#Werkverträge erlauben zum Teil eine noch flexiblere Gestaltung der Arbeitsbedingungen und bieten sich deshalb für Arbeitgeber an, um Kosten zu sparen, ganze Bereiche des Kerngeschäfts auszulagern und dadurch die eigene Belegschaft zu verkleinern und zu spalten.

Die halbe Belegschaft gehört nicht mehr dazu

Aus dem gerade veröffentlichten Sozialreport der IG Metall Leipzig (http://www.mdr.de/mdr-info/sozialreport-autobranche100.html) ergibt sich eine überraschende Erkenntnis:


So ist beispielsweise in den Leipziger Fabriken von BMW und Porsche mittlerweile nicht einmal mehr die Hälfte der Beschäftigten bei den Automobilfirmen selbst angestellt. 


Was BMW beschönigend „nachhaltige Personalpolitik“ nennt heißt konkret, dass die Mehrheit der Arbeitnehmer*innen für die Produktion der neuen „Premiumfahrzeuge“ nicht unter Premium-Arbeitsbedingungen arbeitet, sondern in Leiharbeitsverhältnissen oder im Rahmen von Werkverträgen für sogenannte Zuliefer-Firmen.


Die Situation bei BMW und Porsche in Leipzig ist sicherlich ein Extremfall, aber auch in anderen Regionen und in anderen Branchen nimmt die Auslagerung von Arbeitsplätzen in Leiharbeitsverhältnisse und in letzter Zeit insbesondere auf Werkvertragsunternehmer zu.

Was ist daran zu kritisieren?

Aus gewerkschaftlicher Sicht geht es bei dieser Auslagerung von Arbeitsplätzen nicht in erster Linie um die sinnvolle Arbeitsteilung zwischen Produzenten und Zulieferern, was grundsätzlich nicht zu beanstanden wäre. Ziel dieser arbeitgeberseitigen „Arbeitsteilung“ ist vielmehr die Reduzierung von Löhnen, die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und die Verlagerung des Beschäftigungsrisikos auf die Fremdfirmen - und damit letztlich auf die Arbeitnehmer*innen.


Da in aller Regel für die Zeitarbeitsunternehmen und die Werkvertragsfirmen schlechtere tarifvertragliche Regelungen mit niedrigeren Löhnen bestehen als in den eigentlichen Produktionsbetrieben, entwickelt sich auch eine gespaltene Belegschaft.


Obwohl zum Teil die gleiche Arbeit am gleichen Arbeitsplatz verrichtet wird, hat die Stammbelegschaft in der Regel bessere Arbeitsbedingungen, niedrigere Arbeitszeiten, mehr Urlaub und höhere Löhne als die Kolleg*innen, die über Fremdfirmen im Betrieb arbeiten. Das fördert natürlich nicht gerade den Betriebsfrieden innerhalb der Belegschaft und kann auch als Mittel dienen, die verschiedenen Arbeitnehmer-Gruppen gegeneinander auszuspielen.

Abgrenzung zur Leiharbeit

Aus rechtlicher Sicht besteht die Schwierigkeit in der Praxis vor allem in der Abgrenzung von Werkverträgen zu Leiharbeitsverhältnissen.


Grundsätzlich geht es immer um die Erbringung von Arbeitsleistungen, egal ob es sich rechtlich um einen klassischen Arbeitsvertrag, einen Werkvertrag, einen Leiharbeitsvertrag oder selbständige bzw. scheinselbständige Tätigkeit geht.


Bei einem Werkvertrag verpflichtet sich der Auftragnehmer, ein „Werk“ abzuliefern. Das heißt., es wird nicht die Arbeitsleistung für eine bestimmte vereinbarte Zeit geschuldet und bezahlt („egal“ wie das Ergebnis aussieht), sondern ein abgeschlossenes Ergebnis („egal“, wie viel Zeit und Arbeit dafür aufzuwenden war).

Bei Werkvertrag wird Erfolg geschuldet

Der klassische Werkvertrag ist zum Beispiel der Auftrag für einen Handwerker, eine Reparatur durchzuführen. Dies kann dann durch den beauftragten Handwerker selbst erledigt werden, oder er beauftragt als Werkunternehmer wiederum eigene Arbeitnehmer*innen mit der Ausführung.


Heute werden aber in großen Unternehmen nicht nur klassische Werkverträge mit Handwerksfirmen abgeschlossen, sondern es werden eben ganze Produktionsbereiche oder auch nur einzelne Produktionsschritte in Form von Werkverträgen an externe Firmen ausgelagert. So wird zum Beispiel in der Automobilindustrie verstärkt die gesamte Logistik-Tätigkeit an externe Auftragnehmer übertragen.


Im Leiharbeitsverhältnis wird demgegenüber nicht das Erbringen eines festgelegten Ergebnisses vereinbart, sondern von der Leiharbeitsfirma, der Verleiher*in, wird der Entleiher-Firma die Arbeitskraft der überlassenen Arbeitnehmer*innen verkauft. Das heißt, die verliehenen Arbeitnehmer*innen werden in die Betriebsabläufe des Entleihers wie dessen eigene Mitarbeiter*innen eingegliedert, sie sind dem Entleiher gegenüber weisungsgebunden.

