Im März 2020 wollte eine Gewerkschaft an zwei Tagen einen Warnstreik in einem Betrieb der Gesundheitsvorsorge vornehmen. Der Betrieb untersuchte für ein Krankenhaus Proben von Patienten. Wegen der Corona-Pandemie erachtete der Betrieb den Streik für unzulässig, da ohne Abschluss einer Notdienstvereinbarung zur Vermeidung von Gesundheitsgefahren für die Patienten der Streik nicht durchgeführt werden dürfe. Anders sah es die Gewerkschaft. Sie versicherte dem Betrieb, dass je nach Bedarfsfall ein Notdienst sichergestellt werde. Im Eilverfahren beantragte der Betrieb den Streik zu untersagen, solange keine Notdienstvereinbarung abgeschlossen sei.
Kein Anspruch auf Untersagung des Streiks
Das Arbeitsgericht Gießen wies den Eilantrag zurück. Dem Betrieb, so das Arbeitsgericht, stehe kein Anspruch auf Untersagung des Streiks bis zum Abschluss einer Notdienstvereinbarung zu. Für die Rechtmäßigkeit des Streiks bei einem Betrieb der Gesundheitsvorsorge komme es darauf an, ob ein Notdienst sichergestellt wird.
Keine Notwendigkeit zum Abschluss einer Notdienstvereinbarung
Die Auffassung des Betriebs, dass jeder Streik ohne Abschluss einer Notdienstvereinbarung zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeber rechtswidrig sei, sei unzutreffend, so das Gericht. Zur Abwendung von Gesundheitsgefahren komme es nur auf die Einrichtung eines Notdienstes an. Da sich hierzu die Gewerkschaft, auch unter Beachtung einer eventuellen sprunghaften Erhöhung von Infektionsfällen, bereit erklärt habe, sei der Streik zulässig.
Hier finden Sie das vollständige Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 09.3.2020
Rechtliche Grundlagen
Artikel 9 Grundgesetz
Art 9
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.