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Arbeitsvertragliche Ansprüche können nicht nur durch deren ausdrückliche (schriftliche oder mündliche) Vereinbarung begründet werden (siehe Arbeitsvertrag).
Sie können auch durch »betriebliche Übung« entstehen.
Unter einer betrieblichen Übung ist ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers zu verstehen, aus dem die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden.
Die betriebliche Übung gründet sich auf eine Willenserklärung des Arbeitgebers, die von den Arbeitnehmern ohne ausdrückliche Erklärung (stillschweigend) angenommen wird, was nach § 151 BGB möglich ist.
Auf diese Weise entstehen arbeitsvertragliche Ansprüche der Arbeitnehmer, die Leistung bzw. Vergünstigung auch künftig zu erhalten.
Für die Begründung eines solchen Anspruchs auf betriebliche Übung kommt es dabei nicht darauf an, ob der Arbeitgeber einen Verpflichtungswillen hatte. Maßgebend ist vielmehr, ob die Arbeitnehmer aus dem Erklärungsverhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie aller Begleitumstände auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durften und das entsprechende Angebot stillschweigend annehmen konnten.
Die Bindungswirkung tritt ein, wenn die Arbeitnehmer auf Grund des Verhaltens des Arbeitgebers darauf vertrauen dürfen, die Leistung solle auch für die Zukunft gewährt werden (ständige Rechtsprechung des BAG
Hierzu BAG v. 19.08.2015 - 5 AZR 450/14: »Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und ob er auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durfte.«
Beispiel:
Der Arbeitgeber zahlt über mindestens drei Jahre, ohne dass dies ausdrücklich vereinbart war und ohne Freiwilligkeits- bzw. Widerrufsvorbehalt, ein zusätzliches (über den Tarifvertrag hinausgehendes) Weihnachtsgeld. Die Arbeitnehmer nehmen diese Zahlung entgegen. Folge: Der Arbeitgeber ist infolge dieser »betrieblichen Übung« verpflichtet, die Zahlung auch in Zukunft zu erbringen, sofern nicht besondere Umstände zu einer anderen Auslegung des bisherigen Arbeitgeberverhaltens führen (vgl. z.B. BAG v. 23.04.1963 - 3 AZR 173/62, BB 1963, 938; 14.08.1996 - 10 AZR 69/96)
Das Rechtsinstitut der betrieblichen Übung enthält ein kollektives Element (BAG v. 21.04.2010 - 10 AZR 163/09). Sie bezieht sich auf eine Vielzahl von Arbeitnehmern oder zumindest auf eine abgrenzbare Gruppe von Arbeitnehmern, ohne dass individuelle Besonderheiten die vertraglichen Beziehungen gestalten.
Auch wenn es an einer betrieblichen Übung fehlt, weil beispielsweise der Arbeitgeber eine Zahlung nur an einen Arbeitnehmer vorgenommen hat und damit das kollektive Element fehlt, kann für diesen ein Anspruch aufgrund einer individuellen arbeitsvertraglichen konkludenten Abrede entstanden sein. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer aus einem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers auf ein Angebot schließen konnte, das er gem. § 151 BGB durch schlüssiges Verhalten angenommen hat (BAG v. 13.05.2015 - 10 AZR 266/14; 14.09.2011 - 10 AZR 526/10; 21.04.2010 - 10 AZR 163/09). Wenn etwa über mehrere Jahre an einen Arbeitnehmer ein Jahresbonus ohne Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalt gezahlt wird, kann daraus auf ein Angebot des Arbeitgebers geschlossen werden, das vom Arbeitnehmer stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB).
Quelle: Betriebsratspraxis von A bis Z (Christian Schoof); Betriebliche Übung - Was ist das?
Betriebsratspraxis von A bis Z ist Bestandteil des Online-Moduls »Betriebsratswissen online«.
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