Der Kaiser ist weg – Novemberrevolution vor 100 Jahren
Regelmäßig berichten wir auf unserer Homepage über Jahrestage. In diesem Jahr und den kommenden beiden Jahren werden einige Jahrestage begangen, die in Zusammenhang mit der Novemberrevolution 1918 stehen. Wir werden anlässlich einiger dieser Jahrestage an Menschen und Ereignisse erinnern.
Als Novemberrevolution werden die Ereignisse bezeichnet, die gegen Ende des ersten Weltkrieges zur Ablösung der Fürstenherrschaft über das Deutsche Reich und in die Weimarer Republik geführt haben. Tatsächlich war die Deutsche Republik aber nicht das Ergebnis einer Revolution. Auch begannen Widerstände gegen die herrschende Ordnung nicht erst im November 1918.
Die Arbeiterbewegung ist in Deutschland bereits im 19. Jahrhundert entstanden. Es bildeten sich Gewerkschaften und Arbeiterparteien, die schon damals eine kraftvolle Gegenbewegung zu den herrschenden Verhältnissen darstellten. Die Sozialdemokratische Partei (SPD) war zu Beginn des 20. Jahrhunderts die mitgliederstärkste Arbeiterpartei Europas.
Der Burgfrieden
Vor dem ersten Weltkrieg war die SPD eine streng antimilitaristische und antinationalistische Partei, die noch im Juli 1918 einen Aufruf veröffentlichte, der mit den Worten endete: „Überall muss den Machthabern in den Ohren klingen: Wir wollen keinen Krieg! Nieder mit dem Kriege! Es lebe die internationale Völkerverbrüderung!“
Mit Beginn des Weltkrieges stimmte indessen die Reichstagsfraktion der SPD einer Initiative des damaligen Reichskanzlers von Bethmann-Hollweg zu, die innenpolitischen Streitigkeiten für die Dauer des Krieges ruhen zu lassen. Kaiser Wilhelm II. schwang patriotische Reden und meinte, er kenne keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche. Im Mittelalter gab es die Regel, Kriegshandlungen aus den engeren Bereichen einer Burg herauszuhalten. In Anlehnung daran wird die Bereitschaft der Parteien zur Zusammenarbeit und zum grundsätzlichen Einverständnis mit der Kriegspolitik als „Burgfriedenspolitik“ bezeichnet.
Die Reichstagsfraktion der SPD stimmte den von der Reichsregierung beantragten Kriegskrediten mit nur zwei Gegenstimmen zu. Die Burgfriedenspolitik führte aber letztlich zur Spaltung der Partei. Prominente Mitglieder wie Rosa Luxemburg, Clara Zetkin und Karl Liebknecht waren von Anfang an Gegner dieser Politik. Viele Burgfriedensgegner wurden aus der Partei ausgeschossen und sogar zu langen Haftstrafen verurteilt.
Die Arbeiterpartei ist gespalten
1916 schlossen sich etliche der Burgfriedensgegner in einem Bund mit dem Namen „Gruppe Internationale“ zusammen, aus der dann später der k:Spartakusbund 9:k hervorging . Aber auch viele der zunächst willigen Fraktionsmitglieder der SPD änderten ihre Überzeugung im Laufe des Krieges und die SPD spaltete sich ebenfalls 1916 in die Unabhängige Sozialdemokratische Partei (USPD) der Kriegsgegner und der SPD der Mehrheit (MSPD) derjenigen, die die Burgfriedenspolitik fortsetzen wollten.
Eine Art Vorgängerorganisation des DGB war seinerzeit die Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands, ein überverbandliches Koordinierungs- und Agitationsgremium für die der Sozialdemokratie nahestehenden Gewerkschaften. Auch diese Organisation stimmte der Burgfriedenspolitik zunächst zu.
Es wird viel von der angeblichen allgemeinen Kriegsbegeisterung der Deutschen zu Beginn des Krieges berichtet. Unter den Arbeitern war indessen diese Begeisterung weit weniger verbreitet als im Bürgertum. Die Arbeiter und ihre Familien waren die ersten, die unter den Folgen des Krieges und der Mangelwirtschaft litten. Auch Kriegsfreiwillige kamen in erster Linie aus dem Bürgertum. Arbeiter wurden in der Regel zum Kriegsdienst verpflichtet und zu Millionen als Kanonenfutter in die Materialschlachten gehetzt.
