1. Nichtigkeit einer Betriebsratswahl?
Führen Verstöße gegen Wahlvorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes und der Wahlordnung jeder für sich genommen nicht zur Nichtigkeit der Wahl, kann sich auch aus einer Gesamt-würdigung der einzelnen Verstöße nicht ergeben, dass die Betriebsratswahl nichtig ist.
Eine Betriebsratswahl ist nur in ganz besonderen Ausnahmefällen nichtig, in denen gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maß verstoßen worden ist, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt. Es muss demnach ein sowohl offensichtlicher als auch besonders grober Verstoß gegen Wahlvorschriften vorliegen.
BAG Beschluss vom 15.11.2000 – Az.: 7 ABR 23/99
2. Wahlanfechtung – Rechtsschutzinteresse?
Im betriebsverfassungsrechtlichen Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG entfällt das Rechtsschutzinteresse für einen Antrag, die Wahl des Betriebsrats oder die Wahl der
Jugend- und Ausbildungsvertretung für unwirksam zu erklären, mit Ablauf der Amtszeit des Gremiums, dessen Wahl angefochten wird.
In dem vom BAG entschiedenen Fall hat die antragstellende Arbeitgeberin die am 22. und
23. November 1988 in ihrem Betrieb durchgeführte Wahl der Jugend- und Auszubildenden-
vertretung angefochten und beantragt, die Wahl für unwirksam zu erklären. Die zweijährige
Amtszeit dieser Jugend- und Auszubildendenvertretung hat jedoch gemäß § 64 Abs. 2 Satz 3
BetrVG am 30. November 1990 geendet. Damit ist das Rechtsschutzinteresse für die Anfechtung
der Wahl entfallen; da eine die Wahl für unwirksam erklärende gerichtliche Entscheidung sich
für die Beteiligten nicht mehr auswirken kann.
BAG Beschluss vom 13.03.1991 – Az.: 7 ABR 5/90
3. Wahlanfechtung – Rechtsschutzinteresse?
Rechtsschutzinteresse bei Betriebsratswahlanfechtung
Wird eine Betriebsratswahl nur von wahlberechtigten Arbeitnehmern angefochten und scheiden
alle Wahlanfechtenden während des Beschlussverfahrens aus ihren Arbeitsverhältnissen endgültig aus, so führt dies zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses und damit zur Unzulässigkeit des Wahlanfechtungsverfahrens.
Das BAG weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass für die Wahlanfechtungsbefugnis von mindestens drei Arbeitnehmern auf deren Wahlberechtigung zum Zeitpunkt der anzufechtenden Betriebsratswahl ankommt, die Anfechtungsbefugnis der Antragsteller nicht dadurch entfallen ist, dass sie durch ihr Ausscheiden aus dem Betrieb für eine künftige Betriebsratswahl nicht mehr wahlberechtigt sind.
Eine andere Frage jedoch, so das BAG, ist es, ob für die Durchführung eines gerichtlichen Wahlanfechtungsverfahrens noch ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, wenn sämtliche die Wahl anfechtenden Arbeitnehmer unzweifelhaft aus dem Betrieb ausgeschieden sind und die geltend gemachte Fehlerhaftigkeit der Wahl für keinen von ihnen gegenwärtig oder künftig noch irgendwelche Auswirkungen haben kann, weil sie durch den Betriebsrat, dessen Wahl sie anfechten, nicht mehr repräsentiert werden. Wenn dies der Fall ist, ist der Antrag der die Betriebsratswahl anfechtenden Antragsteller unzulässig geworden, weil alle drei Antragsteller nach Abschluss der Beschwerdeinstanz im Einvernehmen mit der beteiligten Arbeitgeberin aus ihren Arbeitsverhältnissen ausgeschieden sind. Damit ist das Rechtsschutzinteresse für die Wahlanfechtung, das als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Sachentscheidung auch in der
Rechtsbeschwerdeinstanz noch vorliegen und von Amts wegen geprüft werden muss, entfallen, was zur Folge hat, dass der Wahlanfechtungsantrag unzulässig geworden ist
BAG Beschluss vom 15.02.1989 – Az.: 7 ABR 9/88
4. Wirksamkeit einer Betriebsratswahl?
Die ordnungsgemäße Anfertigung sowie die Auslegung eines Abdrucks der Wählerliste bis zum Abschluss der Stimmabgabe sind wesentliche Voraussetzungen für die Durchführung der Betriebsratswahl.
Es ist es insoweit ausreichend, dass die Auslegung eines Abdrucks der Wählerliste im Geschäftszimmer des Wahlvorstands erfolgt. Allerdings ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 2 Abs 4 BetrVGDV1WO (Erste Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung - WO), dass die Auslegung der Wählerliste nur während eines Teiles der betriebsüblichen Arbeitszeit nicht genügt. Im Zweifel ist es erforderlich, dass die Wählerliste während der gesamten regulären Arbeitszeit einsehbar ist.
