Der Urlaub im heutigen Sinn ist ein vergleichsweise neues Phänomen, das erst mit dem Beginn des industriellen Zeitalters Bedeutung erlangt hat. Die industrielle Fertigung machte eine Regulierung der Arbeitszeit notwendig. Sie ließ auch die Unterscheidung zwischen Arbeitszeit und Freizeit deutlicher hervortreten, als dies im vorindustriellen Zeitalter der Fall war. Für den Bauern oder den freien Handwerker richtete sich die Arbeit nach dem Jahreslauf und der Witterung mehr als nach der Stechuhr, erst diese teilte den Tag in bezahlte Arbeitszeit und unbezahlte Freizeit.
Urlaub als Ergebnis der Industrialisierung
Zudem entstand mit der maschinellen Massenfertigung der Fabrikarbeiter. Zum einen verlor dieser durch die gleichförmige und arbeitsteilige Tätigkeit den Bezug zum konkreten Arbeitsergebnis, weshalb die Arbeitszeit als Bezugsgröße der Beschäftigung an dessen Stelle trat. Zum anderen war der Beschäftigte als Teil der neu entstandenen Gruppe der Arbeiterbewegung in der Lage, seinen Anspruch auf genügend Freizeit wirkungsvoll zu formulieren und umzusetzen.
Der erste echte Urlaubsanspruch ergab sich deshalb auch nicht aus einem Gesetz, sonders aus Tarifverträgen. Zuvor wurden höchstens einige Tage bezahlte Freistellung im Jahr vom Arbeitgeber einseitig gewährt.
Tarifverträge führen Urlaub ein
Die erste tarifvertragliche Urlaubsregelung erstritt im Jahre 1903 der Zentralverband deutscher Brauereiarbeiter. Der Urlaub betrug drei Tage im Jahr. Entwicklungen in diese Richtung gab es zudem bei den Gemeinde- und den Staatsarbeitern, den Buchdruckern, den Transportarbeitern und den Eisenbahnern.
Erstmals im Jahre 1907 forderte der Buchdrucker Ludwig Rexhäuser im "Correspondenzblatt" der Gewerkschaften: "Erholungsurlaub für Arbeiter!" (zitiert nach Henrik Müller,
Die Geschichte des Erholungsurlaubs als Erfolg gewerkschaftlicher Tarifpolitik).
Erste Ansätze vor dem Ersten Weltkrieg
Politisch aufgegriffen wurde die Forderung nach bezahltem Urlaub für Arbeiter vom SPD-Abgeordneten Emanuel Wurm, als dieser am 28. Februar 1912 im Reichstag deutlich machte: "Man darf heute das Wort aussprechen, das vor Jahrzehnten noch mit einem Hohngelächter aufgenommen worden ist: Wir verlangen, dass die Arbeiter Ferien bekommen, Urlaub mit voller Zahlung des Lohns." (Müller, ebd.).
Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs sind dies jedoch die Stimmen einer kleinen Minderheit. Erst nach Kriegsende steigt die Zahl der Beschäftigten mit einklagbarem Urlaubsanspruch. Im Jahre 1929 gabt es schon 8.000 Tarifverträge, in denen bezahlter Erholungsurlaub geregelt wird, wenn es oft auch nur wenige Tage sind(Müller, ebd.).
Bundesurlaubsgesetz
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges findet sich in vielen Landesverfassungen das Recht auf einen Mindesturlaub von zwei Wochen, das Grundgesetz greift dies jedoch 1949 nicht auf. Der Urlaubsanspruch wird stattdessen erst 1963 mit dem Bundesurlaubsgesetz geschaffen, das allen Arbeitnehmer*innen einen Mindesturlaub von drei Wochen zusichert.
Tarifverträge setzen Standards
In den sechziger und siebziger Jahren gelingt es den Gewerkschaften zudem in fast allen Branchen, den gesetzlichen Mindesturlaub durch tarifrechtliche Regelungen auszudehnen: 1975 haben fast die Hälfte der Arbeitnehmer*innen Anspruch auf vier Wochen Tarifurlaub. 1977 beträgt der durchschnittliche Anspruch auf Tarifurlaub 24 Tage (Müller, ebd.).
