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Nachtarbeit ist in mehrfacher Hinsicht problematisch.
Nachtarbeit schädigt die Gesundheit, weil sie den natürlichen Lebensrhythmus stört. Denn der Mensch ist »tagaktiv«. Nachts ist sein Organismus auf Ruhe, Erholung und Schlaf »programmiert«.
Die Folgen dieser Störung: unzureichender Schlaf (zu kurz und zu wenig Tiefschlaf), Minderung der Konzentrations- und Wahrnehmungsfähigkeit; Minderung der Leistungsfähigkeit der Muskulatur; Kreislaufstörungen; Herzklopfen; Magen-Darm-Erkrankungen; Gefahr des Missbrauchs von Schlafmitteln und Aufputschmitteln.
Hierzu ein Auszug aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG):
»Nachtarbeit ist grundsätzlich für jeden Menschen schädlich. Sie führt zu Schlaflosigkeit, Appetitstörungen, Störungen des Magen-Darmtraktes, erhöhter Nervosität und Reizbarkeit sowie zu einer Herabsetzung der Leistungsfähigkeit« (BVerfG v. 28.01.1992 - 1 BvR 1025/82, AiB 1992, 281 = NZA 1992, 270).
Nachtarbeit beeinträchtigt die sozialen Beziehungen außerhalb des Betriebs.
Insbesondere bei Wechselschichtarbeitnehmern und Dauernachtschichtlern ist ein »normales« Familienleben kaum mehr möglich.
Auch die kulturellen und gesellschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten sind stark eingeschränkt.
Hierdurch können gesundheitliche Belastungen verstärkt werden (psychische Probleme/Erkrankungen).
Nachtarbeit erschwert die sozialen Beziehungen innerhalb des Betriebs.
Es gibt nicht mehr so viele Gelegenheiten, miteinander zu reden, was sich nicht zuletzt auch negativ auf die Arbeit der betrieblichen Interessenvertretung auswirkt.
Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) vom 06.06.1994 (BGBl. I S. 1170), in Kraft getreten am 01.07.1994, hat den Komplex Nachtarbeit neu geregelt.
Nachstehend ein Überblick (siehe auch ? Arbeitszeit).
Männer und Frauen werden bei Nachtarbeit gleichbehandelt.
Das frühere in § 19 Arbeitszeitordnung (AZO) geregelte Nachtarbeitsverbot für Arbeiterinnen besteht nicht mehr. Das Verbot war vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden (BVerfG v. 28.01.1992 - 1 BvR 1025/82, AiB 1992, 281 = NZA 1992, 270; siehe Rn. 1). Zum Nachtarbeitsverbot für schwangere und stillende Frauen nach § 5 MuSchG (n.F.) siehe Mutterschutz.
Die Arbeitszeit der Nachtarbeitnehmer ist gemäß § 6 Abs. 1 ArbZG nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit (siehe Arbeitsschutz) festzulegen.
Nachtzeit ist die Zeit von 23 bis 6 Uhr, in Bäckereien und Konditoreien von 22 Uhr bis 5 Uhr (§ 2 Abs. 3 ArbZG).
Beachten:
Von dieser gesetzlichen Definition von »Nachtzeit« i.S.d. ArbZG zu unterscheiden sind (meist abweichende) Nachtarbeitszeitregelungen in Tarifverträgen, deren Zweck es in der Regel ist, den Zeitraum zu bestimmen, in dem tarifliche Nachtarbeitszuschläge zu zahlen sind.
Nachtarbeit ist jede Arbeit, die mehr als zwei Stunden der Nachtzeit erfasst (§ 2 Abs. 4 ArbZG).
Beispiel:
Arbeit bis 1.00 Uhr ist keine Nachtarbeit im Sinne des ArbZG. Auch Arbeit, die um 4.00 Uhr beginnt, umfasst nicht »mehr« als 2 Stunden der Nachtzeit, so dass ebenfalls keine Nachtarbeit im Sinne des ArbZG vorliegt.
Nachtarbeitnehmer im Sinne des Gesetzes sind nach § 2 Abs. 5 ArbZG Arbeitnehmer, die:
Die werktägliche Höchstarbeitszeit der Nachtarbeitnehmer beträgt acht Stunden (§ 6 Abs. 2 ArbZG).
Eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit auf zehn Stunden ist möglich, wenn in einem Ausgleichszeitraum von einem Kalendermonat oder vier Wochen ein Durchschnitt von acht Stunden werktäglich nicht überschritten wird.
Beispiel:
2 Wochen wird an 6 Werktagen jeweils 10 Stunden gearbeitet
2 Wochen wird an 6 Werktagen jeweils 6 Stunden gearbeitet
4-Wochen-Durchschnitt: 8 Stunden werktäglich
Nachtarbeitnehmer sind berechtigt, sich vor Beginn der Beschäftigung und danach in regelmäßigen Zeitabständen von nicht weniger als drei Jahren (nach Vollendung des 50. Lebensjahres in Zeitabständen von einem Jahr) arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen.
Die Kosten trägt der Arbeitgeber, sofern er nicht eine Untersuchung durch den Betriebsarzt/betriebsärztlichen Dienst anbietet (§ 6 Abs. 3 ArbZG).
Auf Verlangen des Nachtarbeitnehmers hat der Arbeitgeber ihn auf einen Tagarbeitsplatz umzusetzen, wenn
und dringende betriebliche Erfordernisse nicht entgegenstehen.
Wenn der Arbeitgeber meint, dass dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen, hat er den Betriebsrat anzuhören. Dieser kann Vorschläge für eine Umsetzung unterbreiten (§ 6 Abs. 4 ArbZG).
Der Arbeitgeber hat nach § 6 Abs. 5 ArbZG, soweit keine tarifvertragliche Ausgleichsregelung besteht, für die während der Nachtzeit zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren (§ 6 Abs. 5 ArbZG).Der Arbeitgeber kann wählen, ob er den Ausgleichsanspruch des § 6 Abs. 5 ArbZG durch Zahlung von Geld, durch bezahlte Freistellung oder durch eine Kombination von beidem erfüllt (BAG v. 01.02.2006 - 5 AZR 422/04, NZA 2006, 494; zum Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Auswahlentscheidung).
Das Wahlrecht erlischt nach Ansicht des BAG auch dann nicht infolge Zeitablaufs, wenn zwischen der Leistung der Nachtarbeit und der Erfüllung des Anspruchs des Arbeitnehmers ein erheblicher zeitlicher Abstand liegt (BAG v. 05.09.2002 - 9 AZR 202/01, AiB 2004, 119: der zeitliche Abstand betrug vier Jahre).
Wenn das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien beendet ist, kommt ausschließlich die Zahlung eines Zuschlags in Betracht (BAG v. 27.05.2003 - 9 AZR 180/02, AiB 2003, 646 = DB 2003, 2181).
Bei der Bemessung der Höhe des vom Arbeitgeber geschuldeten »angemessenen« Zuschlags ist nicht ohne weiteres von den Festlegungen in dem einschlägigen Tarifvertrag auszugehen. Diese können aber als Orientierungshilfe dienen (BAG v. 05.09.2002 - 9 AZR 202/01, a.a.O.).
Angemessen i.S.d. § 6 Abs. 5 ArbZG ist (für den Fall, dass keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen) nach Ansicht des BAG regelmäßig ein Zuschlag in Höhe von 25% auf den Bruttostundenlohn bzw. die entsprechende Anzahl freier Tage; bei Dauernachtarbeit erhöht sich der Anspruch regelmäßig auf 30% (BAG v. 09.12.2015 - 10 AZR 423/14).
Arbeitet der Arbeitnehmer im Dreischichtbetrieb und leistet er jede dritte Woche Nachtarbeit, soll ein Zuschlag von 25 % des Stundenlohns angemessen sein i.S.v. § 6 Abs. 5 ArbZG (BAG v. 27.05.2003 - 9 AZR 180/02, a.a.O.).
