Das Bundesarbeitsgericht stellt mit seinem Urteil von August 2017 einiges klar, was Vertragsstrafen in Arbeitsverträgen angeht. Anders als in den meisten Prozessen vor den Arbeitsgerichten ist im vorliegenden Fall der Arbeitgeber der Kläger, während die Rolle als Beklagter dem Arbeitnehmer zukommt.
Arbeitnehmer wird verklagt
Der Kläger ist ein in der Pflegebranche tätiger Unternehmer. Der beklagte Arbeitnehmer war seit Anfang Juni 2014 im Unternehmen des Klägers als Altenpfleger beschäftigt. Die monatliche Vergütung des Beklagten betrug 1.650 EUR brutto.
Im Arbeitsvertrag war folgendes geregelt:
§ 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses, Dauer und Tätigkeiten
[…]
5. Für den Fall, dass der Arbeitnehmer schuldhaft die Arbeit nicht aufnimmt […] oder das Arbeitsverhältnis […] vor Ablauf der vereinbarten Kündigungsfrist ohne wichtigen Grund beendet, wird eine Vertragsstrafe in Höhe eines durchschnittlichen Bruttogehaltes vereinbart.
§ 6 Kündigung
1. Die ersten 6 Monate gelten als Probezeit. In dieser Zeit kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von 28 Tagen gekündigt werden.
[…]
6. Für den Fall das der Arbeitnehmer […] vor Ablauf der vereinbarten Dauer oder vor Ablauf der vereinbarten Kündigungsfrist ohne wichtigen Grund beendet, ist eine Vertragsstrafe zu zahlen.
§ 15 Vertragsstrafe
1. Eine Vertragsstrafe ist wegen nachfolgend genannter Verstöße fällig:
[…]
c) Nichteinhaltung der Kündigungsfrist
1. Für die Probezeit gilt als Vertragsstrafe die Höhe des Bruttolohns, der im Zeitraum der Kündigungsfrist erreichbar ist, als vereinbart.
Nach der Probezeit gilt als Vertragsstrafe ein durchschnittlicher Bruttolohn als vereinbart.
2. Für die Probezeit gilt als Vertragsstrafe die Höhe des Bruttolohns, der im Zeitraum der Kündigungsfrist erreichbar ist, als vereinbart.
3. Nach der Probezeit gilt als Vertragsstrafe ein durchschnittlicher Bruttolohn als vereinbart.
An seinem ersten Arbeitstag wurde der Beklagte im Betrieb des Klägers eingearbeitet, am zweiten Arbeitstag hatte der Beklagte frei. Am dritten Arbeitstag erschien der Beklagte vormittags nicht zur Arbeit. Gegen Mittag übergab er dem Kläger seine fristlose Kündigung zum selben Tag.
Der Kläger forderte danach von dem Kläger Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 1.540 EUR. Der Beklagte lehnte jegliche Zahlung ab. Daraufhin zog der Kläger vor Gericht. Vor dem Arbeitsgericht Köln machte der Kläger den Betrag von 1.540 EUR geltend.
Kläger sieht unberechtigte Kündigung
Der Kläger vertrat vor Gericht die Auffassung, ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung habe nicht vorgelegen. Er habe einen Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe, weil der Beklagte die Kündigungsfrist nicht eingehalten habe.
Die Vertragsklausel sei dem Beklagten jedenfalls bei Abschluss des Arbeitsvertrages hinreichend erläutert worden, dies unter Beisein eines Zeugen. Die Formulierung in § 6 Nr. 6 des Arbeitsvertrages sei eine Konkretisierung des Anwendungsbereiches des in § 15 geregelten Sachverhaltes. Damit sei hinreichende Transparenz hergestellt, so der Kläger.
Der beklagte Arbeitnehmer sah für seine Kündigung durchaus einen wichtigen Grund. Er sei vom Kläger arglistig über die wesentlichen Arbeitsbedingungen getäuscht worden. Eine Vertragsstrafe sei von ihm nicht geschuldet. Die Regelungen im Arbeitsvertrag seien sowohl nicht transparent formuliert und darüber hinaus aus eine unangemessene Benachteiligung. Daher seien die Regelungen nicht wirksam.
Erfolg vor dem BAG
Mit seiner Revision hatte der Beklagte vor dem BAG Erfolg, das Urteil des LAG wurde aufgehoben. Der Beklagte schulde dem Kläger keine Zahlung einer Vertragsstrafe.
Das LAG hatte nach einer Gesamtbetrachtung der oben genannten Vertragsklauseln angenommen, dass die Regelungen im Arbeitsvertrag nicht intransparent, mithin wirksam seien. Daher sei der die Klage begründet. Dem erteilt das BAG eine klare Absage.
Das Bundesarbeitsgericht bemängelt die fehlende Transparenz der Regelungen. Sollte man der Lesart folgen, wonach § 6 Nr. 6 und § 1 Nr. 5 des Arbeitsvertrages zur Auslegung des § 15 Nr. 1 c) dienen, kann die Höhe der Vertragsstrafe nicht vom Beklagten abgeschätzt werden. Aus den Regelungen zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen folgt daher die Unwirksamkeit der Regelung.