Während des gesamten Krieges kam es zu zahlreichen Streiks. Der bedeutendste dieser Streiks fand im Januar 1918 statt. Reichsweit legten in den meisten großen Betrieben Beschäftigte ihre Arbeit nieder, um für die Beendigung des Krieges und eine Demokratisierung des Staates zu protestieren. Organisiert wurden diese Streiks indessen nicht von den offiziellen Gewerkschaften, die sich dem Burgfrieden verpflichtet fühlten.
Wie bei der SPD kam es auch bei den Gewerkschaften zu einer Spaltung. Die Burgfriedensgegner unter den Gewerkschaftern bildeten eine Organisation, die sich „revolutionäre Obleute“ nannte. Diese Vereinigung von sozialdemokratisch gesinnten Gewerkschaftern war vor allem verantwortlich für die Organisation von Streiks während des Krieges. Sie sollte noch während der Novemberrevolution eine bedeutende Rolle spielen.
Der Krieg ist verloren
Die Oberste Heeresleitung (OHL) unter den Generälen Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff hatte während des Krieges im Grunde die Regierung der Reiches übernommen und fungierten gleichsam als Diktator. Bis Oktober 1918 hatte die OHL keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass der Sieg nur eine Frage der Zeit sei.
Überraschend meldete sich Ludendorff dann Anfang Oktober beim Reichskanzler und erteilte zwei Befehle, die unverzüglich auszuführen seien:
- die politische Ordnung sei nach dem Vorbild der westlichen Demokratien unter Berücksichtigung der Reichstagsmehrheit umzugestalten
- die auf dieser Grundlage gebildete neue Regierung habe bei den Feinden um sofortigen Waffenstillstand nachzusuchen
Die Absichten Ludendorffs waren offensichtlich. Die OHL wollte sich gleichsam aus der Verantwortung stehlen. Die kaiserlichen Generäle waren sicherlich nicht über Nacht zu Demokraten mutiert. Die Suppe, die die OHL den Deutschen und der Welt eingebrockt hatte, sollten vielmehr diejenigen auslöffeln, die die Generäle bislang verachtet hatten. Zugleich ging die OHL wohl davon aus, dass eine demokratisch gewählte Regierung bei Friedensverhandlungen einen besseren Stand hätte. Die verbliebenen Kriegsgegner waren schließlich bürgerliche Demokratien. Der Reichskanzler, seit November 1917 Graf Georg von Hertling, trat daraufhin entsetzt zurück. Zum Nachfolger wurde ein gemäßigt liberaler Aristokrat, Prinz Max von Baden, bestimmt. Er war der erste Kanzler des deutschen Kaiserreichs, der bei der Ernennung der Regierungsmitglieder die Mehrheitsverhältnisse im Parlament berücksichtigte. Er berief deshalb auch zwei Sozialdemokraten, Philipp Scheidemann und Gustav Bauer, in die Regierung.
Der Aufstand beginnt
Am 24. Oktober 1918 erließ die deutsche Marineführung kurz vor dem Ende des Ersten Weltkrieges den Befehl, das Auslaufen der Hochseeflotte vorzubereiten. Nachdem die deutsche Kriegsmarine bis dahin eher geschont worden war, sollte jetzt eine Entscheidungsschlacht gegen die britische Royal Navy herbei geführt werden. Die Matrosen verspürten indessen wenig Neigung, sich kurz vor Ende eines bereits verlorenen Krieges noch zu opfern. Aus Meutereien in einzelnen Marinebasen vor allem in Wilhelmshaven und Kiel entwickelt sich schließlich ein Aufstand der Matrosen, der heute als Auftakt zur Novemberrevolution 1918 gilt.
Aufstände und Proteste breiteten sich rasch im gesamten Reich aus. In vielen großen Städten bildeten sich Arbeiter- und Soldatenräte, die die bis dahin herrschenden Fürstenhäuser und militärischen Generalkommandos stürzten. Als die Proteste schließlich die Reichshauptstadt Berlin erreichten, wurde seitens der Reichsregierung unter dem neuen Reichskanzler Max von Baden Druck auf den Kaiser ausgeübt, den Thronverzicht zu erklären. Kaiser Wilhelm II. zögerte jedoch mit einer solchen Erklärung. Reichskanzler von Baden veröffentliche deshalb eigenmächtig am 09. November 1918 die Abdankung des Kaisers, ohne diesen freilich darüber zu informieren. Zugleich übergab er dem Führer der MSPD, Friedrich Ebert, in klarer Überschreitung seiner Kompetenzen die Regierungsgewalt.
