Private Internet-Nutzung am Arbeitsplatz
Maria ist Fremdsprachenkorrespondentin. Sie arbeitet in der Exportabteilung eines mittelständigen Betriebs. Nachdem sie einen Auftrag erledigt hat, schaut sie auf die Homepage eines Reisebüros. Sie findet ein interessantes Angebot und bucht kurz entschlossen eine Reise. Die Anzahlung erledigt Maria per Online-Banking.
Nur interessehalber schaut sie nach, welches Wetter für ihr Urlaubziel vorausgesagt wird. Als Marias Blick auf die Wanduhr fällt, stellt sie überrascht fest, dass sie über eine Stunde im Netz war.
Ob Maria deshalb arbeitsrechtliche Konsequenzen zu befürchten hat, hängt davon ab, ob die private Internet-Nutzung an ihrem Arbeitplatz
- erlaubt,
- geduldet oder
- verboten ist.
Erlaubte Internet-Nutzung
Ist die private Internet-Nutzung ausdrücklich und uneingeschränkt erlaubt, hat Maria nichts zu befürchten. Eine solche Erlaubnis ergibt sich aus einer speziellen Regelung im Arbeitsvertrag oder aus einer Betriebvereinbarung.
Marias Arbeitgeberin darf die Erlaubnis jederzeit eingeschränken, beispielsweise auf eine halbe Stunde pro Tag. Wenn Maria diese Grenze überschreitet, ist sie so zu behandeln, als ob ein Verbot vorläge.
Geduldete Internet-Nutzung
Eine Duldung liegt vor, wenn die Arbeitgeberin weiß, dass Maria sich regelmäßig privat im Netz tummelt, aber nichts dagegen unternimmt. In diesem Fall braucht Maria ihr Verhalten auch in Zukunft nicht zu ändern.
Eine Duldung erstreckt sich aber immer nur auf einen angemessenen zeitlichen Umfang. Was „angemessen“ ist, hängt von den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls ab.
Wenn die Arbeitgeberin vor dem Arbeitsgericht bestreitet, von Marias privatem Surfen etwas gewusst zu haben, muss Maria das Gegenteil beweisen. Gelingt ihr das nicht, ist sie ebenfalls so zu behandeln, als ob ein Verbot bestehen würde. Dasselbe gilt, wenn Maria den angemessenen zeitlichen Rahmen überschreitet.
Verbotene Internet-Nutzung
Ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung, dass private Internet-Nutzung verboten ist, stellt jeder Verstoß gegen dieses Verbot eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar.
Diese Pflichtverletzung kann grundsätzlich eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Dasselbe gilt für den in der Praxis häufigen Fall, dass die Arbeitgeberin weder ein Verbot, noch eine Erlaubnis ausgesprochen hat.
Im Zweifel - so das Bundesarbeitsgericht (BAG) - ist davon auszugehen, dass private Internet-Nutzung verboten ist.
Ordentliche Kündigung wegen privater Internet-Nutzung
Die Arbeitgeberin ist berechtigt, Maria wegen privater Internet-Nutzung ordentlich zu kündigen. Das Arbeitsverhältnis endet dann nach dem Ablauf der Kündigungsfrist. Voraussetzung ist, dass Maria zuvor abgemahnt wurde.
Eine Abmahnung ist jedoch in zwei Fällen überflüssig. Zum einen, wenn die private Nutzung des Internets in einem solchen Ausmaß erfolgt, dass Maria nicht annehmen darf, diese sei vom Einverständnis der Arbeitgeberin gedeckt. Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil vom 06.05.2014 - 1 Sa 421/13
Zum anderen ist die Abmahnung entbehrlich, wenn die Warnfunktion der Abmahnung ins Leere liefe. Erklärt Maria beispielsweise lauthals, sie surfe, wann und wie lange sie wolle, egal, was ihre Arbeitgeberin sage, ist es sinnlos, sie abzumahnen.
Pflichtverletzungen
Maria begeht bei einer privaten Internet-Nutzung möglicherweise verschiedene Pflichtverletzungen:
- Statt zu arbeiten, bewegt sie sich im Internet, sie verletzt also ihre Hauptleistungspflicht,
- sie setzt ihre Arbeitgeberin der Gefahr aus, dass die Elektronische Datenverarbeitung durch Viren oder andere Störungen beeinträchtigt wird,
- sie lädt Daten, bei deren Rückverfolgung der Ruf des Arbeitgebers geschädigt wird, beispielsweise weil sie strafbare oder pornografische Darstellungen enthalten, oder
- sie benutzt unberechtigt Betriebsmittel.
Alle diese Pflichtverletzungen können eine ordentliche Kündigung rechtfertigen.
Nach der Rechtsprechung des BAG darf nur eine „erhebliche Beeinträchtigung“ der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung zur ordentlichen Kündigung führen.
