In Italien hat eine Arbeitnehmerin Sonderurlaub erhalten, weil ihr Hund krank war. Ist so etwas auch in Deutschland möglich?
In Italien hat eine Arbeitnehmerin Sonderurlaub erhalten, weil ihr Hund krank war. Ist so etwas auch in Deutschland möglich?


Eine allein lebende Universitätsangestellte in Italien hatte zwei Tage bezahlten Sonderurlaub beantragt und schwerwiegende familiäre Gründe angegeben. Ihr Hund war ernst erkrankt und musste sofort operiert werden.

In Italien droht hohe Strafe für den, der seine Haustiere schwer leiden lässt.

Der Arbeitgeber gab ihr die beantragten zwei Tage frei, zog jedoch diese zwei Tage vom Jahresurlaub ab.

Dagegen wehrte sich die Angestellte mit Hilfe der Tierschutzorganisation LAV mit Erfolg. Sie bekam letztlich zwei Tage bezahlten Sonderurlaub, der Abzug vom Urlaubskonto wurde rückgängig gemacht.

Die Frau berief sich auf ein italienisches Gesetz in dem eine schwere Strafe bei Missachtung des Tierwohls verankert ist: 10.000 € Bußgeld oder bis zu einem Jahr Haft können auf Besitzer zu kommen, wenn sie ihre Haustiere „schwer leiden “lassen.

Grundsatz im Arbeitsverhältnis: ohne Arbeitsleistung kein Lohn

Das Arbeitsverhältnis ist ein Austauschverhältnis Arbeit gegen Lohn. Das heißt der Lohnanspruch entsteht durch die Arbeitsleistung, ohne Leistung gibt es keinen Lohn.
 

Ansprüche können sich aber aus Gesetzen, aber auch aus betrieblicher Übung, tariflichen Regelungen, Betriebsvereinbarungen oder aus dem Arbeitsvertrag ergeben.

Bei Krankheit des Arbeitnehmers ergibt sich aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz, dass der Arbeitnehmer ein Recht auf sechswöchige Lohnfortzahlung hat. Das Bundesurlaubsgesetz regelt, dass jeder Beschäftigte Anspruch auf mindestens vier Wochen bezahlten Urlaub im Kalenderjahr hat. Viele Arbeitsverträge oder Tarifverträge sehen höre Urlaubsansprüche vor.

Wenn das kranke Kind gepflegt werden muss, gibt es Regelungen

Wegen eines kranken Kindes können sich Arbeitnehmer von der Arbeit freistellen zu lassen. Die Freistellung ist möglich, wenn das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, keine andere Person des Haushalts das Kind beaufsichtigen, betreuen oder pflegen kann und ein Arzt bescheinigt hat, dass die Betreuung notwendig ist.

Der Anspruch besteht pro beschäftigtem Elternteil im Umfang von zehn Tagen. Alleinerziehende sogar haben dementsprechend Anspruch auf 20 Tage. Während der Freistellung besteht ein Anspruch auf Krankengeld.

Arbeitnehmern wird außerdem das Recht eingeräumt, der Arbeit kurzfristig von bis zu zehn Arbeitstagen fernzubleiben, wenn dies erforderlich ist, um einen nahen, pflegebedürftigen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation zu pflegen oder eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren.

Der Pflegebedarf muss dem Arbeitgeber gegenüber durch ein Attest nachgewiesen werden. Einen gesetzlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gibt es hier nicht, auch keine Leistung der Krankenkasse.

Wenn keine Ansprüche auf Entgeltfortzahlung gegenüber dem Arbeitgeber bestehen (zum Beispiel durch Zusage im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung) kann Pflegeunterstützungsgeld nach § 44a abs. 3 SGB XI bei der Pflegekasse beantragt werden. Dies ist eine Lohnersatzleistung der Pflegeversicherung.

§ 616 BGB: bezahlter Sonderurlaub bei vorübergehender Verhinderung.

Jeder hat schon mal gehört oder erlebt, dass es zusätzlich frei gibt für Ereignisse in der Familie wie Tod, Hochzeit oder Geburt. Aber wie ist das genau? Das Gesetz regelt weder Einzelheiten noch die Dauer.