Der Kaiser flieht
Der Kaiser wurde daraufhin fahnenflüchtig und begab sich ins Exil in die Niederlande. Erst am 28. November 1918 unterschrieb er schließlich die Abdankungserklärung.
Das Ziel der Parteiführung der MSPD um Friedrich Ebert war indessen wenig revolutionär. Es ging ihnen letztlich um die Aufrechterhaltung der bestehenden Ordnung. Von Ebert ist die Aussage überliefert, er würde k: die Revolution hassen wie die Sünde :k. Die Massen konnte indessen weder der Sturz des Kaisers noch die Machtübernahme durch die MSPD beruhigen. Massenproteste und Streiks gingen vielmehr unvermindert weiter. Noch am 09.November 1918 erfuhr der MSPD-Abgeordnete Philipp Scheidemann davon, dass der Führer des Spartakusbundes, Karl Liebknecht, vom Stadtschloss in Berlin eine sozialistische Republik ausrufen wollte. Ohne seine Genossen zu informieren, rief Scheidemann daraufhin von einem Fenster des Reichstagsgebäudes aus, die demokratische Republik Deutschland aus.
Parlamentarische Republik oder Rätesystem?
Scheidemann gab später an, er habe mit dem Ausrufen der Republik eine „Rätediktatur“ nach dem russischen Vorbild verhindern wollen. Friedrich Ebert war über das eigenmächtige Vorgehen seines Genossen indessen sehr erzürnt. Für ihn war die Ausrufung der Republik bereits ein revolutionärer Akt, der von der Verfassung nicht gedeckt war. Ihn kam es darauf an, auf der Basis der bestehenden Ordnung Wahlen zur einer Nationalversammlung abzuhalten, die schließlich in einem demokratischen Prozess über die Zukunft Deutschlands entscheiden sollte.
Den demonstrierenden Massen waren vermutlich die inhaltlichen Differenzen zwischen den sozialdemokratischen Funktionären einigermaßen egal. Ihr Interesse war in erster Linie die baldige Beendigung des Weltkrieges und die Einigkeit der Arbeiterklasse. Zudem sollten diejenigen zur Rechenschaft gezogen werden, die am Krieg und dessen Folgen die Hauptverantwortung trugen. Zur Beruhigung der Massen schlug Ebert schließlich vor, eine gemeinsame provisorische Regierung aus Vertretern der MSPD und der USPD zu bilden, der auch Liebknecht angehören sollte.
Der Rat der Volksbeauftragten
Unterdessen hatten die revolutionären Obleute den Reichstag besetzt und die Ablösung Friedrich Eberts als Reichskanzler gefordert. Die Obleute verlangten das Ende der durch Beschluss „von oben“ eingesetzten Reichsregierung. Stattdessen sollten unverzüglich in Berliner Betrieben und Regimentern Wahlen zur Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten abgehalten werden. Die Position des Reichskanzlers sollte durch einen Rat der Volksbeauftragten ersetzt werden, der nur im ausdrücklichen Auftrag der Räte handeln konnte.
Verhindern konnte Ebert diese Wahlen indessen nicht. Stattdessen war er bestrebt, auch im Rat der Volksbeauftragten den Ton anzugeben. Da die revolutionäre Obleute die Absicht Eberts durchschauten, setzten sie schließlich noch die Bildung eines Vollzugsrates durch, der die Arbeit der Volksbeauftragten überwachen sollte.
Am 10. November 1918 wurde dann der Rat der Volksbeauftragten aus jeweils drei Mitgliedern von Mehrheitssozialdemokraten (MSPD) und Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) gebildet. Einig wurden sich die Mitglieder des Rates allerdings nicht. Während die Vertreter der MSPD für eine zeitnahe Wahl zu einer verfassungsgebenden Nationalversammlung eintraten, verfolgten die Unabhängigen weitergehende Ziele: die gesellschaftliche Struktur sollte tiefgreifend verändert werden. Das sollte sowohl die immer noch bestehenden kaiserlichen Verwaltungs- und Gerichtsstrukturen als auch die Art der politischen Herrschaft betreffen. Statt einer parlamentarischen Demokratie bevorzugte die USPD ein Rätesystem mit imperativem Mandat.
