Arbeitgeber der Zeitarbeitsbranche durften nicht auf die Wirksamkeit der Tarifverträge mit der CGZP vertrauen.
Das Bundesverfassungsgericht sah in der Entscheidung der Arbeitsgerichte, die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) rückwirkend für nicht tariffähig zu erklären, keinen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip.
Zeitarbeitsbranche klagt gegen Entscheidungen
Geklagt hatten insgesamt 18 Unternehmen der Zeitarbeitsbranche. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte in einer ersten Entscheidung am 14. Dezember 2010 festgestellt, dass die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) nicht tariffähig ist und die von ihr geschlossenen Tarifverträge unwirksam sind.
In darauffolgenden Entscheidungen, die hatte die Rechtsprechung ausgeführt, dass diese Unwirksamkeit nicht nur für die Zukunft, sondern auch für die Vergangenheit gelte. Gegen diese Rechtsprechung wendeten sich die Beschwerdeführer.
Im Einzelnen waren dies die Beschlüsse des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Januar 2012 und des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Mai 2012, die die Tarifunfähigkeit der CGZP zu zurückliegenden Zeitpunkten in den Jahren 2004, 2006 und 2008 betreffen. Zum anderen wenden sie sich gegen einen Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 23. Mai 2012, nach dem kein Grund mehr für die Aussetzung einer Klage auf Differenzlohn bestehe, da die Tarifunfähigkeit der CGZP nunmehr für die maßgeblichen Zeitpunkte in den Jahren 2003, 2005 und 2006 feststehe.
Kein schutzwürdiges Vertrauen in unveränderte Rechtsprechung
Die entscheidende Kammer hatte gegen diese Entscheidungen keine Bedenken. Insbesondere sah sie keinen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip.
Es bestehe zwar aufgrund des Rechtsstaatsprinzips der Grundsatz der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, so dass insbesondere eine echte Rückwirkung von Gesetzen verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig sei. Dies gelte jedoch nicht für die höchstrichterliche Rechtsprechung, da diese kein Gesetzesrecht sei und deshalb keine vergleichbare Rechtsbindung erzeuge.
Ein schutzwürdiges Vertrauen in die Rechtsprechung bestehe nur, wenn eine gefestigte und langjährige Rechtsprechung ohne vorherige Erkennbarkeit geändert werde. Dies sei aber vorliegend nicht der Fall gewesen, da es keine gefestigte Rechtsprechung gegeben habe. Die bloße Erwartung, ein oberstes Bundesgericht werde eine ungeklärte Rechtsfrage in einem bestimmten Sinne beantworten, begründe kein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen.
Vielmehr habe an der Tariffähigkeit der CGZP von Anfang an erhebliche Zweifel bestanden. Die Beschwerdeführerinnen hätten die Tarifverträge der CGZP in Kenntnis dieser Zweifel angewendet, um damit in den Genuss niedriger Vergütungssätze zu gelangen. Mit der angegriffenen Rechtsprechung habe sich lediglich das erkennbare Risiko realisiert, dass später die Tarifunfähigkeit der CGZP festgestellt werden könnte.
Anmerkung: Fragwürdiges Vertrauen
Das Bundesverfassungsgericht hat das Ansinnen der Zeitarbeitsbranche mit deutlichen Worten zurückgewiesen: Die Arbeitgeber haben die Tarifverträge mit der CGZP angewendet, obwohl nicht sicher war, ob sie halten würden. Die Aussicht, nur Dumpinglöhne zahlen zu müssen, war zu verlockend.
Wer aber auf aus Profitgier auf ein wackeliges Geschäftsmodell setzt, darf sich später nicht beklagen, wenn er damit baden geht. Die Nachzahlungsklagen wären vermeidbar gewesen, wenn die Arbeitgeber der Zeitarbeitsbranche von Anfang an angemessene Löhne gezahlt hätten. Das sieht auch das BVerfG so, wenn es lapidar feststellt, dass sich das „erkennbare Risiko“ realisiert habe.
Es zeugt insgesamt von einem seltsamen Rechtsverständnis, wenn man in Erwartung einer für sich selbst günstigen Rechtsprechung plant und sich anschließend darüber beschwert, dass sich die Gerichte nicht daran halten. Auch dies hat das Verfassungsgericht in seiner Entscheidung deutlich zum Ausdruck gebracht.
Praktisch dürfte die Entscheidung allerdings von geringer Bedeutung sein, da die meisten Verfahren, die Ansprüche aus den Jahren vor 2010 betreffen, beendet sein dürften und neue Verfahren schon wegen der Verjährung nicht mehr erfolgversprechend sind. Wer allerdings noch ein Verfahren führt, dessen Chancen sind nach der vorliegenden Entscheidung noch einmal gestiegen.