Nur, dass es sich für den Arbeitnehmer um einen in der persönlichen Sphäre liegenden Grund handeln muss. Also nicht das Schneegestöber, das haben die anderen Arbeitnehmer auch. Die Verhinderung darf nur für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit und nicht schuldhaft eingetreten sein.

In vielen Arbeits- oder Tarifverträgen stehen konkrete Regelungen, wann jemand bei vorrübergehender Verhinderung zusätzliche bezahlte freie Tage erhält und wie viele er in Anspruch nehmen kann.

Die Anwendung des § 616 BGB kann ausgeschlossen werden.

Die Vorschrift des § 616 BGB ist abdingbar, wie das Juristen nennen: Schließt der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag die Anwendung aus, gibt es kein Anspruch auf bezahltes Sonderfrei.

Eine solche Klausel könnten lauten: „Die Entgeltfortzahlung auf Grund vorübergehender Verhinderung ist ausgeschlossen/ein Vergütungsanspruch besteht nur für tatsächlich geleistete Arbeit/ die Regelungen des § 616 BGB werden abbedungen/ gelten nicht, kann die Anwendung ausgeschlossen werden mit der Folge, dass kein bezahlter Anspruch auf bezahlte Freistellung besteht.“

Beispiel: Frau Neumann lebt allein und hat einen Hund. Der normale Tages- und Arbeitsablauf ist so geregelt, dass sie die Betreuung ihres geliebten Familienmitglieds gewährleisten kann. Ihr Arbeitsvertrag enthält nichts zu § 616 BGB, ein Tarifvertrag gilt nicht.

Ihr Hund hat sich beim Spielen verletzt. Sie war nach der Arbeit noch beim Tierarzt und der will den Hund so schnell wie möglich operieren.

Hund muss dringend operiert werden

Ein Anspruch besteht, wenn es Frau Neumann aus übergeordneten rechtlichen oder sittlichen Gesichtspunkten nicht zumutbar wäre, ihren Pflichten aus dem Dienstverhältnis nachzukommen. Jeder Tierhalter, der sein Tier als Familienmitglied empfindet, wird genau diesen Tatbestand als erfüllt ansehen.

Auch nach deutschem Tierschutzrecht muss der Tierhalter für die ausreichende medizinische Versorgung des eigenen Haustieres sorgen. Die Tierschutz-Hundeverordnung regelt, dass der Hund unter Berücksichtigung des der Rasse entsprechendem Bedarfs regelmäßig zu pflegen und für seine Gesundheit Sorge zu tragen ist.

Der Gesetzgeber hat mit § 616 BGB klargestellt, dass er Zwangslagen des Arbeitnehmers durchaus berücksichtigt und in besonderen Fällen, das finanzielle Risiko dem Arbeitgeber aufbürdet.

Typische Fälle sind etwa ein dringender Arztbesuch aufgrund akuter Beschwerden. Etwa wenn man sich eine Rückenspritze abholt und danach wieder arbeitet, Wohnungseinbruch oder -brand, Vorladungen bei Gerichten, aber auch familiäre Ereignisse. 

Selbstbeurlaubung? Todsünde des Arbeitsrechts

Als Todsünde des Arbeitsrechts nannten Arbeitsrichter es schon mal, wenn Arbeitnehmer trotz nicht gewährten Urlaub der Arbeit fernbleiben. Dies wurde als grobe arbeitsvertragliche Pflichtverletzung gesehen.

Frau Neumann sollte also auf keinen Fall einseitig sagen „ich nehme für die zwei Tage Urlaub“. Urlaub muss der Arbeitnehmer beantragen, er muss nicht in jedem Fall bewilligt werden.

Und was ist, wenn Frau Neumann keinen Urlaub mehr hat? Sie sollte die persönliche Notlage schildern und Freistellung beantragen. Frau Neumann bekäme aber gerne entsprechend dem italienischen Fall auch diese Freistellung bezahlt. Eine gerichtliche Entscheidung darüber dauert viel zu lange.

Im Eilverfahren wird nur über Freistellung und nicht über Bezahlung entschieden.

In einem gerichtlichen Eilverfahren würde das Gericht nur darüber entscheiden, ob der Arbeitnehmer der Arbeit fernbleiben darf, nicht aber über die Bezahlung.

