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Mit dieser Problematik musste sich das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 9. Mai 2006 auseinandersetzen.
 

Der Arbeitgeber weist eine neue Tätigkeit zu

Ein Unternehmen für den Bau von Schienenfahrzeugen beschäftigte eine 42-Jährige als Personalsachbearbeiterin. So war es auch im Arbeitsvertrag vereinbart.
Im August 2002 kam es in der Personalabteilung zu Spannungen. Der Arbeitgeber war der Meinung, dies liege unter anderem daran, dass das erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen der Personalleiterin und der späteren Klägerin fehle. Deshalb kündigte er an, sie von der Personal- in die Produktionsabteilung zu versetzen.
 

Der Arbeitgeber beruft sich auf sein Direktionsrecht

Nach einer Vorschrift der Gewerbeordnung kann der Arbeitgeber grundsätzlich den Inhalt der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen. Deshalb  - so der Arbeitgeber  - könne er seine Mitarbeiterin in die Produktionsabteilung versetzen.
 

Der Arbeitgeber beruft sich auch auf die Versetzungsklausel

Zunächst ist im Formular-Arbeitsvertrag der späteren Klägerin ausdrücklich geregelt, dass sie  „als Personalsachbearbeiterin“ in den Diensten ihres Arbeitgebers steht.
Zusätzlich ist jedoch vereinbart: „Falls erforderlich, kann“ der Arbeitgeber „nach Abstimmung der beiderseitigen Interessen Art und Ort der Tätigkeit des/der Angestellten ändern.“
Nach dieser Klausel  - meint der Arbeitgeber  - sei die Versetzung der Klägerin zulässig.
 

Die Instanzgerichte entscheiden unterschiedlich

Das Arbeitsgericht gab der Klägerin recht. Das Landesarbeitsgericht hob diese Entscheidung auf und wies die Klage ab. Die Klägerin wandte sich an das Bundesarbeitsgericht (BAG).
 

BAG: Es gibt zwei Arten von „neuer“ Tätigkeit

1.    Eine neue Tätigkeit liegt bereits vor, wenn der Arbeitgeber die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Tätigkeit lediglich modifiziert. Das wäre etwa der Fall, wenn ein Postbote gesagt bekommt, er solle seine Briefe statt wie bisher im Bezirk A jetzt im Bezirk B austragen. Die eigentliche Arbeitsleistung (Austragen der Post) bleibt gleich.

2.    Eine neue Tätigkeit kann aber auch darin bestehen, dass der Arbeitgeber eine ganz andere Tätigkeit verlangt als diejenige, die Inhalt des Arbeitsvertrages ist. Diese Variante läge vor, wenn der Postbote statt wie bisher Briefe auszutragen, jetzt bei der Instandhaltung der Postfahrräder mitarbeiten sollte. Die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsleistung ändert sich.
 

BAG lehnt Versetzung kraft Direktionsrechts ab

Wenn der Arbeitgeber die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsleistung lediglich modifiziert, kann der Arbeitgeber eine geänderte Tätigkeit kraft seines Direktionsrechts nach billigem Ermessen zuweisen.
Ändert sich dagegen die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsleistung, ist dies nicht durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt.
 
Der Arbeitgeber kann sich also für die Versetzung der Klägerin von der Personal- in die Produktionsabteilung nicht auf sein Direktionsrecht berufen. Denn dann würde die Klägerin eine vollständig andere Arbeit verrichten als diejenige, zu der sie nach dem Arbeitsvertrag verpflichtet ist.
 

BAG prüft unangemessene Benachteiligung  durch die Klausel

Klauseln in Formulararbeitsverträge sind unwirksam, wenn sie Arbeitnehmer*innen unangemessen benachteiligen. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber durch die einseitige Gestaltung eigene Interessen auf Kosten der Arbeitnehmer*innen durchzusetzen versucht, ohne auch deren Belange hinreichend zu berücksichtigen.
Nach dem vorformulierten Wortlaut der Klausel im Arbeitsvertrag der Klägerin soll der Arbeitgeber berechtigt sein, der Klägerin sogar eine Tätigkeit mit geringerer Wertigkeit zuzuweisen. Dies  - so das BAG  - stelle einen schwerwiegenden Eingriff in den gesetzlich gewährten Schutz des Arbeitsinhalts dar. Ein solcher Eingriff berücksichtige die Belange der Klägerin nicht ausreichend. Deshalb benachteilige diese Klausel die Klägerin unangemessen. Daraus folge, dass die Klausel unwirksam sei. Der Arbeitgeber könne sie nicht zur Rechtfertigung der Versetzung heranziehen. Wirksam dagegen wäre eine Klausel, die die Möglichkeit zur Übertragung einer neuen, gleichwertigen Tätigkeit eröffnete.
 
 Hier finden Sie das vollständige Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 09.5.2006, Az: 9 AZR 424/05

Rechtliche Grundlagen

§ 106 Gewerbeordnung, § 307 BGB

Gewerbeordnung
§ 106 Weisungsrecht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 307 Inhaltskontrolle
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.