Kein Ersatz bei fehlender Betreuung durch Kommune
Kein Ersatz bei fehlender Betreuung durch Kommune

Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hat die Klagen von drei Müttern abgewiesen, die von der Stadt Leipzig Schadensersatz für Verdienstausfall begehren, weil ihre Kinder nicht mit Vollendung des ersten Lebensjahres einen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung erhalten hatten.

Nur Kind hat Anspruch auf Betreuungsplatz

Nach Ansicht des OLG hat die Stadt Leipzig zwar die ihre Amtspflicht verletzt, den Kindern der Klägerinnen einen Platz in einer Kindertagesstätte zu verschaffen. Die Klägerinnen seien aber nicht geschützte Dritte dieser Amtspflicht.


Den Arbeitnehmerinnen selbst stehe kein Anspruch auf einen Platz für ihr Kind in einer Kindertagesstätte zu. Anspruchsinhaber sei alleine das Kind. Die Klägerinnen seien nicht in den Schutzbereich der Norm einbezogen. Ziel des Gesetzes sei die frühkindliche Förderung. Die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei lediglich die notwendige Folge der breiten Schaffung von Kindertagesstätten.
Zudem sei der Verdienstausfallschaden der Klägerinnen auch nicht vom Schutzzweck der Norm umfasst. Dies wären nur Schäden, die dem Kind wegen Verstoßes gegen seinen Anspruch auf frühkindliche Förderung zustünden. Mittelbare Schäden der Eltern, wie der Verdienstausfall, seien hier nicht inbegriffen.
Folgen für die Praxis
Seit dem 1.8.2013 besteht ein gesetzlicher Anspruch auf frühkindliche Förderung durch das zur Verfügung stellen eines Betreuungsplatzes in der Kindertagespflege. Auch Kinder unter 3 Jahren haben damit Anspruch auf einen Betreuungsplatz. Anspruchsgegner und somit Leistungsverpflichteter ist der örtlich zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe.
In zahlreichen Kommunen ist das Betreuungsangebot aber weiterhin viel zu gering, um jedem Kind unter drei Jahren einen Betreuungsplatz in einer Kita oder bei einer Tagesmutter anzubieten. Dies liegt unter anderem an einem ausgeprägten Fachkräftemangel. Da ergibt sich beinahe zwingend die Frage, wer für etwaige Verdienstausfälle oder anderen Schäden haftet, wenn für ein Kind kein Betreuungsplatz zur Verfügung gestellt werden kann.
Weitgehend anerkannt ist ein Anspruch auf Aufwendungsersatz, wenn die Kommune einen Betreuungsplatz nicht zur Verfügung stellt und die Eltern auf eine teurere private Einrichtung zurückgreifen müssen.

Durchsetzbarkeit des Anspruchs ist zweifelhaft

Im hiesigen Fall ging es nun um den Verdienstausfall der Eltern. Während das Landgericht der Klage auf Verdienstausfall noch stattgegeben hatte, hat das OLG anders entschieden.
Das OLG lässt allerdings die Frage unbeantwortet, was Eltern der gesetzliche Anspruch auf einen Betreuungsplatz bringt, wenn sie einen Schaden, der durch Nichterbringung der Betreuungsleistung entsteht, nicht durchsetzen können.
Der Betreuungsanspruch diente nach der Gesetzesbegründung ja gerade dem Ziel, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser zu ermöglichen. Auch heißt es in § 22 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII ausdrücklich, dass Tageseinrichtungen den Eltern dabei helfen sollen, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung besser miteinander vereinbaren zu können.
Damit spricht viel für eine Einbeziehung der Eltern in den Schutzbereich des gesetzlichen Anspruchs auf einen Betreuungsplatz. Dass das OLG sich darauf festlegt, Ziel des Gesetzes sei nur die frühkindliche Förderung, ist nur bedingt nachvollziehbar.
Der Rechtsanwalt der Klägerinnen hat eine Revision bereits in Aussicht gestellt. Es besteht daher die Möglichkeit, dass der BGH die Entscheidung des OLG korrigiert.
(Dieser Artikel ist zuerst erschienen in: „AiB-Newsletter, Rechtsprechung für den Betriebsrat“ des Bund-Verlags, Ausgabe 16 vom 18. September 2015, www.aib-web)

Rechtliche Grundlagen

§ 24 Abs. 2 SGB VIII

http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_8/__24.html