Kleider machen Leute? - Was darf mir der Chef vorschreiben?
Kleider machen Leute? - Was darf mir der Chef vorschreiben?

Zunächst einmal ist klar, dass alles, was der Sicherheit dient und rechtlich vorgeschrieben ist, natürlich angezogen werden muss. Arbeitsschuhe als Bauarbeiter, das dürfte klar sein. Ebenso die Schutzbrille als Chemiewerker. Aber was ist, wenn der Chef mich zwingen will, bestimmte Kleidungsstücke anzuziehen? Darf er mir meine Unterwäsche vorschreiben?

Mit und ohne Betriebsrat

Zunächst macht es einen Unterschied, ob im Betrieb ein Betriebsrat besteht oder nicht. Im günstigeren Fall des Betriebes mit Betriebsrat hat der Gesetzgeber geregelt, dass es ein Mitbestimmungsrecht gibt. Der Betriebsrat darf also mitreden.

Sollten sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht einigen, kommt die sogenannte Einigungsstelle in Betracht. Dies ist in aller Regel mit hohen Kosten für den Arbeitgeber verbunden, weswegen hier schon eine größere Einigungsbereitschaft beim Arbeitgeber besteht. Sollte diese aber doch einmal nicht gegeben sein, entscheidet die Einigungsstelle.

Aber was passiert ohne Betriebsrat? Viele Sparten kennen eine Kleiderordnung. Kaum denkbar ist es, dass ein Schalterbediensteter einer Bank im Flecktarn-Anzug einer Armeeuniform bedient.

Vorschriften zur Kleiderordnung stellen immer einen Eingriff in die Rechte der Arbeitnehmer dar, die im Grundgesetz geregelt sind. Hier gilt das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Will der Arbeitgeber hier bestimmen, muss er seine Interessen mit denen der Arbeitnehmer genau abwägen.

Der Arbeitgeber hat durchaus Interesse eines einheitlichen Erscheinungsbildes. Hier kommt es aber auch auf das Umfeld an, in welchem die Arbeitnehmer tätig sind. Stellen sie das Unternehmen nach außen hin dar, darf der Eingriff stärker sein, als wenn diese lediglich im Innendienst ohne Kundenkontakt stehen. Einheitliche Oberbekleidung einer Supermarktkette ist daher wohl zulässig.

Unterwäsche?

Aber auch die Unterwäsche? Hier sagt das Gericht---- ja! Denn mit dieser Thematik musste sich das Landesarbeitsgericht Köln (Az.: 3 TaBV 15/10) auseinandersetzen und kam zu folgendem Ergebnis:

Der Arbeitgeber darf die Farbe der Unterwäsche dann vorschreiben, wenn ansonsten kein einheitliches Erscheinungsbild gewährleistet ist oder die Kleidung zu sexy ist. Beispielsweise ein roter oder schwarzer BH, der sich unter dem weißen T-Shirt klar abzeichnet. Hier kann der Arbeitgeber verlangen, nur weiße oder hautfarbene Unterwäsche zu tragen. 

Dies zumindest dann, wenn es sich um Sicherheitsmitarbeiterinnen handelt. Das LAG Köln fand es sogar rechtens, wenn der Arbeitgeber vorschreibt, dass überhaupt Unterwäsche getragen werden muss. Hier zu verallgemeinern findet der Autor jedoch bedenklich. Ob einer Frau ein BH oder Bustier vorgeschrieben werden kann, muss vom Einzelfall abhängig sein. Nicht jede Frau kommt mit einem BH zurecht. Es gibt Untersuchungen von Sportmedizinern zur Frage der Gesundheit, insbesondere Brustkrebs beim Tragen von BHs. Wenn aber ohne Unterwäsche „zu viel zu sehen ist“, wird das Tragen eines Unterhemdes nach der Sicht der Kölner Richter wohl vorgeschrieben werden können.
 

Verständlicherweise gibt es hierzu keine klaren Regeln, vieles ist im Fluss und ist auch von den äußeren Umständen abhängig. Das Dirndl einer Bedienung eines bayerischen Biergartens wird anders zu beurteilen sein, wenn es bei einer Versicherungsgesellschaft getragen wird.

Im Wandel der Zeit

Kleiderordnungen wandeln sich im Laufe der Zeit. Vor noch hundert Jahren war das Tragen von Hosen für Frauen fast undenkbar, heute kaum zu glauben. Auch kulturelle Unterschiede spielen eine Rolle. Was in Japan gültig ist, muss noch lange nicht in Deutschland gelten.

Grundsätzlich kann der Arbeitgeber Kleidungsvorschriften machen.

Aber was passiert, wenn diese vorgeschriebene Kleidung, sagen wir einmal, etwas bedenkliche Eigenschaften hat?

