In der Zeit vom 19. März 2004 bis zum 30. September 2005 arbeitete der Kläger als gewerblicher Mitarbeiter bei der Beklagten. Am 19. August 2013 stellte die Beklagte den Kläger erneut sachgrundlos befristet für die Zeit bis zum 28. Februar 2014 als Facharbeiter ein. Zwischen den Arbeitsvertragsparteien wurde die Vertragslaufzeit mehrfach verlängert, zuletzt bis zum 18. August 2015.
Mit seiner Klage beantragte der Kläger die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt nicht geendet hat.
Nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.
Bundesverfassungsgericht erklärt bisherige BAG Rechtsprechung für gegenstandslos
Mit Urteil vom 6. April 2011 hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG), entschieden, dass nur solche Vorbeschäftigungen zu berücksichtigen sind, die weniger als drei Jahre zurückliegen. Diese Rechtsprechung hatte jedoch keinen Bestand.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) kam in seiner Entscheidung vom 06. Juni 2018 zu dem Ergebnis, dass die entsprechende Vorschrift des TzBfG mit dem Grundgesetz vereinbar und somit die BAG-Entscheidung vom 06. April 2011 gegenstandslos ist.
Das BVerfG begründete seine Entscheidung damit, dass das BAG durch die Annahme, eine sachgrundlose Befristung sei nur dann unzulässig, wenn eine Vorbeschäftigung weniger als drei Jahre zurückliege, die Grenzen vertretbarer Auslegung gesetzlicher Vorgaben überschritten habe. Denn der Gesetzgeber habe eine solche Karenzzeit erkennbar nicht regeln wollen.
Allerdings, so das BVerfG, können und müssen die Fachgerichte durch verfassungskonforme Auslegung den Anwendungsbereich des TzBfG einschränken, soweit das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar ist. Das Verbot der sachgrundlosen Befristung kann danach insbesondere unzumutbar sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist.
Acht Jahre sind kein lang zurück liegender Zeitraum
Um einen solchen Fall handelt es sich bei der Entscheidung des BAG vom 23.01.2019 aber nicht, denn das vorangegangene Arbeitsverhältnis lag acht Jahre und damit nicht sehr lang zurück.
Beklagte kann nicht auf BAG Entscheidung aus 2011 vertrauen
Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, so der 7.Senat, die Befristung im Vertrauen auf die im Jahr 2011 ergangenen Entscheidungen des BAG vereinbart zu haben. Die Beklagte musste bei Abschluss der Verträge mit dem Kläger jedenfalls die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die verfassungskonforme Auslegung der Norm durch das BAG vor dem BVerfG keinen Bestand haben könnte.
Die Klage hatte in allen drei Instanzen Erfolg.
Für Interessierte:
Rechtliche Grundlagen
§ 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG
Zulässigkeit der Befristung
(2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.
Fußnote
§ 14 Abs. 2 Satz 2: Nach Maßgabe der Entscheidungsformel mit GG (100-1) vereinbar gem. BVerfGE v. 6.6.2018 I 882 - 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 -