1. Ermahnung
Eine Ermahnung kann schriftlich oder mündlich erfolgen. In ihr bringt die Arbeitgeberin zum Ausdruck, dass sie mit dem Verhalten einer Mitarbeiter*in nicht einverstanden ist, ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen anzudrohen. Unmittelbare arbeitsrechtliche Folgen hat eine Ermahnung nicht. Sie kann allenfalls als Argument im Rahmen der Interessenabwägung in einem Kündigungsschutzprozess auftauchen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können Arbeitnehmer*innen verlangen, eine zu Unrecht ausgesprochene Ermahnung aus der Personalakte zu entfernen. Allerdings ist im Einzelfall zu bedenken, ob ein arbeitsgerichtliches Verfahren möglicherweise in der Summe mehr schadet als nützt.
2. Individualrechtliche Abmahnung
Eine wirksame Abmahnung zeigt ein konkretes Fehlverhalten auf (Hinweisfunktion) und macht deutlich, dass dieses Verhalten in Zukunft nicht mehr auftreten darf (Rügefunktion). Außerdem droht eine Abmahnung arbeitsrechtliche Konsequenzen für den Fall an, dass sich nichts ändert (Warnfunktion). Gegen die Abmahnung kann sich die Betriebsrätin Maria vor Gericht wehren. Wichtig dabei ist, dass nur Maria persönlich und nicht das Gremium Betriebsrat gegen eine Abmahnung vorgehen kann.
Eine Abmahnung wirkt nicht für die Ewigkeit. Sie verliert ihre Warnfunktion nach einer Zeitspanne, die von der Schwere der Vorwürfe abhängt. Als Richtschnur gelten zwei Jahre.
Weitere Informationen zum Thema sind zu finden unter:
Abmahnung
Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte
3. Außerordentliche, fristlose Kündigung
Im Hinblick auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht Maria unter besonderem Schutz. Dieser Schutz wirkt sogar für ein Jahr über das Ende des Betriebsratsamt hinaus insoweit fort, als nur eine außerordentliche, fristlose Kündigung möglich ist. Die Zustimmung des Betriebsrats ist während der Nachwirkung jedoch nicht mehr erforderlich. Ein nachwirkender Kündigungsschutz setzt jedoch voraus, dass das Amt regulär endet. Hat dagegen ein Arbeitsgericht beschlossen, Maria auszuschließen oder den gesamten Betriebsrat aufzulösen, besteht kein nachwirkender Kündigungsschutz.
4. Ordentliche Kündigung ist ausgeschlossen
Im Kündigungsschutzgesetz ist geregelt, dass Maria nur kündbar ist, wenn „…Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen… “ Eine Kündigung, bei der das Arbeitsverhältnis erst nach Ablauf einer Kündigungsfrist endet, ist also bei Maria nicht möglich. Zweck dieser Regelung ist, dass Maria nur bei wirklich ganz gravierenden Gründen mit einer Kündigung rechnen muss.
Von diesem Grundsatz gibt es jedoch zwei Ausnahmen:
- Stilllegung des gesamten Betriebs
- Stilllegung einen Betriebsteils.
Im ersten Fall kann die Arbeitgeberin nicht fristlos, sondern erst zum Zeitpunkt der Stilllegung kündigen. Im zweiten Fall muss die Arbeitgeberin Maria in eine andere Betriebsabteilung übernehmen. Zur Not ist die Arbeitgeberin verpflichtet, in der anderen Abteilung einen Arbeitsplatz frei zu kündigen. Nur wenn die Arbeit in einer anderen Abteilung aus betrieblichen Gründen überhaupt nicht möglich ist, darf die Arbeitgeberin kündigen. Aber auch dann endet das Arbeitsverhältnis nicht fristlos, sondern erst zum Zeitpunkt der Stilllegung der Abteilung.
