Das Landesarbeitsgericht hatte einen Fall zu entscheiden, in dem eine Altenpflegerin regelmäßig Überstunden geleistet hatte.

Überstunden in Dienstplänen festgehalten

Die Klägerin war vom 15. November 2010 bis 29. Januar 2012 als Altenpflegerin zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 1.300 EUR beschäftigt. Nach Ende des Arbeitsverhältnisses verklagte sie ihren Arbeitgeber auf die Auszahlung von 152,5 noch nicht vergüteten Überstunden.

Die Klägerin legte im Einzelnen dar, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten sie über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hatte. Als Mitarbeiter im ambulanten Pflegedienst absolvierte sie täglich Touren, auf denen sie in Form von Hausbesuchen alte Menschen versorgte. Die geleisteten Stunden waren auf den Dienstplänen und Tourenplänen verzeichnet. Sie lagen dem Arbeitgeber auch vor.

Daher ergab sich aus den Aufzeichnungen auch, dass die geschuldete Arbeitsleistung überschritten war, also Überstunden angefallen waren. Diese wurden wöchentlich abgerechnet und in die Dienstpläne übernommen. Daher war es dem Arbeitgeber jederzeit möglich, exakt zu prüfen, inwieweit die behaupteten Überstunden tatsächlich geleistet worden waren.

Überstunden: Arbeitnehmer in der Beweislast

Dieser Umstand verhalf der Klägerin letztlich zu Sieg: Im Überstundenprozess ist der Arbeitnehmer voll beweisbelastet. Er muss nicht nur im Einzelnen darlegen, dass er die Stunden tatsächlich gearbeitet hat, was meist schon schwierig genug ist. Bis vor kurzem musste er auch minutengenau nachweisen, welche Tätigkeit er konkret ausgeführt hat. Seit der Entscheidung des BAG vom 16.05.2012 genügt der AN seiner Darlegungslast jetzt schon, wenn er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des AG zur Arbeit bereitgehalten hat.“ (BAG 16.5.2012 - 5 AZR 347/11)

Kann er das dokumentieren, so muss der Arbeitnehmer in einem zweiten Schritt auch beweisen, dass 

die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet worden oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sind. Gerade bei der Frage, ob die Arbeitsleistung geduldet war, können die Arbeitgeber sich oft genug herausreden.

Gericht: Überstunden wurden geduldet und sind zu vergüten

In diesem Fall gelang der Beweis jedoch durch die Dienstpläne.

Nach Auffassung des entscheidenden Landesarbeitsgerichts hat der Arbeitgeber die Überstunden geduldet. Die Duldung von Überstunden bedeutet, dass der Arbeitgeber in Kenntnis einer Überstundenleistung diese hinnimmt und keine Vorkehrungen trifft, die Leistung von Überstunden in Zukunft zu unterbinden, er also nicht gegen die Leistung von Überstunden einschreitet und sie vielmehr weiterhin entgegennimmt.

Hiervon ausgehend sah es das Gericht als erwiesen an, dass der Arbeitgeber hier spätestens am Ende des jeweiligen Monats von den geleisteten Überstunden wusste. ER konnte auch nicht beweisen, dass er daraufhin Gegenmaßnahmen unternommen hat, um diese Mehrstunden in Zukunft zu unterbinden.

Damit waren die Überstunden zu vergüten.

Dokumentieren lohnt sich

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern bestätigt einmal mehr, dass nach dem wegweisenden Urteil des Bundesarbeitsgerichts das Einklagen von Überstunden für Arbeitnehmer einfacher geworden ist. Auch wenn es sich noch nicht an jedem Arbeitsgericht herumgesprochen hat, muss der Arbeitnehmer nicht mehr bis auf die Sekunde nachweisen, was er getan hat, um eine Chance auf Überstundenvergütung zu bekommen. Das BAG geht jetzt lebensnah davon aus, dass es sich bei im Betrieb verbrachter Zeit um Arbeitszeit handelt.

Dies hilft aber nichts, wenn der Arbeitgeber behaupten kann, er habe die Überstunden quasi aufgenötigt bekommen. Eine ausdrückliche Anordnung wird es im Arbeitsalltag selten geben, deshalb kommt der Fall des „Billigens“ recht häufig vor.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern zeigt, wie wichtig gerade in solchen Fällen eine gute Dokumentation ist. Wird diese dem Arbeitgeber regelmäßig mitgeteilt, so wird er sich nicht mehr damit herausreden können, er habe nichts gewusst und er habe die Mehrarbeit nicht gewollt.

Die vorliegende Entscheidung kann man als weitere Ermutigung für Arbeitnehmer sehen, unbezahlte Überstunden nicht klaglos hinzunehmen. Mit einer guten Dokumentation stehen die Chancen inzwischen recht gut.

Dr. Till Bender, Onlineredakteur und Rechtsschutzsekretär, Nürnberg 

 

Zur Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 22.01.2014 - 2 Sa 180/13 im Volltext

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Eine Hilfe bei der Dokumentation bietet der Arbeitszeitkalender