1. Unter welchen Voraussetzungen sind Videoüberwachungen zulässig?
Da die Videoüberwachung einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellt, ist ein solcher Eingriff nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten steht das Eigentumsrecht und Berufsausübungsfreiheit des Arbeitgebers gegenüber. Bei der Videoüberwachung ist zu unterscheiden zwischen öffentlich zugänglichen und öffentlich nicht zugänglichen Bereichen.
Bei öffentlich zugänglichen Bereichen, wie z.B., Bahnhöfe, Kaufhäuser und Arbeitsplätzen ist die Überwachung nur erlaubt, soweit sie zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen oder zur Wahrnehmung des Hausrechts sowie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist. Es dürfen keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der von Videoüberwachungen Betroffenen überwiegen
2. Welche weiteren Hürden für die Videoüberwachung gibt es?
Bevor daran gedacht wird, bestimmte Bereiche per Videoaufnahmen zu überwachen ist die Erforderlichkeit einer Videoüberwachung zu überprüfen. Denn bevor es zu einer Videoüberwachung kommt ist zunächst zu überprüfen ob der Zweck der Überwachung nicht durch ein milderes, aber gleichwohl effektives Mittel erreicht werden kann.
Wenn dies der Fall ist, so ist das mildere Mittel anzuwenden. Können zum Beispiel Diebstähle, die oftmals zur Begründung heran gezogen werden um Videokameras zu installieren durch den Einbau von neuen Schlössern/Türen usw. verhindert werden, besteht kein Anlass Videokameras einzubauen durch die zugleich Mitarbeiter*innen bei ihrer Tätigkeit erfasst werden.
Sollte es zu der Überwachung bestimmter Bereiche durch Videokameras kommen, so ist für jede eingesetzte Videokamera vorab festzulegen und zu dokumentieren, wozu die Maßnahme dienen soll um den Einsatz der Videokameras bei einer Kontrolle durch den Datenschutzbeauftragten oder die zuständigen Aufsichtsbehörden nachvollziehbar darstellen zu können.
3. Dürfen die Sozialräume mit Kameras überwacht werden?
Diese Frage ist mit einem klaren NEIN zu beantworten! Videoüberwachungen in Bereichen, die überwiegend der privaten Lebensgestaltung der Beschäftigten dienen, sind grundsätzlich unzulässig.
Dies gilt insbesondere für WC, Sanitär-, Umkleide- und Schlafräume. Beschäftigte sind in diesen Räumen vor jeglicher Überwachung durch den Arbeitgeber zu schützen, da der Schutz der Intimsphäre hier überwiegt.
4. Muss der Arbeitgeber auf Videoüberwachungen hinzuweisen?
Wenn eine Videoüberwachungsanlage im Einsatz ist, sind die Betroffenen hierauf hinzuweisen. Dass eine Beobachtung der Betroffenen erfolgt, ist diesen durch geeignete Maßnahmen bekannt zu machen. Dies kann am besten durch ein gut wahrnehmbares und möglichst im Zutrittsbereich der überwachten Fläche angebrachtes Schild erfolgen.
5. Sind verdeckte Videoüberwachungen zulässig?
Grundsätzlich sind verdeckte Videoüberwachungen unzulässig. Ausnahmen können nach der Rechtsprechung jedoch dann gegeben sein wenn ein aktueller Diebstahlverdacht besteht.
In seiner Entscheidung vom 21.06.2012, Az: 2 AZR 153/11, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) ausgeführt, dass in Ausnahmefällen eine heimliche Videoüberwachung am Arbeitsplatz zulässig sein kann.
Die Anforderungen an eine verdeckte Videoüberwachung sind allerdings sehr hoch. Nur wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers vorliegen kann eine verdeckte Videoüberwachung möglich sein. Voraussetzung hierfür ist aber, dass weniger einschneidende Mittel ausgeschöpft wurden und die Videoüberwachung nicht unverhältnismäßig sein darf.
6. Dürfen Kamera-Attrappen eingesetzt werden?
Es kommt auch nicht darauf an, ob die Kameras tatsächlich ein Bild wiedergeben oder aufzeichnen. Die reine Präsenz einer Kamera und die damit einhergehende Annahme der Betroffenen, dass sie beobachtet werden, kann einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellen.