Das Gericht stellt keine allgemeinen Kriterien dafür auf, wann eine Beeinträchtigung erheblich ist. Es weist aber darauf hin, dass die Pflichtverletzung umso schwerer wiegt, „je mehr der Arbeitnehmer bei der privaten Nutzung des Internets seine Arbeitspflicht in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht vernachlässigt“. Bundesarbeitsgericht Urteil vom 27.04.2006, Az.: 2 AZR 386/05
Rechtfertigungsversuche
Maria könnte versuchen, ihr Surfen zu rechtfertigen, indem sie behauptet:
- "Ich war nur in meiner Pause im Internet!“ oder
- „Ich werde die versäumte Arbeit nachholen!“ oder
- „Ich habe nur gesurft, weil ich nichts mehr zu tun hatte!“
Alle drei Argumente werden Maria kaum helfen: Selbst wenn Maria nur während ihrer Arbeitspausen surft, schleppt sie vielleicht Viren ein und schädigt unter Umständen den Ruf der Arbeitgeberin.
Maria kann also auch gekündigt werden, wenn sie das Internet nur während ihrer Pause privat nutzt. Unschädlich ist aber, wenn sie in ihrer freie Zeit auf ihrem eigenen Smartphone oder Tablet surft.
Es nützt Maria auch nichts, sich damit herausreden, sie habe vorgehabt, die versäumte Arbeit nachzuholen. Die Arbeitspflicht muss innerhalb eines festgelegten Zeitraums erfüllt werden. Nach Marias üblichem „Feierabend“ ist dieser Zeitraum verstrichen. Sie darf nur nacharbeiten, um eine Kündigung zu vermeiden, wenn ihre Arbeitgeberin damit einverstanden ist. Ist sie es nicht, hat Maria auch keinen Anspruch darauf, für die Zeit bezahlt zu werden, in der sie nicht gearbeitet hat.
Die Behauptung Marias, sie habe nur gesurft, weil sie „nichts zu tun gehabt habe“, führt selten weiter. Wenn feststeht, dass Maria das Internet privat genutzt hat, muss sie beweisen, dass ihre Arbeitgeberin ihr nicht genügend Arbeit zugewiesen hat (BAG vom 27.04.2006 - 2 AZR 386/05). Das wird Maria in aller Regel sehr schwer fallen.
Außerordentliche, fristlose Kündigung wegen privater Internet-Nutzung
In besonders gravierenden Fällen ist sogar eine außerordentliche, fristlose Kündigung möglich. Dann endet das Arbeitsverhältnis in dem Moment, in dem Maria das Kündigungsschreiben bekommt.
Ein besonders gravierender Fall liegt beispielsweise bei einer „ausschweifenden Nutzung“ des Internets (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 07.07.2005 2 Az.: AZR 581/04 ) oder beim Herunterladen „umfangreicher pornografische Dateien“ (Arbeitsgericht Frankfurt a.M. Urteil vom 02.01.2002 Az.: 2 Ca 5340/01) vor.
In diesen Fällen besonders schwerer Pflichtverletzungen muss die Arbeitgeberin Maria vor der Kündigung nicht abmahnen. Voraussetzung bleibt aber, dass der Arbeitgeberin nicht zuzumuten ist, Maria bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen.
Schadenersatzpflicht
Wenn Maria durch private Internet-Nutzung arbeitsvertragliche Pflichten verletzt hat, ist ihre Arbeitgeberin grundsätzlich berechtigt, Schadensersatz von ihr verlangen.
Bedingung dafür ist, dass der Arbeitgeberin ein finanzieller Schaden entsteht. Zusätzlich muss Marias Pflichtverletzung die Ursache für diesen Schaden sein. Dieser Ursachenzusammenhang wird nur in Ausnahmefällen nachweisbar sein.
Überwachung von Bildschirmarbeit
Um zu erfahren, ob Maria privat im Internet surft, könnte ihre Arbeitgeberin sie bei der Bildschirmarbeit überwachen.
In einem Kündigungsschutzprozess dürfen Tatsachen, die eine solche Überwachungsmaßnahme zu Tage gefördert hat, jedoch nur eingeschränkt verwertet werden. Durch die Maßnahme greift die Arbeitgeberin in Marias Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein.
Das Gericht darf die betreffenden Tatsachen nur für sein Urteil verwerten, wenn dieser Eingriff rechtmäßig ist. Das ist nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 27.03.2003 - 2 AZR 51/02 nur der Fall, wenn „der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht“.
Eine Überwachung ohne vorherigen konkreten Verdacht ist nicht zulässig.
Darüber hinaus ist eine Überwachung nur rechtmäßig, wenn weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind.
Vergleiche zu diesem Themenkomplex: