dgb-logo
Schwerpunktthema
Ratgeber

Schwerpunktthema

 
 
In regelmäßigen Abständen berichten wir ausführlich über bestimmte Themengebiete. Zum Teil, weil sie politisch aktuell sind wie Mindestlohn oder Arbeitszeit, zum Teil weil sie saisonal von besonderem Interesse sind wie Urlaub oder Krankheit. Alle bisherigen Schwerpunktthemen können Sie hier nachlesen.
Aktuell| Betriebsräte: Kampf gegen Sanktionen

Hier finden Sie eine kleine Zusammenfassung zu dem Thema "Betriebsräte: Kampf gegen Sanktionen"



Gelegentlich zeigen Arbeitgeber*innen ein massives Interesse daran, unbequeme Mitglieder des Betriebsrates - wie etwa Maria - los zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen, überziehen sie einzelne Mitglieder gerne mit einer Vielzahl arbeitsrechtlicher Sanktionen, weil sie sich vermeintlich oder tatsächlich falsch verhalten haben. Aber die gewählten Interessenvertreter sind diesen Sanktionen keineswegs schutzlos ausgeliefert.

 

 

Union Busting

Viele Arbeitgeber*innen sehen in ihrem Betriebsrat einen Partner, mit dem sie zum Wohle der Firma vertrauensvoll zusammenarbeiten können und wollen. Aber es gibt leider auch die Fälle, bei denen die Vertreter der Arbeitnehmer*innen nur als Störenfriede gelten, die eine Führung des Betriebs nach Gutsherrenart verhindern. Dabei schrecken manche „Gutsherren“ nicht einmal davor zurück, systematisch und professionell geplant gegen gewerkschaftliche Interessenvertretungen vorzugehen.  Dieses so genannte Union Busting tritt häufig im Gewand an sich zulässiger arbeitsrechtlicher Sanktionen auf.

Vergleiche dazu:

STOP UNION BUSTING online

Welche Sanktionsmöglichkeiten gibt es?

Arbeitsrechtliche Sanktionsmöglichkeiten

Einer Arbeitgeberin stehen folgende Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung:

  • Ermahnung
  • Individualrechtliche Abmahnung
  • Außerordentliche fristlose Kündigung
  • Versetzung
  • Strafanzeige mit Strafantrag
  • Hausverbot
  • Betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung
  • Antrag auf Ausschluss Einzelner aus dem Betriebsrat
  • Antrag auf Auflösung des gesamten Betriebsrats
  • Unterlassungsanspruch der Arbeitgeberin?

Wann ist welche Sanktion möglich?

Ebenen arbeitsrechtlicher Sanktionen

Welche Sanktion die Arbeitgeberin im Einzelfall gegen die Betriebsrätin Maria verhängen kann, hängt davon ab, ob die Arbeitgeberin behauptet, Maria habe die behauptete Pflichtverletzung
 

  • als normale Arbeitnehmerin des Betriebs


oder

  • in ihrer Funktion als Betriebsrätin


begangen.

 

Individualrechtliche Ebene: Verletzung von arbeitsvertraglichen Pflichten 

Soweit Maria nicht freigestellt ist, muss sie ihre arbeitsvertraglichen Pflichten genauso erfüllen wie ihre Kolleg*innen. Geht die Arbeitgeberin - objektiv zutreffend oder nicht - von einem Verstoß gegen diese Pflichten aus, kann sie, wie bei allen anderen Mitarbeiter*innen auch, zu den Mitteln einer Ermahnung, einer Abmahnung, einer Versetzung und einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung greifen.

 

Kollektivrechtliche Ebene: Verletzung von Amtspflichten

Soweit Maria ausschließlich in ihrer Funktion als Betriebsrätin handelt und dabei nach Ansicht der Arbeitgeberin gegen ihre Pflichten verstößt, läuft sie Gefahr, eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung zu erhalten. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass sie sich mit einem Antrag auf Ausschluss aus dem Betriebsrat, einem Antrag auf Auflösung des gesamter Betriebsrats oder einer Strafanzeige mit Strafantrag auseinandersetzen muss.