Aus Protest gegen einen Schießbefehl Eberts gegen linke Demonstranten verließen die Mitglieder der USPD bereits am 29. Dezember 1918 den Rat der Volksbeauftragten.
Ebert setzte sich indessen mit seiner Linie durch. Am 19. Januar 1919 fanden in allgemeine Wahlen zu einer Nationalversammlung statt, die eine Verfassung der Republik verabschieden sollte. Wegen der anhaltenden Unruhen in der Reichshauptstadt tagte die Nationalversammlung im wesentlich ruhigeren Weimar (daher auch: Weimarer Republik). Sie setzte mit dem Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt vom 06.Februar 1919 eine Art vorläufige Verfassung in Kraft. Auf Grundlage dieses Gesetzes wurde am 11.Februar 1919 Friedrich Ebert zum Reichspräsidenten gewählt. Er wiederum setzte am 13. Februar 1919 Philipp Scheidemann als Reichskanzler ein und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung.
Die Tätigkeit des Rates der Volksbeauftragten war damit beendet.
Der Ebert-Groener Pakt
Friedrich Ebert und die Mehrheitssozialisten wollten mit der überstürzt einberufenen Nationalversammlung eine Eskalation der Revolution verhindern. Kennzeichnend dafür sind u.a. Aufrufe der neuen Regierung bereits im November 1918. Die revoltierenden Massen wurden zur Ruhe aufgerufen. Die alte Ordnung sei ja beseitigt, die Revolution habe gesiegt und man könne jetzt beruhigt „nach Hause gehen“.
Zum Schutz der neuen Regierung hatten die Kieler Matrosen eine k: Volksmarinedivision :k gebildet, die zeitweise aus mehr als 3.000 Mann bestand. Die Reichsregierung hatte allerding bereits zuvor einen Pakt mit der obersten Heeresleitung und deren neuen Oberbefehlshaber, General Groener, geschlossen (Ebert-Groener-Pakt). Obwohl die Volksmarinedivision loyal zur Regierung stand und politisch zunächst eher auf Seiten der rechten Sozialdemokratie einzuordnen war, lehnte Ebert eine Zusammenarbeit ab. Seine Absicht war, mithilfe der „regulären“ Truppen gegen linksradikale Gruppen vorzugehen.
War die Revolution zunächst überwiegend friedlich, verschärfte der Pakt die Auseinandersetzung. Die Reichswehrführung war bestrebt, jede Opposition im Keim zu ersticken und ging blutig auch gegen harmlose Demonstrationen vor, wenn sie nur den Anschein erweckten, auf die Errichtung einer sozialistischen Ordnung abzuzielen.
Der Ebert-Groener-Pakt war letztlich ein wichtiger Grund für das Scheitern der Revolution. Die Sozialdemokraten um Friedrich Ebert hofften mithilfe des Bündnisses eine Stabilisierung der Situation und einen geordneten Übergang von der Monarchie zur Demokratie zur erreichen. Die OHL wollte dagegen die politischen Strukturen des Kaiserreichs möglichst weitgehend retten und vor allem die Existenz der Armee und des Offizierskorps schützen. Beiden ging es auch darum, das besiegte Heer nach dem verlorenen Krieg nach Deutschland zurück zu holen und möglichst günstige Bedingungen für einen Friedensvertrag mit den Siegermächten zu schaffen.
Der „Spartakusaufstand“
Das Bündnis zwischen der Reichsregierung und den „alten Mächten“ hatte fatale Folgen. Deutschland wurde zum Tummelplatz rechtsradikaler und reaktionärer Kräfte. Seit Ende 1918 wurden aus ehemaligen Frontsoldaten und anderen rechtsgerichteten Freiwilligen sogenannte „Freikorps“ gebildet mit dem Ziel, linke Aufstände nieder zu schlagen.