In der holzverarbeitenden Industrie kann die Gewerkschaft Holz und Kunststoff 1962 zudem erstmals ein zusätzliches Urlaubsgeld durchsetzen. Dies gelingt den Gewerkschaften später auch für viele andere Branchen, 1966 zum Beispiel für die gewerblichen Beschäftigten der Druckindustrie, 1971 im Einzel- und im Großhandel, 1977 im öffentlichen Dienst. Im Jahre 2012 erhalten 59 Prozent aller Beschäftigten mit Tarifbindung zusätzliches Urlaubsgeld(Müller, ebd.).
Im Winter 1978/79 setzten die Beschäftigten der westdeutschen Eisen- und Stahlindustrie den Anspruch auf sechs Wochen Tarifurlaub in der Stahlindustrie durch, was heute in fast allen tarifgebundenen Branchen und Betrieben Standard ist (Müller, ebd.).
Der gesetzliche Urlaubsanspruch beträgt dagegen vier Wochen, wobei der Gesetzgeber von einer sechs-Tage-Woche ausgeht.
Europa- und Völkerrechtliche Vorgaben
Damit entspricht der gesetzliche Urlaub den europäischen Vorgaben aus der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG des Rates vom 23.11.1993. Diese verpflichtet sich in Artikel 7 die Mitgliedstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen erhält.
Auch aus dem Völkerrecht ergibt sich ein Anspruch auf einen Mindesturlaub, dieser liegt aber gemäß Art. 3 des Übereinkommens Nr. 132 der ILO über den bezahlten Jahresurlaub (Neufassung vom Jahre 1970) nur bei drei Wochen. Danach hat jede Person Anspruch auf einen bezahlten Jahresurlaub von einer bestimmten Mindestdauer, der Urlaub darf auf keinen Fall weniger als drei Arbeitswochen für ein Dienstjahr betragen.
Urlaub im Vergleich
Durch die europa- und völkerrechtlichen Vorgaben bestehen in Europa ähnliche Urlaubsansprüche. Im weltweiten Vergleich geht die Urlaubsdauer dagegen weiter auseinander. Die Anzahl der gesetzlichen Urlaubstage liegt zwischen 30 Tagen in Brasilien, Finnland und Frankreich und zehn Tagen in China und Kanada (Quelle www.statista.com, Stand 2014).
Dabei liegt Deutschland mit zwanzig gesetzlichen Urlaubstagen weltweit im Mittelfeld, gleichauf mit Australien Belgien Irland Italien, Lettland, Japan, Neuseeland, den Niederlanden, der Schweiz, der Slowakei, Slowenien, der Tschechischen Republik und Zypern.
Weltmeister nur mit Tarifvertrag
Einen geringeren Urlaubsanspruch haben nur die nichteuropäischen Länder Südkorea (19) Taiwan (15), Hong Kong und Singapur (14), Indien (12) und die USA (11).
Die übrigen Länder liegen bezüglich der Urlaubstage zwischen zwanzig und dreißig Tagen (Rumänien und Südafrika 21; Portugal und Spanien 22; Ungarn 23; Malta 24; Dänemark, Griechenland, Luxemburg, Norwegen, Österreich und Schweden 25; Polen 26; Großbritannien, Litauen und Russland 28).
Vor dem Hintergrund dieser Zahlen wird klar, dass sich der der Ruf Deutschlands als „Urlaubsweltmeister“ nicht aus dem gesetzlichen Anspruch ergibt, der nur so hoch ist, wie es das Europarecht ohnehin vorschreibt. Einen „weltmeisterlichen“ Anspruch hat nur, wer von den Regeln eines Tarifvertrages profitiert.
Dr. Till Bender - Rechtsschutzsekretär und Onlineredakteur – Bamberg
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