Sechs Lichtschranken und vier Videokameras an sämtlichen Ein- und Ausgängen ließ ein Maschinenbau-Unternehmen aus Wiehe (Thüringen) in einer außerhalb des Betriebsgeländes liegenden Lagerhalle installieren. Aus Sicht des Unternehmers bestand kein Problem, denn die Kameras gehörten zu einer Einbruchsmeldeanlage, die erst nach Feierabend durch Verschließen der Lagerhalle von außen aktiviert wird. Bei einer Bewegungsmeldung würden die Aufnahmen auf einen Server in der Halle gespeichert und an die beauftragte Sicherheitsfirma per Telefonleitung übertragen. Es konnte vorab nicht ausgeschlossen werden, dass die Sicherheitsfirma auch ohne Alarm die Kameras freischaltet. Als nun der im Unternehmen tätige Betriebsrat von der Installation der Anlage erfuhr, verlangte er die Unterzeichnung einer Betriebsvereinbarung: „Zu Recht sah der Betriebsrat die Datenschutzrechte der Beschäftigten gefährdet“, erklärt Hubertus Bruder, zuständiger Jurist im DGB-Rechtsschutz-Büro Nordhausen, „Kameraeinrichtungen sind ein schwerwiegender Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und setzen Beschäftigte unter permanenten Überwachungsdruck.“ Als nun der Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung verweigerte, witterte der Betriebsrat Verrat und verlangte beim Arbeitsgericht Nordhausen die Einrichtung einer Einigungsstelle. Diese sah wie die Betriebsräte deren Mitbestimmungsrechte verletzt.
Heimliche Umprogrammierung möglich
Hiergegen wehrte sich das Unternehmen mit einer kuriosen Begründung: Das Gericht habe die Prüfungskompetenzen der Einigungsstelle nicht klar umrissen. Außerdem sei eine Überwachung der Mitarbeiter nicht möglich, da sich die Anlage erst nach Abschließen der Türen von außen einschaltet. Und maßgeblich sei allein, wie die Anlage derzeit betrieben würde. „Das war ein Streit um des Kaisers Bart“, resümiert Jurist Bruder, „denn das Arbeitsgericht muss beim Antrag auf Einsetzung einer Einigungsstelle nur eine Offensichtlichkeitsprüfung vornehmen. Die Einigungsstelle prüft selbst, ob ein Mitbestimmungsrecht verletzt ist oder nicht.“ Auch der Gang des Arbeitgebers vors Thüringer Landesarbeitsgericht bestätigte, dass der Betriebsrat die Einrichtung einer Einigungsstelle verlangen kann. Der Arbeitgeber musste zur Kenntnis nehmen, dass der Betriebsrat im Recht war, denn mit der Video-Anlage können Verhaltens- und Leistungsdaten der Mitarbeiter erhoben werden. Selbst wenn dies derzeit nicht geschieht und die Daten an die beauftragte Sicherheitsfirma übermittelt würden, kann der Arbeitgeber den Überwachungsstatus technisch abändern, ohne dass diese Änderung sofort für jedermann ins Auge fallen muss, so die Richter. Letztlich unterzeichnete der Arbeitgeber zähneknirschend eine Betriebsvereinbarung, die die Mitarbeiter vor unerlaubter Überwachung am Arbeitsplatz schützt.
Auf den Thüringer Beschluss bezog sich wenig später das Arbeitsgericht Hagen, das in einem Beschlussverfahren auch über die Einrichtung einer Einigungsstelle in Sachen Datenschutz zu entscheiden hatte. Zuvor hatte ein Metall-Unternehmen drei Terminals in der Fertigung zum Drucken von Auftragsdokumenten und zum Eingeben von Mengenrückmeldungen installiert – der Betriebsrat intervenierte und pochte auf den Abschluss einer ergänzenden Betriebsvereinbarung zur Rahmenbetriebsvereinbarung, da durch die digitale Erfassung Rückschlüsse auf Leistung und Verhalten der Arbeitnehmer möglich sind. Die Firmenleitung verweigerte die Unterzeichnung einer Betriebsvereinbarung, woraufhin dem Betriebsrat nur der Gang vors Arbeitsgericht blieb.
Betriebsrat hat ein Mitbeurteilungsrecht
Das Gericht bejahte die Notwendigkeit, den Betriebsrat mitbestimmen zu lassen. Es komme nicht darauf an, ob der Arbeitgeber die erfassten Daten auch auswerten oder festgestellte Verhaltensweisen gegen die Beschäftigten verwenden will. Es ist gerade Zweck des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Absatz 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz, dem Betriebsrat ein Mitbeurteilungsrecht bei der oft schwierigen Ermittlung der Grenze zwischen unzulässigen und zulässigen Überwachungsmaßnahmen zu sichern. „Kein Beschäftigter würde bemerken, wenn die Terminals umprogrammiert werden“, erklärt Michael Mey, der für das Beschlussverfahren zuständige Jurist der DGB Rechtsschutz GmbH in Hagen, „und da technisch gesehen jederzeit die Möglichkeit dazu besteht, muss eine Betriebsvereinbarung die Datenschutzrechte der Mitarbeiter regeln.“ Nach der Schlappe vor Gericht ließ der Arbeitgeber die Terminals abbauen. Der Abschluss einer Betriebsvereinbarung erübrigte sich.