Während jedes Aufgebehren von links im Keime erstickt wurde, durften rechtradikale Kampfverbände nahezu unbeeinträchtigt ihr Unwesen treiben. Auch die Führung der SPD war aus lauter Angst vor „Bolschewisten“ auf dem rechten Auge blind. Mehr noch - mit dem „Bluthund“ Gustav Noske stellte die Reichsregierung sogar einen Sozialdemokraten an die Spitze reaktionärer Kampftruppen. Besonders unselig war die Rolle Noskes bei der Niederschlagung eines Generalstreiks im Januar 1919, der als „Spartakusaufstand“ in die Geschichtsbücher eingegangen ist. Auslöser war die Absetzung des Berliner Polizeipräsidenten Emil Eichhorn (USPD), der mit den linken Kräften sympathisierte und den Ebert als unzuverlässig ansah.
Tiefere Ursache war jedoch die Unzufriedenheit vieler linker Kräfte aus der USPD und den revolutionären Obleuten mit dem Kurs der Reichsregierung. Diese Kräfte erkannten, dass die zeitnahe Durchführung von Wahlen zur Nationalversammlung nur der Stabilisierung der bestehenden Machtverhältnisse diente und einer weiteren Entwicklung Deutschlands zu einem sozialen Rechtsstaat im Wege stand. Im Dezember 1918 gründeten Mitglieder der USPD und des Spartakusbundes die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Die KPD trat für die Bildung einer Räterepublik nach dem Vorbild Russlands ein.
Am Tag nach der Entlassung Eichhorns riefen Mitglieder der USPD und der revolutionären Obleute zum Generalstreik und zu Demonstrationen auf mit dem Ziel, die Regierung Ebert zu stürzen. Dem Aufruf folgten etwa eine halbe Millionen Berlinerinnen und Berliner und es kam zur Besetzung des Berliner Zeitungsviertels.
Der Spartakusbund war zunächst gar nicht an den Streikmaßnahmen beteiligt. Rosa Luxemburg war sogar ausdrücklich gegen eine Beteiligung. Gleichwohl beschlossen die Führungen von USPD und KPD im Nachhinein, sich an den Besetzungen zu beteiligen. Seitens der zahlreichen Demonstranten kam es weder zu Gewaltausbrüchen noch zu radikaleren Forderungen. Vielmehr zeigten sie vor allem Spruchbänder und Transparente, mit denen sie zu Frieden und Einigkeit aufriefen. Die Volksmarinedivision bleib den Demonstrationen sogar fern, weil sie der Regierung Ebert loyal gegenüberstand.
Die Freikorps quittierten Verhandlungsbereitschaft mit Gewalt
Etwa 50 Vertreter von USPD, KPD und revolutionären Obleuten bildeten einen „Revolutionsausschuss“, der die Streikmaßnahmen und Protestdemonstrationen koordinieren sollte. Indessen erzielten die Mitglieder des Ausschusses keine Einigkeit über das weitere Vorgehen. Die Mehrheit plädierte für eine Verhandlung mit Friedrich Ebert. Nachdem diese Verhandlungen gescheitert waren, stellten ehemalige Frontoffiziere und rechtsradikale Militärs weitere Freikorps auf. Die Reichsregierung ernannte Gustav Noske offiziell zum Oberbefehlshaber.
Gewalt ging dann eindeutig von den Freikorps aus. Noske erteilte am 11.Januar 1919 dem Befehl, die besetzten Zeitungsgebäude gewaltsam zu räumen. Dieser Befehl wurde von einem Freikorps, der Brigade Erhard, mithilfe von Maschinengewehren und Mörsern brutal ausgeführt. Es kam dabei zu vielen Todesopfern unter den Besetzern, die ob der Angriffe völlig unvorbereitet waren und sich zumeist freiwillig ergaben.
Mit der Räumung des Zeitungsviertels war allerdings bei weitem die Massaker noch nicht beendet. Am 13.01.1919 rückten weitere Freikorps in Berlin ein, um für „Ruhe und Ordnung“ zu sorgen. Tatsächlich kam es zu unbeschreiblichen Gewaltexzessen durch rechtsradikale Freikorps, die in keinem Verhältnis zu einzelnen Gewalttaten linker Gruppen standen. Am 15. Januar 1919 ermordeten Mitglieder der so genannte „Garde-Kavallerie-Schützen-Division“ unter Hauptmann Waldemar Pabst heimtückisch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.
Die Weimarer Republik
Am 15.August 1919 trat die Verfassung der Deutschen Republik in Kraft (Weimarer Reichsverfassung - WRV). Gleich im ersten Artikel der WRV wird bestimmt, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Hatte die Revolution also doch noch gesiegt?
