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Ein Jahr Mindestlohn, Analyse und erste Erkenntnisse. Was bringt der Mindestlohn

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Happy Birthday – Der Mindestlohn ist 1 Jahr alt !

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Happy Birthday – Der Mindestlohn ist 1 Jahr alt !

Ein Jahr Mindestlohn, Analyse und erste Erkenntnisse. Was bringt der Mindestlohn
Ein Jahr Mindestlohn, Analyse und erste Erkenntnisse. Was bringt der Mindestlohn
Am 1. Januar 2015 hat der Mindestlohn in Deutschland das Licht der Welt erblickt. Gezeugt worden ist er – vermutlich- von den DGB-Gewerkschaften, zur Welt gebracht hat ihn nach langer Vorarbeit der SPD die große Koalition. Von Vielen war er sehnlichst erwartet und gefeiert worden, manche hatten aber auch Sorgen vor einer „Missgeburt“ und wollten diese bis zuletzt verhindern. Inzwischen, mit nunmehr einem Jahr, hat sich der Mindestlohn fast zu einem Wunderkind entwickelt.

Ein erfolgreiches Jahr ist vorüber – viele Fragen sind aber noch offen

 

Was hatten manche Ökonomen und Wirtschaftsverbände vor einem Jahr nicht für Schreckensszenarien an die Wand gemalt: gewarnt worden war vor einem großflächigen Verlust von Arbeitsplätzen, einer Pleitewelle, einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen, vor deutlich höheren Verbraucherpreisen. Nichts davon hat sich nach immerhin einem Jahr als zutreffend herausgestellt. 

 

Im Gegenteil: Die Arbeitslosigkeit hat im Laufe des Jahres weiter abgenommen. Im November 2015 lag die Zahl der arbeitslos Gemeldeten um 84.000 niedriger als im Vorjahresmonat. Demgegenüber ist die Gesamtzahl der Erwerbstätigen weiter angestiegen: Im November 2015 gegenüber dem Vorjahr um 425.000 Personen oder 1 %.

 

Besonders erfreulich ist dabei die Zunahme der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, die im 3. Quartal 2015 sogar um 688.000 Beschäftigte gegenüber dem Vorjahr zugenommen hat. Das heißt, dass geringfügige Beschäftigungsverhältnisse zugunsten sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze verringert worden sind.

 

Deutliche Erhöhung der Reallöhne

 

Nach Angaben des statistischen Bundesamtes stieg bereits im zweiten Quartal 2015 der durchschnittliche Reallohn im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 2,7 %. Dies stellt den höchsten Zuwachs seit Beginn der Erhebung im Jahr 2008 dar. Noch deutlicher sind die durchschnittlichen Lohnzuwächse in den vom Mindestlohn besonders betroffenen Branchen. 

 

So haben ungelernte Arbeitnehmer*innen und geringfügig Beschäftigte gegenüber dem Vorjahr Reallohnzuwächse um 4,8 % bzw. 5 % erreicht. Da gerade in diesen Bereichen zuvor oftmals Löhne unterhalb von 8,50 € gezahlt wurden ist davon auszugehen, dass der gesetzliche Mindestlohn bei dieser Entwicklung die entscheidende Rolle spielt.

 

Preise bleiben stabil

 

Auch die Verbraucherpreise sind nicht insgesamt in die Höhe geschossen. Vielmehr lag die Inflationsrate nach Angeben des statistischen Bundesamtes Ende 2015 gegenüber dem Vorjahr bei gerade 0,3 %. 

 

In Branchen wie dem Taxigewerbe, wo demgegenüber tatsächlich ein deutlicher Preisanstieg zu verzeichnen ist, ist die Akzeptanz in der Bevölkerung offenbar vorhanden. So ist es entgegen der Befürchtungen auch nicht zu einem massenweisen Taxi-Sterben gekommen. Der Rückgang der Fahrgastzahlen liegt nach Angaben des Taxi- und Mietwagenverbandes im einstelligen Bereich. 

 

Natürlich hat die Entwicklung des Arbeitsmarktes unterschiedliche Ursachen und Hintergründe, aber es spricht vieles dafür, dass der Mindestlohn die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt positiv beeinflusst hat. Und es spricht alles dafür, dass sich zumindest die Befürchtungen vieler Lobbyisten und Wirtschaftsverbände im Vorfeld als unbegründet erwiesen haben.  

 

Erste Entscheidungen im Arbeitsrecht

 

Auch die Rechtsprechung ist nach ersten Erfahrungen nicht von Streitigkeiten über den Mindestlohn überrollt worden – ein Anzeichen dafür, dass wohl insgesamt eine weitgehende Akzeptanz der Lohnuntergrenze besteht.

 

  • Kündigung wegen Mindestlohn

 

Aber es blieben natürlich auch Fälle nicht aus, die an frühkapitalistische Denkweisen erinnern. So musste das Landesarbeitsgericht Chemnitz über eine Kündigung im Zusammenhang mit dem Mindestlohngesetz entscheiden: Die Klägerin hatte sich geweigert, eine Vertragsänderung zu unterschreiben, mit der das Mindestlohngesetz unterlaufen werden sollte. 

 

Zwar wäre mit der Vertragsänderung eine Vergütung in Höhe des Mindestlohnes vereinbart worden, gleichzeitig sollte die Arbeitnehmerin aber unterschreiben, dass mit dieser Vergütung zehn Überstunden monatlich abgegolten seien. Nachdem sie sich weigerte, diese Vertragsänderung anzunehmen, erhielt sie die Kündigung.

 

Diese hat das Landesarbeitsgericht für unzulässig erklärt, obwohl kein Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz bestand. Da die Arbeitnehmerin natürlich das Recht hatte, diese gesetzeswidrige Vertragsänderung nicht zu unterschreiben, durfte der Arbeitgeber das auch nicht mit einer Kündigung bestrafen (Maßregelungsverbot).

 

  • Anrechnung von Sonderzahlungen ?

 

Rechtlich interessanter ist die Frage, inwieweit Sonderzahlungen des Arbeitgebers auf den Mindestlohn angerechnet werden können. Nach den gesetzlichen Regelung und der bisherigen Rechtsprechung dazu sind grundsätzlich die Vergütungsbestandteile auf den Mindestlohn anrechenbar, die unmittelbar die Arbeitsleistung entgelten sollen. Das ist zum Beispiel bei zusätzlichem Urlaubsgeld und sonstigen Jahressonderzahlungen in der Regel nicht der Fall. 

 

So hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden, dass Urlaubsgeld oder eine Jahressonderzahlung, die zusätzlich zur vertraglichen Arbeitsvergütung gezahlt werden, nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden können. Der Arbeitgeber war der Auffassung, er könne einseitig und ohne Vertragsänderung die (jährlichen) Sonderzahlungen auf den Stundenlohn umlegen, so dass im Durchschnitt ein Lohn von 8,50 € pro Stunde erreicht werde.

 

Das ist nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes jedoch unzulässig, Um solche Sonderzahlungen auf den Stundenlohn anzurechnen und damit faktisch zu streichen, müsste der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aussprechen, für die es in aller Regel keinen Kündigungsgrund geben wird.

 

Demgegenüber hatte das Arbeitsgericht Herne in einem ähnlichen Fall die Anrechenbarkeit von Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld auf den Mindestlohn für zulässig angesehen. In dem dortigen Sachverhalt waren die Sonderzahlungen jedoch nicht jährlich, sondern monatlich zu gleichen Teilen ausgezahlt worden. Das Gericht hat entschieden, dass diese Zahlungen als Bestandteil des Mindestlohnes zu werten seien, da sie monatlich und unwiderruflich ausgezahlt werden.

 

Beide Entscheidungen sind noch nicht rechtskräftig.

 

 

  • Mindestlohn auch für Bereitschaftszeiten ?

 

Umstritten ist auch die Frage, inwieweit für Bereitschaftszeiten der Mindestlohn gezahlt werden muss.

Vor dem Arbeitsgericht Aachen hatte ein Rettungsassistent geklagt, in dessen Arbeitsverhältnis in erheblichem Umfang Bereitschaftszeiten anfallen. Für diese Bereitschaftszeiten verlangte der Kläger den Mindestlohn von 8,50 € / Stunde.

 

Das Arbeitsgericht und nachfolgend auch das Landesarbeitsgericht Köln haben die Klage abgewiesen. Dabei wurde im Urteil ausdrücklich festgestellt, dass auch Bereitschaftszeit Arbeitszeit darstellt und deshalb mit dem Mindestlohn zu vergüten ist. Allerdings lag dem Arbeitsverhältnis eine tarifliche Regelung zugrunde, nach die Bereitschaftszeiten Teil der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit waren. 

 

Das Gericht hat deshalb das tarifliche Monatsgehalt zugrunde gelegt und durch die monatlich insgesamt zu erbringenden Stunden einschließlich der Bereitschaftsstunden geteilt. Da dabei der Mindestlohn überschritten war, wurde die Klage abgewiesen.

 

Das Verfahren ist derzeit beim Bundesarbeitsgericht anhängig. In der Revision stellt sich nach wie vor die Frage, ob es ausreicht, dass sich im Rahmen einer Monatsbetrachtung – einschließlich der Bereitschaftszeiten- durchschnittlich pro Stunde 8,50 € errechnen. Oder ob der Mindestlohn tatsächlich für jede einzelne Stunde -auch die der Bereitschaftszeiten- in Höhe von 8,50 € gezahlt werden muss. 

 

Anmerkung :

 

Rechtlich interessante Fragen, z.B. welche und wie weit Lohnbestandteile auf den Mindestlohn angerechnet werden können oder welcher Abrechnungszeitraum für die Bestimmung des Stundenlohnes heranzuziehen ist (so bei Bereitschaftszeiten oder Leistungslohnsystemen) sind nach wie vor nicht endgültig entschieden. Das Thema bleibt also auch weiterhin spannend.


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