Der Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat die Pflicht, diese klar, verständlich und durchschaubar darzustellen und zu formulieren. Transparenz bedeute auch eine hinreichende Bestimmtheit, so das BAG.
Regelung zur Vertragsstrafe ist zu unbestimmt
Die Regelung im Arbeitsvertrag müsste so formuliert sein, dass der Beklagte nicht mit einem Beurteilungsspielraum konfrontiert wird, was die zu erwartende Höhe der Vertragsstrafe angeht. Hierzu gehört auch, dass der Beklagte als Arbeitnehmer aus dem Zusammenhang der Vertragsklauseln entnehmen kann, was ihn bei einem Verstoß gegen die Arbeitspflicht erwartet.
Das BAG verdeutlicht: Vertragspartner eines Verwenders von Allgemeinen Geschäftsbedingungen sollen nicht von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten werden. Daher müssen die in Regelungen es dem Vertragspartner ermöglichen, bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages den Umfang der Leistungspflicht zu erkennen.
Im vorliegenden Fall sieht das BAG verschiedene Regelungen hinsichtlich der Vertragsstrafe: Zum einen ist die Rede von „einer Vertragsstrafe in Höhe eines durchschnittlichen Bruttogehaltes“.
In einer anderen Vorschrift beträgt die Vertragsstrafe dann aber „die Höhe des Bruttolohns, der im Zeitraum der Kündigungsfrist erreichbar ist“. Dies ist nach Meinung des BAG nicht transparent - die Vertragsstrafe ist daher nicht wirksam vereinbart worden.
Höhe der Vertragsstrafe ist unangemessene Benachteiligung
Zudem liege eine unangemessene Benachteiligung des Beklagten vor. Das BAG sieht die Gefahr einer Übersicherung des Klägers. Denn dieser wäre - die Wirksamkeit der Vertragsklauseln einmal unterstellt - berechtigt eine Vertragsstrafe in Höhe eines durchschnittlichen Bruttomonatsgehaltes zu fordern.
Aber das Arbeitsverhältnis wurde vorliegend während der vereinbarten Probezeit von sechs Monaten ohne Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist beendet. Im vorliegenden Fall stehe also nicht fest, wonach sich das durchschnittliche Gehalt bemisst.
Außerdem fehlt dem BAG eine gerechte Abwägung: Bei der Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung müssten die Interessen beider Vertragspartner berücksichtigt werden. Eine Benachteiligung kann sich aus der Höhe der Vertragsstrafe ergeben.
Mit der Länge der Kündigungsfristen wird von Gesetzgeber oder den Parteien des Arbeitsvertrages dargelegt, wie lange ein Arbeitgeber nach einer Kündigung noch Arbeitsleistungen vom Arbeitnehmer verlangen kann. Die Höhe der Vergütung ist hierbei ein geeigneter Maßstab, um den Wert der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitsleistung festzustellen.
Gericht zeigt Ausnahmen auf
Hierbei gilt nach Ansicht des BAG: Eine Vertragsstrafe, die höher ist als die Arbeitsvergütung, die der Kläger für die Zeit zwischen der vorzeitigen tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Ablauf der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist an den Beklagten hätte zahlen müssen, kann nur in Ausnahmefällen angemessen sein.
Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber ein gegenüber dem von ihm noch geschuldeten Gehalt ein überwiegendes Interesse daran hat, dass die Arbeitsleitung vom Arbeitnehmer tatsächlich erbracht wird.
Der Beklagte würde hier in jedem Fall ein durchschnittliches Gehalt schulden. In diesem Fall wäre die Vertragsstrafe aber höher als die Arbeitsvergütung, die für die Zeit zwischen der frühzeitigen Beendigung der Beschäftigung und dem Ablauf der Kündigungsfrist als Gehalt vom Kläger an den Beklagten zu zahlen gewesen wäre.
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Das sagen wir dazu:
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist zu begrüßen. Einmal mehr zeigt das Gericht deutlich die Grenzen für die Vereinbarung von Vertragsstrafen auf. Zugestanden werden muss die grundsätzliche Möglichkeit, eine Vertragsstrafe arbeitsvertraglich zu vereinbaren.
Der Arbeitgeber hat einen Anspruch auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Leistet der Arbeitnehmer unentschuldigt nicht, kann der Arbeitgeber zwar auf Leistung klagen – aber er wird ein obsiegendes Urteil nicht vollstrecken können. Denn die Zwangsvollstreckung ist gesetzlich ausgeschlossen.
Ein Arbeitgeber darf sich daher anders absichern. Hier ist aber auch die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers stets zu beachten – Arbeitsrecht ist vor allem Arbeitnehmer-Schutzrecht. Ein Arbeitgeber findet eher einen neuen Arbeitnehmer als ein Arbeitnehmer einen neuen Arbeitsplatz.
Erfreulich, dass das Bundesarbeitsgericht mit dem vorliegenden Urteil dazu beiträgt, einer Übersicherung des Arbeitgebers einen Riegel vorzuschieben.
Rechtliche Grundlagen
§ 307 BGB
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(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 2Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) 1Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. 2Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
Das sagen wir dazu