Wesentliche Wahlvorschriften im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrVG liegen dann vor, wenn sie elementare
Grundprinzipien der Betriebsratswahl enthalten oder tragende Grundsätze des Betriebsver-fassungsrechts berühren.
Ein derartiger Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften muss darüber hinaus auch geeignet sein, das Wahlergebnis zu beeinflussen. Dafür ist entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte (BAG, 31.05.2000 - 7 ABR 78/98 - AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 12; BAG, 25.05.2005 - 7 ABR 39/04 - AP BetrVG 1972 § 14 Nr. 2). Eine verfahrensfehlerhafte Betriebsratswahl muss dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre.
BAG Beschluss vom 12.01.2009 – Az.: 10 TaBV 17/07
5. Kosten der Betriebsratswahl - Erforderlichkeit eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens zur Teilnahme an der Stimmauszählung?
Unter § 20 Abs 3 S 2 BetrVG fallen alle Kosten, die mit der Einleitung und der Durchführung
der Betriebsratswahl sowie der gerichtlichen Überprüfung des Wahlergebnisses verbunden sind.
Das betrifft auch Kosten eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens zur Klärung von sonst
nicht behebbaren Meinungsverschiedenheiten, die im Laufe des Wahlverfahrens entstehen.
Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers entfällt nicht deswegen, weil die Kosten nicht dem
Wahlvorstand, sondern der Gewerkschaft entstanden sind. Das Gesetz enthält insoweit keine
Einschränkung.
BAG Beschluss vom 16.04.2003 - 7 ABR 29/02
6. Freistellungswahl - Beginn der Anfechtungsfrist der Wahl freizustellender Betriebsratsmitglieder?
Die Frist zur Anfechtung der Wahl freizustellender Betriebsratsmitglieder beginnt in entsprechender
Anwendung von § 19 Abs 2 Satz 2 BetrVG mit der Feststellung des Wahlergebnisses durch den
Betriebsrat.
BAG Beschluss vom 20.04.2005 - 7 ABR 44/04
7. Abbruch einer Betriebsratswahl – Fehler bei der Bestellung des Wahlvorstandes?
Auf Antrag des Arbeitgebers ist eine Betriebsratswahl abzubrechen, wenn sie voraussichtlich nichtig ist. Die bloße Anfechtbarkeit genügt nicht.
Einem nicht existenten Wahlvorstand kann untersagt werden, weiter tätig zu werden. Die nur fehlerhafte Bestellung reicht nicht aus.
BAG Beschluss vom 27.07.2011 - 7 ABR 61/10
8. Abbruch einer Betriebsratswahl durch einstweilige Verfügung nur bei zuverlässig feststellbarer Nichtigkeit der vorgesehenen Wahl?
Der Abbruch einer laufenden Betriebsratswahl kommt nur dann in Betracht, wenn für das Gericht bereits zuverlässig feststellbar ist, dass die vorgesehene Wahl nichtig sein wird. Nur dann besteht ein auf eine solche Rechtsfolge gerichteter Anordnungsanspruch, da der Abbruch einer Betriebsratswahl ist regelmäßig mit schwerwiegenden Auswirkungen, insbesondere regelmäßig mit der Gefahr einer betriebsratslosen Zeit verbunden. Aus diesem Grund sind an die materiellen Voraussetzungen der Begründetheit des Anordnungsanspruchs sehr strenge Anforderungen zu stellen. Bei deren Konkretisierung ist es geboten, auf denjenigen Maßstab zurückzugreifen, den die Rechtsprechung für die Annahme der Nichtigkeit einer Wahl entwickelt hat, weil allein deren Rechtsfolgen in ihrer Tragweite mit denjenigen eines Wahlabbruchs korrespondieren.
LAG Baden-Württemberg Beschluss vom 09.03.2010 - 15 TaBVGa 1/10
9. Nichtigkeit einer Betriebsratswahl?
Eine Betriebsratswahl ist nur dann nichtig, wenn gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungs-gemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen worden ist, dass auch der Anschein einer dem
Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt.
Die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeits-gerichts und einhelliger Auffassung im Schrifttum nur in besonderen Ausnahmefällen anzu-nehmen, in denen gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen worden ist, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nichtmehr vorliegt (vgl. etwa BAG 13. November 1991 - 7 ABR 18/91) .
Es muss sowohl ein offensichtlicher, als auch ein besonders grober Verstoß gegen Wahlvorschriften vorliegen.
BAG Beschluss vom 22.03.2000 – Az.: 7 ABR 34/98