischen diesen Mindestlöhnen und denen der Spitzengruppe erscheint auf den ersten Blick eklatant. Gemessen an der Kaufkraft und den Lebenshaltungskosten in den entsprechenden Ländern reduziert sich diese Spanne jedoch erheblich.
Andere Sicherungsmechanismen
Außerdem gibt es in fast allen europäischen Ländern, die keinen Mindestlohn haben, Instrumente, die die Mindesthöhe von Löhnen sicherstellen.
So wird in Dänemark, Schweden und Finnland die Höhe der Mindestlöhne ausschließlich über Verträge zwischen den Tarifvertragsparteien festgelegt. Dies gelingt deshalb, weil eine hohe Tarifbindung garantiert ist: In Skandinavien gelten für über 90 Prozent aller Beschäftigten Tarifverträge. Dennoch wird auch in diesen Ländern über gesetzliche Mindestlohnmodelle diskutiert.
Auch Österreich konnte traditionell auf eine gesetzliche Lohnuntergrenze verzichten, da es über eine sehr hohe Tarifbindung verfügt. Im Juli 2007 einigten sich die Verhandlungspartner jedoch auf die Einführung einer festen Lohnuntergrenze.
Deutschland hat damit einen allgemeinen Trend nachvollzogen, die Einführung des Mindestlohnes war dringend geboten – viele europäische Nachbarn waren schon lange weiter.