 

Abgrenzung der beiden Ebenen

Manchmal ist Abgrenzung der beiden Ebenen nicht einfach. Entscheidendes Kriterium ist die Frage, ob Maria die behauptete Pflichtverletzung auch begangen haben könnte, wenn sie nicht Betriebsrätin wäre. 

Wirft die Arbeitgeberin Maria beispielsweise vor, sie sei zu spät zur Arbeit erschienen oder habe mangelhafte Teile produziert, ist dieses behauptete Fehlverhalten unabhängig von der Stellung als Betriebsrätin. Die anderen Mitarbeiter*innen hätten diese Pflichtverstöße genauso begehen können.

Lautet der Vorwurf dagegen, Maria habe Betriebsgeheimnisse offenbart, läge ein Pflichtverstoß vor, den sie nur in ihrer Funktion als Betriebsrätin  begehen kann. Dasselbe gilt, wenn sie gegen ihre Geheimhaltungspflichten nach dem Betriebsverfassungsgesetz verstoßen würde. Denn nicht gewählte Mitarbeiter*innen kommen zumindest legal nicht an die Betriebsgeheimnisse oder sonstige geheime Informationen heran, die sie offenbaren könnten.

 

Mischformen

Denkbar sind auch Mischformen beider Ebenen. Beleidigt Maria beispielsweise den Geschäftsführer bei Sozialplanverhandlungen grob, hat sie zwar in ihrer Funktion als  Betriebsrätin gehandelt. Da aber jede*r den Geschäftsführer beleidigen könnte, sind beide Ebenen berührt. Liegt eine solche Mischform vor, kann die Arbeitgeberin wählen, welche Sanktion sie verhängt.

 

Praktische Bedeutung

Wählt die Arbeitgeberin eine Sanktion, die nicht zur Ebene des angeblichen Fehlverhaltens passt, ist die Sanktion von vorn herein unwirksam. Eine wirksame Kündigung allein wegen eines kollektivrechtlichen Pflichtverstoßes kommt also niemals in Betracht.  Diese Sanktion ist auf der Ebene von kollektivrechtlichen Pflichtverletzungen nicht vorgesehen.

Spricht die Arbeitgeberin eine individualrechtliche Abmahnung wegen eines behaupteten Verstoßes auf der kollektivrechtlichen Ebene aus, kann die Sanktion keine Wirkung entfalten. Das gilt nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts auch dann, wenn ein Schreiben mit dem Titel „Abmahnung“ allein kollektivrechtliche Pflichtverletzungen rügt, aber am Schluss „arbeitsrechtliche Konsequenzen für den Wiederholungsfall“ androht. Diese Androhung kennzeichnet gerade eine individualrechtliche Abmahnung. Die Arbeitgeberin hat also die falsche Ebene mit der Folge gewählt, so dass die Abmahnung weder individual- noch kollektivrechtlich eine Wirkung entfalten kann.

Wie wirken sich die Sanktionen im Einzelnen aus?

Die einzelnen Sanktionen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Tragweite ganz erheblich.

Weitere Informationen

Quellen:

 

Bundesarbeitsgericht vom 09. 09. 2015, 7 ABR 69/13
Bundesarbeitsgericht vom 18. 02. 1993, 2 AZR 526/92
Bundesarbeitsgericht vom 21. 09. 1989, 1 ABR 32/89
Landesarbeitsgericht München vom 18.11.2009, TaBVGa 16/09
Arbeitsgericht Solingen vom 18.02.2016, 3 BV 15/15
Bundesarbeitsgericht vom 17.03.2010, 7 ABR 95/08

 

Autor:

 

Michael Wanner, Rechtsschutzsekretär und Online-Redakteur, Stuttgart

 

Praxistipp

Hier finden Sie die anwendbaren und zitierten gesetzlichen Normen rund um das Thema "Betriebsräte: Kampf gegen Sanktionen".