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Nach §§ 111, 112 BetrVG ist der Unternehmer, der eine Betriebsänderung plant, u.a. verpflichtet, mit dem Betriebsrat über einen »Interessenausgleich« zu verhandeln.
Wenn es sich bei der geplanten Betriebsänderung um Maßnahmen handelt, die das gesamte Unternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und notwendigerweise nur einheitlich oder betriebsübergreifend geregelt werden können, ist nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG der Gesamtbetriebsrat für die Verhandlungen über einen Interessenausgleich »originär« zuständig (BAG v. 03.05.2006 - 1 ABR 15/05, AiB 2007, 494 = NZA 2007, 1245).
Aus der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für den Abschluss eines Interessenausgleichs folgt allerdings nicht ohne Weiteres seine Zuständigkeit auch für den Abschluss eines Sozialplanes. Die Zuständigkeit insoweit bleibt bei den örtlichen Betriebsräten, es sei denn, es besteht ein zwingendes Bedürfnis nach einer betriebsübergreifenden Regelung (siehe Sozialplan).
Den Begriff »Interessenausgleich« muss man im Unterschied zum Begriff Sozialplan sehen:
Der Unternehmer bringt in die Verhandlungen sein »Interesse« ein (z.B. Stilllegung eines Betriebsteils sowie Entlassungen).
Der Betriebsrat legt demgegenüber dem Unternehmer ein Konzept vor, in dem die »Interessen« der Beschäftigten formuliert sind (z.B. Kurzarbeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG und/oder Arbeitszeitabsenkung nach Beschäftigungssicherungstarifvertrag statt Entlassung, umschulen statt entlassen, Aufnahme zusätzlicher Produktion und sonstige Maßnahmen zur Sicherung der Beschäftigung; siehe den Maßnahmenkatalog des § 92a Abs. 1 BetrVG unter Beschäftigungssicherung und -förderung).
»Interessenausgleich« und »Sozialplan« haben also eine unterschiedliche Zielrichtung.
Dennoch stehen beide Vereinbarungen in einem untrennbaren Zusammenhang:
In je stärkerem Maße es gelingt, die vom Unternehmer geplante Betriebsänderung im Wege des »Interessenausgleichs« in Bahnen zu lenken, die für die Beschäftigten weniger schädlich sind, desto kleiner wird der Personenkreis, für den durch Abschluss eines »Sozialplans« Abfindungszahlungen und sonstige Ausgleichsleistungen durchgesetzt werden müssen.
Das heißt: der Interessenausgleich geht dem Sozialplan zeitlich und inhaltlich voraus.
Wenn er zustande kommt, ist er Grundlage für die Verhandlungen über den Sozialplan.
Wenn allerdings die Verhandlungen über einen Interessenausgleich scheitern (ggf. nach Anrufung der Einigungsstelle), hat der Betriebsrat dennoch Anspruch auf Aufstellung eines Sozialplans.
Grundlage für die Verhandlungen über den Sozialplan ist - wenn es zu keiner Einigung über den Interessenausgleich kommt - die unternehmerische Entscheidung über das »Ob«, »Wann« und »Wie« der geplanten Betriebsänderung.
Beachten:
Ein Interessenausgleich ist zwar »einigungsstellenfähig«, aber letztlich nicht erzwingbar. In der Einigungsstelle über den Interessenausgleich kann zwar - ggf. in mehreren Sitzungen - verhandelt werden. Die Einigungsstelle kann aber keinen (Mehrheits-)Beschluss über das »Ob«, »Wann« und »Wie« der Betriebsänderung fassen. Das »Letztentscheidungsrecht« liegt vielmehr beim Unternehmer.
Anders ist die Rechtslage beim Sozialplan. Wenn sich die Betriebsparteien nicht einigen können, entscheidet nach § 112 Abs. 4 BetrVG die Einigungsstelle (mit Stimmenmehrheit) über die Aufstellung eines Sozialplans.
Hierzu ein Auszug aus BAG v. 16.08.2011 - 1 AZR 44/10, AP Nr. 55 zu § 113 BetrVG 1972: »Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden. […] Das Gesetz beschränkt in § 112 Abs. 4 Satz 1 BetrVG die Entscheidung der Einigungsstelle auf die Aufstellung eines Sozialplans. Dies entspricht dem Inhalt der jeweils betroffenen Beteiligungsrechte. Das auf den Abschluss eines Interessenausgleichs gerichtete Einigungsstellenverfahren ist nicht auf eine autoritäre Auflösung der zwischen den Betriebspartnern bestehenden Meinungsverschiedenheiten über die beabsichtige Betriebsänderung gerichtet. Wegen des lediglich als Beratungsrecht ausgestalteten Beteiligungsrechts des Betriebsrats hinsichtlich der Durchführung der Betriebsänderung ist die Einigungsstelle insoweit auf eine moderierende Funktion zwischen den Betriebspartnern beschränkt, während der Betriebsrat bei der Aufstellung eines Sozialplans ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht hat, das durch einen Einigungsstellenspruch durchgesetzt werden kann.«
Auch § 92a Abs. 1 BetrVG gibt dem Betriebsrat lediglich ein Mitwirkungsrecht, kein echtes (Initiativ-)Mitbestimmungsrecht.
Nach dieser Vorschrift kann (und soll) der Betriebsrat dem Arbeitgeber Vorschläge zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung machen.
Diese können insbesondere eine Arbeitszeitflexibilisierung, die Förderung von Teilzeitarbeit und Altersteilzeit, neue Formen der Arbeitsorganisation, Änderungen der Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufe, die Qualifizierung der Arbeitnehmer (siehe Berufsbildung), Alternativen zur Ausgliederung von Arbeit oder ihrer Vergabe an andere Unternehmen (siehe Betriebsübergang) sowie zum Produktions- und Investitionsprogramm (siehe Alternative Produktion) zum Gegenstand haben (siehe Beschäftigungssicherung und -förderung).
Der Arbeitgeber hat die Vorschläge mit dem Betriebsrat zu beraten (§ 92a Abs. 2 Satz 1 BetrVG).
Hält der Arbeitgeber die Vorschläge des Betriebsrats für ungeeignet, hat er dies zu begründen (§ 92a Abs. 2 Satz 2 BetrVG; in Betrieben mit mehr als 100 Arbeitnehmern hat die Begründung schriftlich zu erfolgen).
Zu den Beratungen kann der Arbeitgeber oder der Betriebsrat einen Vertreter der Bundesagentur für Arbeit hinzuziehen (§ 92a Abs. 2 Satz 2 BetrVG).
Das war es auch schon. Initiativen des Betriebsrats nach § 92a BetrVG sind noch nicht einmal »einigungsstellenfähig« (wie der Interessenausgleich). Der Arbeitgeber muss seine Ablehnung begründen, mehr nicht.
§ 92a BetrVG ist ein Beispiel erfolgreicher Lobbytätigkeit der Arbeitgeberverbände beim Gesetzgeber.
Immerhin kann der Betriebsrat mit dem Ziel, dem Arbeitgeber ein qualifiziertes Konzept zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung nach Maßgabe des § 92a BetrVG vorzulegen, nach § 37 Abs. 6 BetrVG die Entsendung von Mitgliedern zu einer Schulungs- und Bildungsveranstaltung beschließen, in der Kenntnisse zum Themenkreis des § 92a BetrVG vermittelt werden.
Hinweis:
Wenn der Betriebsrat initiativ wird, ist der für eine Kostentragung durch den Arbeitgeber erforderliche betriebliche Bezug gegeben (siehe hierzu Schulungs- und Bildungsveranstaltung).
Quelle: Betriebsratspraxis von A bis Z (Christian Schoof); Interessenausgleich - Was ist das?
Betriebsratspraxis von A bis Z ist Bestandteil des Online-Moduls »Betriebsratswissen online«.
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