Revolutionen sind dann erfolgreich, wenn sie die bestehenden Machtverhältnisse umwälzen. Zwar war die Herrschaft der Fürsten beendet. Deutschland war jetzt eine Republik mit einem demokratisch gewählten Parlament. Den Übergang zur Demokratie nach westlichem Vorbild hatte die OHL aber bereits im Oktober 1918 gleichsam von oben verordnet, um sich aus der Verantwortung zu stehlen. Insoweit hätte es also keiner Revolution bedurft.
Die Geschichte hat die Strategie der OHL deutlich offen gelegt: die Verantwortung für die Niederlage wurde von genau denselben, die die Einführung demokratischer Strukturen gleichsam verordnet hatten, im Nachhinein den demokratischen Regierungen in die Schuhe geschoben (Dolchstoßlegende).
An den eigentlichen Herrschaftsverhältnissen änderte sich freilich nichts: die Verwaltung des Kaiserreichs wurde ohne große Änderung übernommen. Die kaiserlichen Beamten blieben ebenso in Amt und Würden wie die Richter, die Recht im Namen des Kaisers anstatt im Namen des Volkes gesprochen hatten. Die Kinder wurden weiterhin von rauschebärtigen Oberlehrern unterrichtet, die ihnen schon während des Weltkrieges und davor die Vorzüge eines imperialistischen Deutschlands eingepaukt hatten. Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse blieben unverändert. Mehr noch: die deutsche Großindustrie verdiente kräftig am Weltkrieg, währen die Masse der Bevölkerung verarmte.
Die reaktionären Kräfte setzten sich im Laufe der Zeit immer mehr durch und zerstörten die Republik. Am Ende dieser Entwicklung stand das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte: Faschismus, Holocaust, Angriffskrieg und Völkermord.
Die Revolution ist gescheitert
Die Novemberrevolution hat also mit einer Niederlage geendet. Historiker sind sich bis heute nicht einig, wer letztlich die Verantwortung dafür trägt und ob unter den gegebenen Verhältnissen ein Erfolg der Revolution überhaupt möglich gewesen wäre. Ein wesentlicher Grund der Niederlage war sicherlich der Pakt der MSPD mit den alten Mächten und die Übernahme des kaiserlichen Herrschaftsapparates. Zu Beginn der Revolution hatte es eine breite Zustimmung zur demokratischen Umgestaltung der Gesellschaft gegeben. Die Furcht vor dem Obsiegen derjenigen Kräfte auf Seiten der Linken, die dem Beispiel Russlands folgen wollten, hat die Führung der MSPD aber veranlasst, im Bund mit reaktionären Kräften, ihre eigene Massenbasis zu bekämpfen.
Aus heutiger Sicht ist das Verhalten der sozialdemokratischen Reichsregierung kaum zu verstehen. Die leninistisch beeinflussten Organisationen waren bei Weitem nicht so stark, dass sie in der Lage gewesen wären, auch nur in Ansätzen ein System durchzusetzen, in dem eine Kaderpartei diktatorisch die Macht innehat. Auf der Seite der Rechten standen hingegen straff organisierte militärische Kampftruppen, die zudem weitestgehend über das Waffenarsenal und das Know-How der Reichswehr verfügten. Hinzu kommt, dass auf Seiten der rechten, reaktionären Kräfte auch der immer noch intakte Beamtenapparat der Kaiserreiches stand.
Bis in die Gegenwart hinein beurteilten die Historiker das Scheitern unter dem Einfluss des Ost-West-Gegensatzes. Es habe im Grunde nur die Möglichkeit bestanden, sich für den Weg der russischen Revolution oder für eine Demokratie westlicher Prägung und damit auch für eine kapitalistische Wirtschaftsordnung zu entscheiden. Seltsamerweise waren sich insoweit linke und bürgerliche Historiker in großen Teilen sogar einig.