Der Zuschlag muss nicht in Form eines vom Hundertsatzes des Stundenlohns vereinbart werden. Er kann auch pauschaliert werden. Das setzt voraus, dass zwischen der zu leistenden Nachtarbeit und der Lohnhöhe ein Bezug hergestellt wird. Eine arbeitsvertragliche Regelung, nach der »durch die Höhe des Lohnes« u.a. Zuschläge für geleistete Nachtarbeit sowie Schichtarbeit »mit umfasst und abgegolten« sind, genügt diesen Anforderungen nicht (BAG v. 27.05.2003 - 9 AZR 180/02, a.a.O.). Das heißt: der Nachtarbeitszuschlag muss zusätzlich zum vereinbarten Entgelt gezahlt werden.
Der Anspruch auf eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage als Ausgleich für geleistete Nachtarbeit (§ 6 Abs. 5 ArbZG) entspricht in seinem Umfang der Höhe des angemessenen Zuschlags auf das Bruttoarbeitsentgelt (BAG v. 9.12.2015 - 10 AZR 423/14; 01.02.2006 - 5 AZR 422/04, NZA 2006, 494).
Wenn weder eine tarifliche Regelung besteht noch eine betriebliche Konkretisierung des Anspruchs erfolgt ist, muss der Beschäftigte, der vergeblich einen Zeitausgleich oder Geldzuschlag verlangt, seine Klage beim Arbeitsgericht wahlweise auf Leistung einer angemessenen Zahl bezahlter freier Tage oder auf einen angemessenen Zuschlag auf das Bruttoarbeitsentgelt richten.
Die Konkretisierung des Anspruchs erfolgt dann durch das Gericht auf der Grundlage billigen Ermessens (§ 315 Abs. 3 BGB; vgl. BAG v. 27.01.2000 - 6 AZR 471/98, NZA 2001, 41).
Des Weiteren hat der Arbeitgeber sicherzustellen, dass Nachtarbeitnehmer den gleichen Zugang zu betrieblicher Weiterbildung und zu aufstiegsfördernden Maßnahmen haben wie die übrigen Arbeitnehmer (§ 6 Abs. 6 ArbZG).
Nach § 7 ArbZG kann durch Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebsvereinbarung in den in der Vorschrift genannten Fällen von den Regelungen des ArbZG abgewichen werden.
Dort, wo tarifvertragliche Regelungen üblicherweise nicht bestehen, kann auch die Aufsichtsbehörde (Gewerbeaufsichtsamt) Ausnahmen bewilligen.
§ 8 ArbZG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung bei gesundheitsgefährdenden Arbeiten weitere Schutzbestimmungen (z.?B. Arbeitszeitbeschränkungen, Regelungen zum Schutz der Nacht- und Schichtarbeitnehmer) zu erlassen.
Gesetzliche Nachtarbeitsverbote bestehen für schwangere und stillende Frauen (§ 5 MuSchG n.?F.), Jugendliche (§ 14 Abs. 1 JArbSchG), Beschäftigte in Verkaufsstellen (§§ 3, 17 Ladenschlussgesetz).
Viele Tarifverträge beschränken sich darauf, das Thema »Nachtarbeit« in Form der Gewährung von Entgeltzuschlägen zu regeln (mit der Folge, dass die nach § 6 Abs. 5 ArbZG bestehende Möglichkeit, bezahlten Freizeitausgleich zu wählen und ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats über die Wahl zwischen Zuschlag oder Freizeit nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG ausgeschlossen ist).
Unter dem Gesichtspunkt des erforderlichen Ausgleichs von nachtarbeitsbedingten Belastungen sind sicher Regelungen über Freizeitausgleich und Erholzeiten sinnvoller. Die Tarifvertragsparteien sollten hierzu entsprechende Regelungen treffen.
Sinnvoll wären auch tarifliche Öffnungsklauseln, die die Betriebsparteien ermächtigen, die Frage »Zuschlag oder bezahlte Freizeit« im Mitbestimmungswege zu klären und im Nichteinigungsfall die Einigungsstelle anzurufen.
Quelle: Betriebsratspraxis von A bis Z (Christian Schoof); Nachtarbeit - Was ist das?
Betriebsratspraxis von A bis Z ist Bestandteil des Online-Moduls »Betriebsratswissen online«.
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