5. Wichtige Gründe für eine außerordentliche, fristlose Kündigung
In aller Regel ist eine außerordentliche, fristlose Kündigung verhaltensbedingt. Grundsätzlich möglich sind aber auch personen- und betriebsbedingte Gründe. Dabei ist die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu beachten, nach der eine krankheits- und damit personenbedingte Kündigung von Maria nur in eng zu begrenzenden Ausnahmefällen in Betracht kommt.
Bei solchen Ausnahmefällen sowie bei betriebsbedingten Gründen muss die Arbeitgeberin eine soziale Auslauffrist einhalten, die der - fiktiven - Kündigungsfrist entspricht.
6. Das Betriebsratsgremium muss der Kündigung zustimmen
Das Kündigungsschutzgesetz verweist auf das Betriebsverfassungsgesetz, nach dem die „…außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats… der Zustimmung des Betriebsrats…“ bedarf. Die Arbeitgeberin muss also, bevor sie Maria kündigt, beim Betriebsrat die Zustimmung dazu verlangen. Dieses Verlangen der Arbeitgeberin stellt ein so genanntes erweitertes Anhörungsverfahren dar. Das bedeutet, dass die Arbeitgeberin dem Betriebsrat gegenüber alle Angaben machen muss, die sie bei einer normalen Anhörung zu einer beabsichtigten Kündigung nach § 102 BetrVG auch machen müsste. Sie ist also verpflichtet darlegen, aus welchen Gründen sie der Auffassung ist, dass eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt ist. Tut sie dies nicht oder nicht ausreichend, ist die Kündigung bereits aus diesem Grund unwirksam.
7. Sollte der Betreibsrat auf Zeit spielen?
Nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches muss eine außerordentliche, fristlose Kündigung innerhalb von zwei Wochen erfolgen ab dem „ … Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.“
Es liegt also im Interesse der Arbeitgeberin, die Zustimmung zur Kündigung möglichst schnell zu erhalten. Deshalb könnte man auf die Idee kommen, dem Betriebsrat zu empfehlen, seine Entscheidung möglichst lange zu verzögern. Das würde aber nichts helfen. Denn äußert sich das Gremium innerhalb von drei Tagen ab Zugang des Zustimmungsverlangens nicht, gilt die Zustimmung als verweigert.
8. Entscheidung des Betriebsrats
- Der Betriebsrat muss in einer ordnungsgemäß einberufenen Sitzung darüber entscheiden, ob er der Kündigung von Maria zustimmt. Bei dem Tagesordnungspunkt der Sitzung, in der es über diese Frage entscheidet, darf Maria nicht teilnehmen. Ein Ersatzmitglied sollte sie vertreten.
Der Betriebsrat kann
- zustimmen
- die Zustimmung verweigern
- sich nicht äußern.
Äußert sich der Betriebsrat gar nicht oder nicht innerhalb von drei Tagen, gilt die Zustimmung nach drei Tagen als verweigert. Stimmt der Betriebsrat innerhalb von drei Tagen zu, kann die Arbeitgeberin die beabsichtigte Kündigung aussprechen.
9. Das Zustimmungsersetzungsverfahren
Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung oder gilt die Zustimmung wegen Ablaufes der Drei-Tages-Frist als verweigert, kann die Arbeitgeberin beim Arbeitsgericht beantragen, dass es die Zustimmung des Betriebsrats ersetzt.
10. Der Antrag auf Ersetzung der Zustimmung ist fristgebunden
Die Arbeitgeberin muss innerhalb einer Zwei-Wochen-Frist beim Arbeitsgericht beantragen, dass es die verweigerte Zustimmung ersetzt. Die Frist beginnt in dem Moment zu laufen, in dem die Arbeitgeberin von den Kündigungsgründen erfährt. Versäumt die Arbeitgeberin diese Frist, verliert sie ihr Kündigungsrecht. Spricht sie dennoch eine Kündigung aus, ist diese Kündigung nichtig.