Nach Auffassung des Landgerichts (LG) Bonn kann schon der Einsatz von bloßen Kamera-Attrappen ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellen, da hierdurch bei den Betroffenen der Eindruck erweckt wird ständig überwacht zu werden (LG Bonn, Urteil vom 16.11.2004, Az.: 8 S 139/04).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) können dann Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche selbst dann begründet sein, wenn keine Videoaufzeichnungen erfolgen oder die Kamera gar nicht eingeschaltet ist, wenn der sich beobachtet Fühlende überwacht fühlt (BGH, Urteil vom 16.03.2010; Az.: VI ZR176/09).
7. Ist die Speicherung von Videoaufnahmen zulässig?
Nach § 6 Abs. 5 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sind die Daten unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind oder schutzwürdige Interessen der Betroffenen einer weiteren Speicherung entgegenstehen. Eine konkrete Frist innerhalb derer Videodaten zu vernichten sind existiert nicht.
Aufsichtsbehörden vertreten die Auffassung, dass dürfen Daten aus Videoüberwachungen maximal 72 Stunden gespeichert werden dürfen. Diese Dauer ist jedoch nicht in jedem Fall bindend. Für die Speicherdauer ist der Zweck maßgebend. Wenn der konkrete Zweck der Erhebung wegfällt, sind die Daten unverzüglich zu löschen.
8. Kann eine Videoüberwachung ohne Beteiligung des Betriebsrats erfolgen?
Wenn Videokameras eingesetzt werden sollen ist der Betriebsrat zu beteiligen. Dieser Mitbestimmungsanspruch ergibt sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).
Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist es, Eingriffe in den Persönlichkeitsbereich der Arbeitnehmer durch Verwendung anonymer technischer Kontrolleinrichtungen nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats zuzulassen. Den Gefahren einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts und des Rechts der Arbeitnehmer auf freie Entfaltung dieser Persönlichkeit (§ 75 BetrVG), die von technischen Überwachungseinrichtungen ausgehen können, soll durch eine mitbestimmte Regelung über die Einführung und nähere Nutzung solcher Einrichtungen begegnet werden.
Dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats kommt daher eine Abwehrfunktion gegenüber der Einführung solcher technischer Kontrolleinrichtungen zu, deren Einführung als solche nicht verboten ist und deren Anwendung unter Berücksichtigung der Interessen der Arbeitnehmer auch sinnvoll und geboten sein kann (BAG Beschluss vom 28.11.1989 – 1 ABR 97/88).
Kommt keine Einigung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber im Hinblick auf die Installation von Videokameras zustande, so entscheidet gem. § 87 (2) BetrVG die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
9. Gilt dies auch bei Kamera-Attrappen ?
Bei der Einführung einer Kamera-Attrappe auf dem Betriebsgelände hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht. Die Attrappe einer Kamera ist objektiv nicht dazu geeignet, Arbeitnehmer zu überwachen und zu kontrollieren. Diese Auffassung vertritt das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern im Beschluss vom 12.10.2014, Az.: 3 TaBV 5/14.
Anzumerken ist zu dieser Entscheidung, dass es als zutreffend angenommen werden kann, dass die Attrappe einer Kamera objektiv nicht dazu geeignet ist, Arbeitnehmer zu überwachen und zu kontrollieren und somit kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gegeben ist.
Mehr dazu in unserem Beitrag Kein Mitbestimmungsrecht bei Kamera-Attrappe
Da nicht auszuschließen ist, dass sich Arbeitnehmer*innen durch die Installation einer Kamera-Attrappe am Arbeitsplatz gleichwohl einem Überwachungsdruck ausgesetzt fühlen, sind nach aber Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche einzelner Arbeitnehmer*innen im Lichte der Rechtsprechung des BGH durchaus vorstellbar. Über einen solchen Fall aber hatte das LAG Mecklenburg-Vorpommern nicht zu entscheiden.
10. Wie kann ich mich wehren?
Wer als Arbeitnehmer*in die Vermutung hat, einer unzulässigen Videoüberwachung ausgesetzt zu sein, sollte grundsätzlich wie folgt vorgehen: Wenden Sie sich an den Betriebsrat und /oder an die Gewerkschaft. Denkbar ist auch den/die Datenschutzbeauftragte(n) hinzuzuziehen.
Es besteht auch die Möglichkeit, sich an diejenige Aufsichtsbehörde zu wenden, die für ihr Bundesland zuständig ist.