Rechte Politik führt in den Untergang
Es ist immer schwierig zu beurteilen, wie Geschichte unter veränderten Bedingungen verlaufen wäre. Kaum noch umstritten ist, dass in den ersten beiden Jahren nach November 1918 mit der Rätebewegung eine breite demokratische Basis bestanden hat, die mehrheitlich eher reformistisch und sozialdemokratisch gesinnt war. Und der es im Wesentlichen darum ging, dass diejenigen die politische Herrschaft zumindest gleichberechtigt mit ausüben, die das herrschende Kapital tatsächlich erzeugen und in Bewegung setzen. Das ist die breite Masse derjenigen, die gezwungen sind, ihren Lebensunterhalt durch abhängige Beschäftigung zu bestreiten.
Inwieweit es überhaupt realistisch gewesen wäre, den gesamten kaiserlichen Verwaltungsapparat auszutauschen, kann heute kaum beurteilt werden. Die Arbeiter- und Soldatenräte hatten letztlich keine Möglichkeit, unter Beweis zu stellen, dass eine basisdemokratische politische Struktur Erfolg haben kann. Sie durften einige Wochen etwas an der politischen Macht schnuppern, bevor genau diejenigen mit brutaler Härte die Macht wieder an sich rissen, die das Land ins Unglück gestürzt hatten.
Eine Lehre lässt sich aber aus der Geschichte allerdings ziehen: Nationalismus und antidemokratische Politik führt stets in die Despotie. Und die reaktionären, nationalistischen Kräfte haben in der Geschichte bereits dann gesiegt, wenn man sich mit ihnen auch mit noch so guten Absichten verbündet. Es ist ein Mythos, dass es so etwas gibt wie „nationale Interessen“, jedenfalls nicht in dem Sinne, dass es um die Interessen derjenigen geht, die in einem Staat zusammen leben. Motor der Weltpolitik sind vielmehr die wirtschaftlichen Interessen derjenigen, die über die Macht verfügen. Und in diesem Zusammenhang kommt es nicht einmal darauf an, ob ein im „nationalen Interesse“ geführter Krieg gewonnen wird: einer der Hauptprofiteure des von Deutschland verlorenen Ersten Weltkrieges war der deutsch Krupp-Konzern. Überhaupt ist insbesondere die Großindustrie durch die Niederlage und ihre Folgen und erst Recht nicht durch die Revolution geschwächt worden. Vielmehr ist sie gestärkt aus alledem hervorgegangen und konnte sich maßgeblich am Aufbau des Nationalsozialismus und der Vorbereitung des nächsten Weltkrieges beteiligen.
„Das Reich zerfiel, die Reichen blieben“, wie der Journalist Bernt Engelmann eines seiner Bücher in den siebziger Jahren treffend genannt hat, auch wenn er eher auf die Verhältnisse nach dem zweiten Weltkrieg anspielte.
Die Novemberrevolution war als Revolution erfolglos, aber zugleich auch eine Revolution mit einigen Erfolgen. Tatsächlich gibt es Errungenschaften, die bis heute nachwirken, auch wenn diese komplett während der Nazidiktatur zunächst einmal wieder außer Kraft traten.
Es gab zum ersten Mal einen deutschen Staat mit einer demokratischen Verfassung. Im November 1918 wurde das Frauenwahlrecht eingeführt. Die Gewerkschaften wurden auch von den Arbeitgeberverbänden offiziell als Vertreter der Arbeitnehmerschaft anerkannt mit dem Recht, Tarifverträge abzuschließen. Das Betriebsrätegesetz vom Februar 1920 regelte die betriebliche Mitbestimmung und die Rechte und Pflichten des Betriebsrates. Das Gesetz war ein Vorläufer des Betriebsverfassungsgesetzes.
Über einige der Errungenschaften der Novemberrevolution wollen wir anlässlich der bevorstehenden Jahrestage erinnern.
Zur Vertiefung:
Zum Verlauf des Ersten Weltkrieges auf der Website von Planet Wissen (ARD):
Zur Politik der SPD im Jahr 1914 auf der Website der Friedrich-Ebert-Stiftung:
Zur Abdankung des Kaisers und der deutschen Fürsten - Artikel von Benedikt Erenz auf Zeit-Online:
Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919 (Weimarer Reichsverfassung - WRV):
Betriebsrätegesetz 1920:
Zum Frauenwahlrecht auf der Website der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg:
Zum Frauenwahlrecht bei Spiegel-Online:
Deutschland in den zwanziger Jahren auf der Website von Planet-Schule
Zu den Kriegsgewinnen der deutschen Großindustrie - 1914-1918: Ein rheinisches Tagebuch