„Doppelweck unterm T-Shirt“ oder Sex sells?

Folgender Fall lag der Gewerkschaft NGG vor: Eine Angestellte einer Bäckerei bekam von ihrem Arbeitgeber vier T-Shirts als Arbeitskleidung gestellt. Weil sie diese nicht trug, erhielt sie eine Abmahnung.

Der Arbeitgeber darf aus Gründen der Hygiene und wegen des einheitlichen Erscheinungsbildes eine einheitliche Bekleidung vorschreiben. Diese Interessen sind gewichtiger als das Interesse der Angestellten auf Individualität. Diese Bekleidung darf auch mit einem Firmenlogo und Werbung für die Firma versehen sein.

Nur hatte hier der Chef auf die Vorderseite der T-Shirts den Aufdruck „100 % Natur“ und „Paarweck“ anbringen lassen. Ein Schuft, wer hier etwas Zweideutiges vermutet? Es war leider nicht mehr herauszufinden, ob der Chef sich von der hundertprozentigen Natürlichkeit überzeugt hat. Klar ist aber, dass hier eine sexistische Werbung mit der weiblichen Brust beabsichtigt war. Die Abmahnung führte zu einer Gegendarstellung und insgesamt zu einer Lösung. Der Autor geht aber davon aus, dass die Gerichte der Arbeitnehmerin Recht gegeben hätten.

Enge Dienstbluse

Einen weiteren Fall hatte der Autor vor einigen Jahren zu bearbeiten. Auch hier hat der Chef eine einheitliche Dienstkleidung, nämlich eine weiße Bluse vorgeschrieben, die an sich nicht zu beanstanden war und auch von der Arbeitnehmerin getragen worden wäre, wenn sie nicht viel zu eng gewesen wäre. 

Die Dienstbluse hatte sich derart vor der Brust gespannt, dass vielfältige Blicke auf die Unterwäsche der Arbeitnehmerin möglich waren. Auch hier wurde das Problem der Abmahnung gelöst, ohne dass sich ein Gericht damit befassen musste. Auch hier geht der Autor davon aus, dass die Arbeitnehmerin vor Gericht Recht bekommen hätte. Angemerkt werden darf noch, dass der Chef bei der genannten Kollegin mehrere anzügliche Bemerkungen gemacht hat und daher sein „Ziel“ klar erkennbar war.

Der Arbeitgeber kann also Dienstkleidung vorschreiben, aber nur, wenn er daran ein wichtiges Interesse hat, das dem Interesse der Beschäftigten überwiegt. Da aber Kleidung sehr vielfältig sein kann, ist jeder Fall einzeln zu prüfen. Der Arbeitgeber tut gut daran, hier sehr genau abzuwägen, bevor er tätig wird.

Der Arbeitsvertrag

Auch in Arbeitsverträgen finden sich Vorschriften für Dienstkleidung. 

Allgemeine Vorschriften wie „angemessene Kleidung“ sind dehnbar und kaum problematisch, aber konkrete Anweisungen müssen nicht unbedingt zulässig sein. 

Selbst dann nicht, wenn der Arbeitsvertrag unterschrieben wurde. Hier wird eine Rechtsberatung empfohlen. Insbesondere dann, wenn die Vorschriften zu eng sind und auch außerhalb des „Üblichen“ liegen.

Kosten für Dienstkleidung?

Wer muss diese Dienstkleidung bezahlen? Bei Betrieben mit Betriebsrat wird davon ausgegangen, dass eine Lösung nicht zu Lasten der Belegschaft geht.

Aber ohne Betriebsrat? Die Kosten für die Dienstkleidung darf nur in geringem Maße dem Arbeitnehmer aufgebürdet werden. Er kann dann einen Anspruch auf Übernahme eines Aufwendungsersatzes haben. Beispielsweise wenn die Kosten für Reinigung höher sind, als wenn dies für private Kleidung der Fall gewesen wäre.

Was tun, wenn ich mit meiner Dienstkleidung nicht einverstanden bin?

Die Kleiderordnung hängt von vielen Faktoren ab. Entscheidend sind das Umfeld, die Erwartung bei bestimmten Tätigkeiten und auch die spezielle Art der Kleidung oder des Körperschmucks.

Eine zu strikte Anweisung sollte niemand ohne rechtliche Prüfung hinnehmen. Hilfe bekommen ratsuchende Arbeitnehmer*innen bei ihrer Gewerkschaft.

Lesen sie zu diesem Thema auch unsere Artikel


Im Praxistipp:
Für die weitergehend Interessierten: § 87 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)

Rechtliche Grundlagen

§ 87 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)

Betriebsverfassungsgesetz
§ 87 Mitbestimmungsrechte

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
1. Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3. vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4. Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5. Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6. Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7. Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8. Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9. Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10. Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11. Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12. Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13. Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt.
(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.