11. Das arbeitsgerichtliche Verfahren bei Zustimmungsersetzung
Der Antrag der Arbeitgeberin richtet sich gegen den Betriebsrat als Gremium. Maria ist aber ebenfalls Beteiligte des Verfahrens. Das Gericht klärt im Wege eines Beschlussverfahrens, ob „ … die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist.“
12. Praktische Hinweise
- Weder Maria noch der Betriebsrat sollten das Zustimmungsersetzungsverfahren auf die leichte Schulter nehmen nach dem Motto „Das ist jetzt nicht so wichtig. Das kann ich ja dann im Kündigungsschutzverfahren immer noch vortragen“.
- Nein!
Ersetzt das Arbeitsgericht die Zustimmung, ist damit abschließend festgestellt, dass ein wichtiger Grund für eine außerordentliche, fristlose Kündigung besteht. Daran wird sich im Kündigungsschutzprozess nichts mehr ändern, unabhängig davon, was die Beteiligten noch vortragen.
- Die Arbeitgeberin darf die Kündigung erst aussprechen, wenn die Entscheidung über die Zustimmungsersetzung rechtskräftig ist. Bis dahin darf Maria weiterarbeiten und ihr Amt in gewohnter Weise ausüben. Hindert die Arbeitgeberin sie daran, ist dies rechtswidrig. In diesem Fall kann das Arbeitsgericht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verfügen, dass Maria weiter zu beschäftigen ist und ihre Betriebsratstätigkeit fortsetzen kann. Deshalb kann es sinnvoll sein, Rechtsmittel zum Landes- oder Bundesarbeitsgericht auch dann einzulegen, wenn die Erfolgsaussichten deutlich unter 100 Prozent liegen.
13. Vorgehen gegen Kündigungen
Maria hat die Möglichkeit, eine Kündigungsschutzklage erheben. Dabei darf sie allerdings nicht mehr geltend machen, es liege kein wichtiger Grund vor. Denn das hat das Gericht schon im Zustimmungsersetzungsverfahren abschließend entschieden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn nach Ende des Zustimmungsersetzungsverfahrens neue Tatsachen auftauchen, die zu einer anderen Einschätzung führen könnten. Alle anderen Argumente, aus denen sich die Unwirksamkeit der Kündigung ergeben könnte, sind dagegen möglich.
14. Strafanzeige mit Strafantrag
Wenn Maria unbefugt ein fremdes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart, das ihr in ihrer Eigenschaft als Betriebsrätin bekannt geworden ist, macht sie sich nach dem Betriebsverfassungsgesetz strafbar. Das Gesetz droht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe an. Gleichzeitig bestimmt es, dass eine solche Straftat nur auf Antrag der Arbeitgeberin zu ahnden ist. Außerdem ist Voraussetzung für eine Strafbarkeit, dass die Arbeitgeberin dem Betriebsrat ausdrücklich mitgeteilt hat, dass die betreffenden Informationen geheim zu halten sind.
In der Praxis stellen Arbeitgeberinnen einen solchen Strafantrag äußerst selten. Kommt es doch vor, stehen die Chancen nicht schlecht, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellt. Sollte es tatsächlich zu einer Anklageschrift und der Eröffnung des Hauptverfahrens kommen, ist es ratsam, Kontakt zu einem Strafverteidiger aufzunehmen.
15. Versetzung
Wenn Arbeitgeberinnen trotz intensiver Suche nichts finden, das eine außerordentliche, fristlos Kündigung Marias rechtfertigen könnte, versuchen sie gelegentlich, ihr Problem dadurch zu lösen, dass sie Maria an einen anderen Arbeitsplatz versetzen.
16. Versetzung, für die eine Änderungskündigung erforderlich ist
Es gibt Versetzungen, die lediglich zu geringfügigen Veränderungen führen. Zum Beispiel dann, wenn Maria lediglich dieselbe Arbeit wie bisher an einem Platz in der Nachbarhalle verrichten soll. Sind die Konsequenzen aber gravierender, liegt also ein Eingriff in den Wesensbereich des Arbeitsvertrags vor. Dann ist eine Versetzung nur Im Wege einer Änderungskündigung möglich.