Werkunternehmer haftet

Außerdem trägt beim Werkvertrag der Auftragnehmer die Haftung für ein mangelfreies Ergebnis sowie für Schäden, die seine Arbeitnehmer*innen im Betrieb verursachen. Im Leiharbeitsverhältnis  übernimmt die Zeitarbeitsfirma demgegenüber keine Haftung.


Auch die Art der Abrechnung spielt für die Beurteilung eine Rolle: Wenn der Auftragnehmer nicht die Erbringung der Leistung selbst, das Ergebnis des Werkes abrechnet, sondern die Anzahl der erbrachten Arbeitsstunden, spricht auch das eher für Arbeitnehmerüberlassung.


Rechtlich spannend wird es, wenn sich die praktische Durchführung eines Werkvertrages nicht mehr wirklich von Leiharbeit unterscheiden lässt. Denn Leiharbeit setzt eine Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz voraus. Verdeckte Leiharbeit ohne eine entsprechende Erlaubnis stellt eine Ordnungswidrigkeit oder bei Vorsatz ggf. sogar eine Straftat dar (Sozialversicherungsbetrug), mit entsprechenden Konsequenzen für die beteiligten Firmen.

Illegale Überlassung führt zu Arbeitsverhältnis mit Entleiher

Vor allem aber kommt in einem solchen Fall aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 9 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) und § 10 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Auftraggeber (Entleiher) und dem betroffenen Arbeitnehmer zustande.


Arbeitnehmer*innen und Betriebsräte müssen genau hinsehen, um illegale Arbeitnehmerüberlassung zu erkennen: Es kommt nicht auf die vertragliche Gestaltung an, sondern ausschließlich auf die tatsächliche Handhabung und Umsetzung in der betrieblichen Praxis (s. BAG, Urteil v. 18.01.2012, Az. 7 AZR 723/10).


Wenn Mitarbeiter*innen von Werkvertrags-Firmen in den Stammbetrieb vollständig eingegliedert sind, was Arbeitszeiten, Dienstplaneinteilung, Weisungsbefugnisse und anderes betreffen kann, dann spricht einiges dafür, dass es sich im Grunde um ein Leiharbeitsverhältnis handelt.


Rechtliche Konsequenz wäre, dass die betroffenen Arbeitnehmer*innen ein Arbeitsverhältnis mit dem Auftraggeber-Unternehmen einfordern können und dass gegebenenfalls auch Lohnnachforderungen gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber bestehen.

Abgrenzung zur Scheinselbständigkeit

Bei der Abgrenzung zur Leiharbeit geht es in der Regel um einen Vertrag mit einem größeren Umfang, wo eine Vielzahl von Arbeitnehmer*innen zur Ausführung des Auftrages eingesetzt bzw. überlassen wird.


Wenn es dagegen nur um Aufträge geht, die ein/e einzelne Auftragnehmer*in bearbeiten und ausführen kann, stellt sich die Frage der Abgrenzung zur Scheinselbständigkeit: Handelt der Auftragnehmer tatsächlich als selbständiger Unternehmer oder handelt es sich nicht vielmehr eigentlich um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IV) und damit um Scheinselbständigkeit?


Davon ist umso eher auszugehen, je mehr Indizien dafür vorliegen, dass eine persönliche Abhängigkeit von dem Auftraggeber besteht:

  • der Auftragnehmer hat selbst keine eigenen Beschäftigten
  • er ist weitgehend oder ausschließlich und auf Dauer nur für einen Auftraggeber tätig
  • der Auftraggeber hat andere Mitarbeiter*innen, die die gleiche Tätigkeit als Beschäftigte ausüben
  • er ist dem Auftraggeber gegenüber weisungsgebunden und in die Arbeitsorganisation eingegliedert (z.B. hinsichtlich Zeit und Ort der Leistungserbringung, auch Tragen von Firmenkleidung des Auftraggebers)
  • es fehlt an unternehmerischem Handeln (z.B. kein eigenes Firmenschild / Briefpapier / Geschäftsräume u.ä.)
  • die Tätigkeit wurde beim gleichen Auftraggeber zuvor im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt  

Bei Scheinselbständigen hilft Statusfeststellungsverfahren

Bei der Beurteilung ist die Gesamtsituation zu berücksichtigen, das Vorliegen eines einzelnen Indizes genügt in der Regel nicht, um die Selbständigkeit zu widerlegen.


Rechtliche Konsequenz bei einer festgestellten Scheinselbständigkeit ist letztlich der Arbeitnehmerstatus des/der Scheinselbständigen. Es besteht somit ein Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten, das heißt auch der Sozialversicherungspflicht. Auf den Auftraggeber bzw. Arbeitgeber kommen in so einem Fall gegebenenfalls hohe Nachforderungen der Sozialversicherungsträger zu.


Da die Frage, ob es sich im konkreten Fall um Selbstständigkeit oder um Scheinselbständigkeit handelt weder für die Betroffenen selbst noch für Betriebs- oder Personalräte einfach zu beantworten ist, gibt es das sog. Statusfeststellungsverfahren: Die Beteiligten können (gem. § 7 a Sozialgesetzbuch (SGB IV) eine Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung über den Status beantragen.


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