Dass ein Arbeitgeber „Kündigungsschutzklage“ gegen eine/n Arbeitnehmer*in erhebt, ist eher ungewöhnlich. Ebenso selten ist, dass längere als die gesetzlichen Kündigungsfristen von Arbeitnehmer*innen als Belastung angesehen werden. Aber auch die Begeisterung für einen „sicheren“ Arbeitsplatz hat Grenzen.
„Spionage-Software“ gegen die eigenen Arbeitnehmer*innen
Hier war ein Speditionskaufmann bei einer Speditionsgesellschaft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 45 Stunden und zu einer Vergütung von 2.400 € zuzüglich Provisionen beschäftigt.
Anlass für die Eigenkündigung des Arbeitnehmers war ein Programm namens „PC-Agent“, dass der Arbeitgeber über den zentralen Server auf allen PC-Arbeitsplätzen installiert hatte. Ohne die Mitarbeiter darüber zu informieren und ohne, dass die Installation bei normaler Nutzung des PC erkannt werden kann. Mit diesem Programm können unter anderem alle Tastaturanschläge, Mausklicks, Benutzeran- und -abmeldungen, besuchte Websites, Formulardaten, empfangene und gesendete E-Mails sowie Passwörter und Authentifizierungen protokolliert werden.
Nachdem ein Mitarbeiter dieses Programm nach fast 2 Jahren auf seinem PC entdeckt hatte, kündigten innerhalb weniger Tage sechs von sieben Beschäftigten unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist.
Wie lang darf die Kündigungsfrist für Arbeitnehmer*innen sein?
Dagegen klagte der Arbeitgeber, weil im Arbeitsvertrag eine Kündigungsfrist für beide Seiten von 3 Jahren vereinbart war. Außerdem war der Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag verpflichtet, bei vorzeitiger, vertragswidriger Beendigung eine Vertragsstrafe von 2 Bruttomonatsgehältern zu zahlen.
Das Landesarbeitsgericht hat diese vertragliche Kündigungsfrist als missbräuchlich und als unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers und damit als unangemessen beurteilt.
Nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind vorformulierte Vertragsbedingungen auch in Arbeitsverträgen unangemessen, wenn der Arbeitgeber durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Arbeitnehmers durchzusetzen versucht. Zumindest, wenn dabei nicht auch dessen Belange ausreichend berücksichtigt und ihm ein angemessener Ausgleich gewährt wird.
Das Gericht hat das im vorliegenden Fall damit begründet, dass eine dreijährige Kündigungsfrist in der Praxis dazu führt, dass ein/e Arbeitnehmer*in einen nahtlosen Übergang in ein anderes Arbeitsverhältnis überhaupt nicht mehr planen kann.
Berufsfreiheit gegenüber Arbeitsplatzsicherheit
Denn es gibt praktisch keine Arbeitsstellen, die drei Jahre im Voraus ausgeschrieben sind, so dass die/der Arbeitnehmer*in immer das Risiko tragen würde, nach einer Eigenkündigung nicht nur ohne neuen Arbeitsplatz dazustehen, sondern zudem auch noch während einer Sperrzeit kein Arbeitslosengeld zu erhalten.
Aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit folgt, dass einem/r Arbeitnehmer*in der Wechsel eines Arbeitsplatzes nicht unzumutbar erschwert werden darf. Unter Berücksichtigung der konkreten Situation konnte das Landesarbeitsgericht hier keine Gründe erkennen, die eine so lange Kündigungsfrist für den Arbeitgeber erforderlich und den Arbeitnehmer zumutbar machen würden.
Das BAG hatte in einem anderen Fall entschieden, dass eine Kündigungsfrist von zwei Monaten jeweils zum 31.Juli eines Jahres keine unangemessene Benachteiligung der Arbeitnehmer*in darstelle. Ob das auch bei einer 3-jährigen Frist noch gelten kann, darüber muss sich das Bundesarbeitsgericht jetzt Gedanken machen: Die Revision gegen das hier besprochene Urteil hat der Arbeitgeber bereits eingelegt.