Der Kläger ist Kundenberater und Verkäufer für Fahrzeuge. Er hatte mit seinem Arbeitgeber eine Vereinbarung abgeschlossen, wonach die Art seiner Tätigkeit regelmäßige Überstunden verlange. Die Überstunden sollten jedoch mit dem Arbeitsentgelt bereits vergütet sein. Der Kläger bekam nämlich eine durchaus attraktive Provision zu seinem Gehalt.
Aber etwa 15% der Gesamtarbeitszeit des Klägers waren Überstunden. Diese wollte er nun bezahlt haben.
Der Kläger behauptete dabei zunächst, das Arbeitsverhältnis falle unter den Tarifvertrag der Metall-und Elektroindustrie. Die die dortige tarifvertragliche Regelarbeitszeit belaufe sich auf 35 Stunden pro Woche. Diese habe er in verschiedenen Zeiträumen erheblich überschritten.
Kläger hatte keine Vereinbarung über die Vergütung von Überstunden geschlossen
Aus dem Tarifvertrag ergibt sich nach Auffassung des Arbeitsgerichts Hildesheim nicht, dass der Arbeitgeber Überstunden vergüten muss. Auch ansonsten sei keine schriftliche Vereinbarung vorhanden, wonach Mehrarbeit bezahlt werden müsste.
Der Tarifvertrag sei für die Kläger nicht anzuwenden, meint das Arbeitsgericht. Der Betrieb, in dem der Kläger arbeite, liege nicht in einer Gegend, in der der Tarifvertrag gelte.
Auch eine Betriebsvereinbarung sei nicht anzuwenden.
Das Gericht meint aber, die Parteien könnten den Tarifvertrag eventuell „stillschweigend“ vereinbart haben. Das sei dann der Fall, wenn es zwar keine ausdrückliche schriftliche Vereinbarung gebe, eine Vergütung jedoch aus anderen Gründen erwartet werde.
Arbeitgeber muss Überstunden nur vergüten, wenn das erwartet werden kann
Das Gericht hielt es für erforderlich, dass der Kläger zunächst einmal ausführlich darlegte und sodann auch bewies, dass er für die geleisteten Überstunden eine Vergütung erwartet hatte. Anders als in einem normalen Arbeitsverhältnis habe der Kläger nämlich für seine Arbeit schon eine zusätzliche Vergütung in Form einer Provision erhalten.
Bei einer solchen Tätigkeit komme es auch typischerweise nicht darauf an, eine bestimmte Stundenzahl zu erfüllen. Vielmehr solle der Erfolg honoriert werden, Geschäfte zu vermitteln.
Erhalte ein Arbeitnehmer neben seiner Vergütung eine zusätzliche, hohe Provision, könne nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass für Überstunden eine zusätzliche Vergütung erwartet werde. In diesen Fällen müssten besondere Umstände hinzutreten. Oder aber es müsse allgemein üblich sein, zu der hohen Provision noch Überstunden bezahlt zu bekommen.
Solche besonderen Umstände habe der Kläger vorliegend jedoch nicht angegeben. Insbesondere seien die Provisionen, die er neben der Festvergütung erhalten habe, nicht unerheblich gewesen. Darüber hinaus sei auch nicht ganz klar geworden, wie hoch die tatsächliche vertraglich vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit gewesen war.
Selbst wenn jedoch 35 Wochenstunden zugrunde gelegt würden, habe der Kläger letztlich Überstunden nur in einem relativ geringen Umfang gemacht.
Das Gericht sprach dem Kläger keine weitere Vergütung für die geleisteten Überstunden zu. Er konnte dem Gericht nicht ausreichend vermitteln, für die Überstunden tatsächlich auch eine Zahlung erwartet zu haben.
Das sagen wir dazu:
Arbeitnehmer*innen arbeiten oft länger, als im Arbeitsvertrag vereinbart wurde. Werden diese zusätzlichen Stunden vom Arbeitgeber angeordnet und gibt es eine Vereinbarung, wonach die Stunden zu vergüten sind, lässt sich die entsprechende Bezahlung durchaus durchsetzen.
Probleme entstehen jedoch in der Praxis. Entweder lässt sich nicht beweisen, dass Überstunden angeordnet worden waren. Dann entfällt häufig aus diesem Grund schon ein Zahlungsanspruch.
Oder aber es gibt - wie im vorliegenden Fall – eine schriftliche Vereinbarung, wonach Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind. Dann muss geprüft werden, ob man im Einzelfall tatsächlich davon ausgehen konnte, dennoch Geld für die geleisteten Stunden zu erhalten.
Die Schwierigkeiten liegen hier oft nicht im juristischen Bereich. Vielmehr ist es die Praxis, die Hürden für die Anerkennung solcher Überstunden stellt. Letztlich sind es die Arbeitnehmer*innen, die beweisen müssen, Überstunden geleistet und einen Zahlungsanspruch zu haben.
Dies ist Grund genug dafür, in entsprechenden Situationen von vorneherein klarzustellen, was geschieht, wenn die Arbeit länger andauert, als ursprünglich geplant. Aber selbst das ist im konkreten Arbeitsverhältnis häufig schwierig.
Zumindest eine lückenlose Dokumentation wird aber erwartet werden müssen. Jede Überstunden ist in einem gerichtlichen Prozess im Einzelnen aufzuführen und näher zu beleuchten. Das macht Überstundenprozesse oft zu unübersichtlichen, langwierigen und vielfach mühsamen Verfahren.
Rechtliche Grundlagen
Vergütung
§ 612 Vergütung
(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.
(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.
(3) (weggefallen)
Das sagen wir dazu