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Der Tod des Afroamerikaners George Floyd reiht sich ein in eine Vielzahl von Fällen rassistischer Gewalt in den USA. Rassismus ist allerdings nicht nur ein amerikanisches Problem. Aus dem Jahresbericht 2019 der Antidiskriminierungsstelle des Bundes geht hervor, dass die Zahl der Beratungsanfragen zu Diskriminierung wegen ethnischer Herkunft oder aus rassistischen Motiven im vergangenen Jahr in Deutschland um knapp 10 Prozent auf 1176 Fälle gestiegen ist.
Seit den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gab es in Deutschland eine Welle von Gewalttaten, die rassistischen Hintergrund hatten. Im November 1990 wurde in Eberswalde ein Vertragsarbeiter, der aus Angola stammte, von Neonazis zusammengeschlagen. Er wurde dabei so schwer verletzt, dass er später starb. Das war der Auftakt einer nicht enden wollenden Kette rechtsradikaler Morde und Anschläge.
Als besonders perfide haben wir alle noch Brandanschläge in Erinnerung, bei dem viele Menschen ums Leben kam. So starben bei einem Anschlag in Solingen 1993 fünf Menschen im Schlaf, darunter drei Kinder. Entsetzt haben uns auch die vielen Morde durch den NSU. Heute wird davon ausgegangen, dass seit den neunziger Jahren etwa 200 Todesopfer durch rechtsradikale Gewalt zu beklagen sind.
Rassismus fängt aber nicht erst bei Gewalttaten an. Rassismus setzt auch keine Springerstiefel und „Ausländer raus“- Rufe voraus. Tief verankert in unsere Gesellschaft ist vielmehr ein subtiler Rassismus. Und dieser kommt zunächst gar nicht einmal aggressiv daher: das Kompliment „du sprichst aber gut Deutsch“ für einen in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Menschen mit dunkler Hautfarbe stellt sich nur auf den ersten Blick als Kompliment dar. Genauso wie etwa der Satz: „du als Afrikaner bist bestimmt ein guter Sportler, das liegt euch doch in den Genen“.
Jetzt mag man einwenden, dass eine habe mit dem anderen wenig zu tun. Witzige oder lobende Bemerkungen im Alltag seien meist eher wohlwollend gemeint. Dagegen lässt sich jedoch zweierlei einwenden: auch eine angeblich wohlwollende witzige Bemerkung empfinden Betroffene häufig als schmerzhaft. Zum anderen weisen solche Bemerkungen immer auf ein Anderssein hin. Es wird signalisiert, dass jemand nicht dazugehört. Für viele Menschen in unserem Land ist das leider der Alltag.
In Wahrheit sind Alltagsrassismus und aggressive Rassismus daher nur zwei Seiten ein und derselben Medaille. Alltagsrassismus ist so etwas wie die Grundlage für Rassismus überhaupt. Dieser kann nur in einer Kultur entstehen, in der Herkunft und Hautfarbe irgendetwas über Verhaltensmuster oder Fähigkeiten aussagen sollen.
Aufsehen erregt hat kürzlich eine Forderung der Grünen, den Begriff „Rasse“ aus dem Grundgesetz zu streichen. Auch Mitglieder der FDP und der SPD hatten sich dem angeschlossen. Gemäß Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes darf niemand unter anderem wegen seiner „Rasse“ benachteiligt oder bevorzugt werden. Das klingt nur auf dem ersten Blick nicht rassistisch.
Rassistisch ist es aber bereits, Menschen in Rassen einzuteilen. Wenn also unsere Verfassung untersagt, jemanden wegen seiner Rasse zu diskriminieren, setzt sie die Existenz menschliche Rassen voraus.
Das menschliche Genom wurde 2007 vollständig entschlüsselt. Ein wichtiges Ergebnis war, dass der genetische Code des Menschen keine Rassen bestimmt. Es gibt also keine Verhaltensmuster oder Fähigkeiten, die man Menschen allein aufgrund ihrer Herkunft oder ihrer Hautfarbe zuschreiben kann.
Ausführlich hierzu Unser Artikel: „Zum 9. November: Rassismus ist keine Meinung“
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes fordert deshalb bereits seit langem, den Begriff „Rasse“ aus dem Grundgesetz und dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) heraus zu nehmen.
In der Richtlinie der Europäischen Union R2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft wird im sechsten Erwägungssatz darauf hingewiesen, dass die Europäische Union Theorien zurückweise, mit denen versucht werde, die Existenz verschiedener menschlicher Rassen zu belegen. Die Verwendung des Begriffs „Rasse“ in dieser Richtlinie impliziere nicht die Akzeptanz solcher Theorien.
Konsequent wäre indessen, den Begriff in keiner Verfassung und keiner Vorschrift mehr zu verwenden. Abzulehnen ist auch, ihn durch den von modernen Rassisten so geliebten Begriff der „Ethnie“ zu ersetzen. Wenn schon die Gene nichts hergeben, dann aber jedenfalls abgrenzbare soziale Einheiten, die aufgrund ihrer Sprache und ihrer kulturellen Gepflogenheiten bestimmte Volksgruppen bilden. Ob Rasse oder Ethnie, beide Konzepte zielen auf Ausgrenzung. Es gibt auf der anderen Seite keine erkennbare Notwendigkeit, Menschen in dieser Weise zu kategorisieren, insbesondere nicht, wenn sie an ein und demselben Ort leben.
Begriffe wie „Rasse“ oder „ethnische Herkunft“ im Grundgesetz und im AGG implizieren, dass es Menschen in unserem Land gibt, die irgendwie anders sind, die „woanders herkommen“. Viele Menschen mit etwas dunklerer Haut als der mitteleuropäische Durchschnitt, werden oft gefragt, wo sie denn herkämen. Wenn sie dann etwa Antworten wie „Buxtehude“ geben, fassen das selbst aufgeklärte Mitbürger häufig als Witz auf.
Dabei ist Mitteleuropa schon seit sehr langer Zeit eine Weltgegend, in die Menschen einwandern, in die sie sich ansiedeln und fröhlich vermischen und vermehren. Die Vorstellung, es gebe ein deutsches Volk, das in direkter Linie von Germanen abstammt, ist unsinnig. Das, was wir als „deutsch“ verstehen, ist beeinflusst insbesondere von Migrationsbewegungen, die mit unterschiedlicher Intensität in Mitteleuropa immer schon stattgefunden haben, ob mit der sogenannten „Völkerwanderung“, den Turbulenzen im dreißigjährigen Krieg oder den massenhaften Einwanderungen nach Deutschland im Zuge der Industrialisierung, insbesondere aus Osteuropa.
Wer dunkelhäutig ist, gehört deshalb noch nicht zu einer besonderen Gruppe. Selbstverständlich kann er aus einer Familie stammen, die seit Generationen in Buxtehude zu Hause ist. „Rasse“ oder „ethnische Herkunft“ kann kein Rechtsgut sein, das geschützt werden muss, weil es beides bei genauerer Betrachtung nicht gibt. Sinnvoller wäre, sowohl im Grundgesetz als auch im AGG „Aussehen“ und „Herkunft“ (ohne „ethnisch“) unter Schutz zu stellen.