Muss der Arbeitgeber wenigstens freistellen? Auch hier wird es wieder eine Abwägung von Interessen geben. Sind dringende Aufträge zu erledigen? Haben die Kollegen Urlaub? Ist das Büro dann nicht besetzt? Muss es die komplette gewünschte Dauer sein?

Die Zwangslage für den Arbeitnehmer kann der Arbeitgeber nicht einfach vom Tisch wischen. Frau Neumann will, darf und kann sich nicht über das Tierwohl hinwegsetzen. Einen solchen Fall hat die Autorin in der Rechtsprechung nicht finden können.

Arbeitsgerichte sind angehalten, eine gütliche Regelung zu erwirken

Im Fall von Frau Neumann hat die tierliebe Ehefrau des Chefs die rettende und vermittelnde Idee: Frau Neumann fährt ihren Hund zum Tierarzt. Während der OP und der Narkose kann sie für ihren Liebling nichts tun und geht arbeiten. Sie arbeitet also so lange, bis sie ihn wieder abholen kann.

Am nächsten Tag bleibt sie zu Hause. Weil aber so viel zu tun ist, erklärt sie sich bereit, die ausgefallenen Stunden, in den nächsten Tage nachzuarbeiten. Ein solcher Vorschlag wäre auch vom Arbeitsgericht zu erwarten, wenn es zu einer mündlichen Verhandlung käme.

Abwandlung: Bei der Morgenrunde vor der Arbeit wird Frau Neumanns Liebling von einem freilaufenden Hund böse gebissen. Frau Neumann fährt in Panik in die nächste Tierklinik und ruft ihren Arbeitgeber nur kurz an um zu sagen, dass sie heute wegen dieser Notlage nicht kommen kann.

Der Arbeitgeber wird hier keine Sanktion verhängen können also keine Abmahnung wegen unentschuldigten Fehlens. Geld für die nicht gearbeiteten Stunden kann Frau Neumann aber auch nicht erwarten.

Fazit

Auch in Deutschland darf man ein Tier nicht leiden lassen. Solange nicht strengere Schutzvorschriften für Tiere bestehen, vermutet die Autorin, werden Richter der Notlage derart gerecht werden, dass der Arbeitnehmer von der Arbeit für die erforderliche Zeit freigestellt wird, der Arbeitgeber aber nicht bezahlen muss.

Dies eventuell auch, weil eine Abgrenzung zu anderen Tieren schwerlich gezogen werden kann. Ist es etwas anderes, wenn eine Katze erkrankt, oder das geliebte Meerschweinchen, oder der Wellensittich?

Also Freistellung bei Zwangslage ja, Bezahlung nein. Praktisch werden solche Fälle häufig durch nachträgliche Urlaubsgewährung (also bezahlt) gelöst. Das ist im Urlaubsrecht nicht so vorgesehen, aber es scheint den Parteien so gerecht zu werden, denn Streitigkeiten gab es in unserem Büro in Düren immer nur bei Zwangsbeurlaubung durch den Arbeitgeber, weil dieser zum Beispiel keinen Einsatz für den Arbeitnehmer hatte.

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Rechtliche Grundlagen

§ 8 Tierschutz-Hundeverordnung

Fütterung und Pflege

(1) Die Betreuungsperson hat dafür zu sorgen, dass dem Hund in seinem gewöhnlichen Aufenthaltsbereich jederzeit Wasser in ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung steht. Sie hat den Hund mit artgemäßem Futter in ausreichender Menge und Qualität zu versorgen.

(2) Die Betreuungsperson hat
1. den Hund unter Berücksichtigung des der Rasse entsprechendem Bedarfs regelmäßig zu pflegen und für seine Gesundheit Sorge zu tragen;
2. die Unterbringung mindestens einmal täglich und die Anbindevorrichtung mindestens zweimal täglich zu überprüfen und Mängel unverzüglich abzustellen;
3. für ausreichende Frischluft und angemessene Lufttemperaturen zu sorgen, wenn ein Hund ohne Aufsicht in einem Fahrzeug verbleibt;
4. den Aufenthaltsbereich des Hundes sauber und ungezieferfrei zu halten; Kot ist täglich zu entfernen.