Vergleiche hierzu:
Änderungskündigung! Was nun?
Eine Änderungskündigung beinhaltet unter anderem eine ganz normale Beendigungskündigung. Deshalb gilt auch hier alles, was oben für eine normale außerordentliche, fristlose Kündigung beschrieben ist.
17. Versetzung, für die keine Änderungskündigung erforderlich ist
Eine Versetzung kann auch durch das Weisungsrecht der Arbeitgeberin gedeckt sein. Das ist etwa dann der Fall, wenn der Arbeitsvertrag ausdrücklich vorsieht, dass die Arbeitgeberin Maria auch andere Tätigkeiten an anderen Orten zuweisen darf. Ist Maria in diesen Fällen mit der Versetzung einverstanden, gibt es kein Problem. Ist sie es nicht, kommt es darauf an, ob die Versetzung dazu führt, dass Maria ihr Amt als Betriebsrätin verliert. Das ist immer dann so, wenn die Versetzung in einen anderen Betrieb des Unternehmens der Arbeitgeberin erfolgt. Dann nämlich scheidet Maria aus ihrem bisherigen Betrieb aus. Damit verliert sie nach dem Betriebsverfassungsgesetz ihr Betriebsratsamt.
Die Folge davon ist, dass unter diesen Bedingungen eine Versetzung nur möglich ist, wenn der Betriebsrat zustimmt. Und auch hier kann die Arbeitgeberin die Ersetzung durch das Arbeitsgericht beantragen, wenn die Zustimmung nicht erfolgt. Bevor das Arbeitsgericht die Zustimmung ersetzt, verlangt das Betriebsverfassungsgesetz vom Gericht eine Abwägung, ob die Versetzung „ … auch unter Berücksichtigung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung des betroffenen Arbeitnehmers aus dringenden betrieblichen Gründen notwendig ist.“
18. Hausverbot
Nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches kann der Eigentümer mit seiner Sache „ … nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen.“
Daraus folgt, dass die Arbeitgeberin in ihrem Betrieb das Hausrecht hat und grundsätzlich jedem verbieten kann, Gelände und Gebäude zu betreten. Das gilt selbst dann, wenn die Arbeitgeberin nur Mieterin oder Pächterin ist.
Dieses Hausrecht hat schon bei normalen Beschäftigten seine Grenzen. Denn die Mitarbeiter*innen haben einen Anspruch auf Beschäftigung, der beinhaltet, dass sie an ihren Arbeitsplatz dürfen.
Darüber hinaus hat Maria einen Anspruch darauf, jederzeit, jedenfalls aber während der üblichen Arbeitszeiten in den Betrieb zu kommen. Denn sie muss nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als Ansprechpartnerin für die Belegschaft jederzeit zur Verfügung stehen. Ein umfassendes Hausverbot widerspräche darüber hinaus dem Benachteiligungsverbot im Betriebsverfassungsgesetz. Es käme deshalb - wenn überhaupt - allenfalls in extremen Ausnahmefällen in Betracht.
19. Hausverbot nach Kündigung
In aller Regel spielt die Frage des Hausverbots so lange keine Rolle, wie Marias Arbeitsverhältnis unbelastet besteht. Problematisch könnten allenfalls Konstellationen sein, bei denen die Arbeitgeberin ein Hausverbot verhängt, nachdem sie sich entschlossen hat, Maria zu kündigen. Aber auch hier gilt sowohl während des Verfahrens zur Zustimmungsersetzung als auch während des erstinstanzlichen Kündigungsschutzprozesses, dass Maria in den Betrieb zu lassen ist.
Verliert sie allerdings ihren Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht, kann die Arbeitgeberin ihr Hausrecht ausüben. Nur wenn das Landes- oder Bundesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts aufhebt und einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung feststellt, darf Maria wieder in ihren Betrieb.
20. Eingeschränktes Zutrittsrecht
Mitunter versuchen Arbeitgeberinnen, Marias Zutrittsrecht einzuschränken. Sie verlangen etwa, dass Maria vor dem Betreten des Betriebs angeben muss, welche Art von Betriebsratstätigkeit sie verrichten will. Ein solches Vorgehen ist nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts München nicht zulässig. Denn der Arbeitgeberin steht keine inhaltliche Kontrolle von Betriebsratstätigkeiten zu.
21. Arbeitsgerichtlicher Schutz gegen Hausverbote
Trotz der eindeutigen Rechtslage kommt es immer wieder vor, dass Arbeitgeber*innen unzulässige Hausverbote aussprechen. Dagegen kann sich Maria wehren, indem sie beim Arbeitsgericht in einem Beschlussverfahren beantragt, die Arbeitgeberin zu verpflichten, ihr Zutritt zum Betrieb zu gewähren. Ein solcher Antrag ist auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes möglich.
Auf jeden Fall ist wichtig, schon im Antrag anzugeben, wo genau Maria Zugang haben will. Sonst besteht die Gefahr, dass sie von einem positiven Beschluss des Arbeitsgerichts nichts hat, weil der Antrag für eine Vollstreckung zu unbestimmt ist.
Ein solcher Antrag könnte also etwa lauten:
„ Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Zutritt der Antragstellerin zu ihrem Betrieb, Hauptstraße 15, 70720 Tübingen zu dulden und ihm den Zugang zum Betriebsratsbüro im Container schräg gegenüber der Kantine zu gewähren.“
22. Betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung
Ob es eine solche betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung überhaupt gibt, ist unter Jurist*innen umstritten. Das Arbeitsgericht Solingen geht beispielsweise davon aus, dass es sie gibt. Die juristische Literatur ist teilweise anderer Auffassung. Das Bundesarbeitsgericht hat sich zu dieser Frage noch nicht geäußert.
Unterstellt, es gäbe eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung, wäre ihr Ziel, Maria deutlich zu machen, dass sie - nach Meinung der Arbeitgeberin - bei der Ausübung ihres Amtes Pflichtverstöße begangen hat. Und dass sie mit einem Antrag auf Ausschluss aus dem Betriebsrat rechnen muss, wenn sie ihr Verhalten nicht ändert. Auch hier hätte die Abmahnung also eine Hinweis-, eine Rüge- und eine Warnfunktion. Aber anders als bei den meisten Fällen der individualrechtlichen Abmahnung könnte die Arbeitgeberin einen Antrag auf Ausschluss aus dem Betriebsrat auch dann stellen, wenn sie vorher nicht abgemahnt hat.
Ob und ggf. nach welcher Zeit Maria verlangen kann, dass eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung zu entfernen ist, ist bislang nicht entschieden.
23. Antrag auf Ausschluss aus dem Betriebsrat
Verstößt Maria gegen ihre gesetzlichen Amtspflichten, kann die Arbeitgeberin im Wege eines Beschlussverfahrens beim Arbeitsgericht unter anderem beantragen, sie aus dem Betriebsrat auszuschließen. Ein solcher Antrag gegen Maria kann jedoch nur dann Erfolg haben, wenn sie ihre gesetzlichen Amtspflichten grob verletzt hat.
Dass nur Pflichtverletzungen in Betracht kommen, die gesetzlich geregelt sind, hilft Maria kaum weiter, denn die Arbeitgeberin wird sich im Zweifel darauf berufen, dass ein Verstoß gegen das gesetzliche Gebot zur vertrauensvollen Zusammenarbeit vorliegt. Deshalb ist der entscheidende Ansatzpunkt, ob der vom Gesetz geforderte grobe Pflichtverstoß vorliegt. Zu untersuchen ist also, ob die Pflichtverletzung objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist. Das ist jeweils nur nach einer sorgfältigen Prüfung des Einzelfalls zu entscheiden.
24. Beispiele grober Pflichtverletzungen
Grobe Pflichtverletzungen Marias sind nach der Rechtsprechung insbesondere
- Verstoß gegen Verschwiegenheitspflichten (Beispiel: auf einer Betriebsversammlung liest Maria aus einem Bewerbungsschreiben eines inzwischen eingestellten Mitarbeiters vor)
- Grobe Beleidigung der Arbeitgeberin
- Behinderung von Gewerkschaftsvertretern
- dauerhafte Passivität
- Druck auf andere Arbeitnehmer*innen
- Strafanzeige gegen den Geschäftsführer ohne ausreichenden Tatverdacht
25. Keine groben Pflichtverletzungen
Einen Antrag auf Ausschluss Marias hat keinen Erfolg bei
- gewerkschaftlicher Betätigung
- Werbung für eine Gewerkschaft
- Information der Gewerbeaufsicht oder der Berufsgenossenschaft über Sicherheitsmängel
- konsequentem Vertreten der eigenen Standpunkte
- mangelnder Kompromissbereitschaft bei Verhandlungen
26. Folgen eines groben Pflichtverstoßes
Liegt ein grober Pflichtverstoß vor, entscheidet das Arbeitsgericht, dass Maria auszuschließen ist. Gegen diesen Beschluss sind Rechtsmittel zulässig. Daraus folgt, dass der Ausschluss erst wirksam wird, wenn die arbeitsgerichtliche Entscheidung rechtskräftig. Ist sie es, verliert Maria ihr Amt sofort. Alle Funktionen und Ämter erlöschen. Außerdem verliert Maria den nachwirkenden Kündigungs- und Versetzungsschutz, der bei einem regelmäßigen Ende des Betriebsratsamtes gilt. Die Arbeitgeberin hat dann grundsätzlich die Möglichkeit, eine ordentliche Kündigung ohne Zustimmung des Betriebsrats auszusprechen oder eine Versetzung vorzunehmen.
27. Antrag auf Auflösung des gesamten Betriebsrats
Wenn die Arbeitgeberin beim Arbeitsgericht beantragt, den gesamten Betriebsrat aufzulösen, gilt ebenfalls, dass dazu ein grober Verstoß gegen die gesetzlichen Amtspflichten vorliegen muss. Dazu können dieselben Verstöße wie beim Ausschluss von Maria führen. Zusätzlich kommen in Betracht:
- Beschlüsse, die beharrlich gegen arbeitsrechtliche Schutzgesetze oder Tarifverträge verstoßen
- Nichtausübung gesetzlicher Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte
Auch die Auflösung wird erst mit Rechtskraft der arbeitsgerichtlichen Entscheidung wirksam. Und auch hinsichtlich des Ämter- und Funktionsverlustes sowie des nachwirkenden Kündigungs- und Versetzungsschutz gilt dasselbe wie beim Ausschluss von Maria.
Haben die Arbeitsgerichte den gesamten Betriebsrat aufgelöst, setzten sie unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, einen Wahlvorstand für die Neuwahl ein.
28. Unterlassungsanspruch der Arbeitgeberin?
Nach dem Betriebsverfassungsgesetz kann der Betriebsrat von der Arbeitgeberin verlangen, dass sie ein bestimmtes Verhalten unterlässt. Umgekehrt steht der Arbeitgeberin ein solcher Unterlassungsanspruch gegen den Betriebsrat nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht zu. Stattdessen hat sie die Möglichkeit, vom Arbeitsgericht feststellen lassen, dass eine Maßnahme des Betriebsrates unzulässig war.
Einen entsprechenden Beschluss kann die Arbeitgeberin jedoch nicht vollstrecken. Denn der Betriebsrat hat kein Vermögen, so dass Zwangsgelder im Wege der Zwangsvollstreckung nicht möglich sind. Dennoch hat die Arbeitgeberin ein Feststellungsinteresse, weil es möglicherweise einen groben Verstoß gegen die Amtspflichten darstellt, wenn der Betriebsrat das Verhalten, das die Arbeitgeberin gerügt hatte, trotz des gerichtlichen Beschlusses aufrechterhält.