Der Kläger ist in einem Unternehmen der Nahrungsmittelproduktion beschäftigt.
Aus hygienischen Gründen ist im Betrieb vorgeschrieben, dass in der Produktion eine bestimmte Arbeitskleidung getragen werden muss, die auch nicht außerhalb des Betriebsgeländes getragen werden darf. Die Arbeitskleidung besteht aus einem T-Shirt, einer Latzhose, einem Kittel, Sicherheitsschuhen und einer Kopfbedeckung.

Umkleidezeiten von täglich 16 Minuten

Der Kläger muss dazu zunächst vom Werkstor aus die Ausgabestelle für die Arbeitskleidung aufsuchen und sich dann im Umkleideraum umziehen. Danach begibt er sich auf den Weg über das Werksgelände zu der für ihn maßgeblichen Stempeluhr.


Das Gericht hat diesen gesamten Vorgang vor und nach der Schicht durch einen Ortstermin im Betrieb und einen von der Vorsitzenden Richterin selbst vorgenommenen Umkleideversuch auf 16 Minuten täglich geschätzt.


Da die Klage sich auf die Vergütung von Umkleidezeiten an insgesamt 900 Arbeitstagen richtete, ergab sich bei dem maßgeblichen Stundenlohn des Klägers ein Anspruch in Höhe von 3.470 €, den das Gericht dem Kläger zugesprochen hat.

Umkleidezeiten = Überstunden

Eine Vergütung der Umkleidezeiten war arbeitsvertraglich nicht vereinbart. Eine Vergütungspflicht besteht nach dem Gesetz aber als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienste den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten sind.


Dies hat das Arbeitsgericht hier so gesehen, da das Tragen der Arbeitskleidung vom Arbeitgeber vorgeschrieben war und das Umkleiden auch im Betrieb erfolgen muss. Damit stellen auch die innerbetrieblichen Wege, die durch das Umkleiden an einem bestimmten Ort anfallen, notwendigerweise Arbeitszeit dar und sind ebenfalls vergütungspflichtig.


Auch wenn der Arbeitgeber das Umkleiden vor und nach Beginn der täglichen Schichtzeiten nicht täglich neu angeordnet hatte, stellt diese Tätigkeit eine dauerhafte Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis dar, so dass die dafür benötigten Zeiten wie Überstunden zu vergüten sind.

Kein vertraglicher Ausschluss der Vergütungspflicht

Der Arbeitgeber hatte sich in dem Verfahren darauf berufen, dass die Vergütung für die Umkleidezeiten vertraglich ausdrücklich ausgeschlossen war. Im Arbeitsvertrag ist vereinbart worden:


„Die Wegezeiten zu bzw. von den Stempeluhren oder Pausenräumen sind leistungsentgeltfrei.“



Diese Klausel ist jedoch auch nach Auffassung des Arbeitsgerichtes unwirksam, da sie nicht klar und verständlich ist.


Zwar ist es nach der Rechtsprechung grundsätzlich möglich, dass in Arbeitsverträgen die Vergütung für Überstunden bzw. Mehrarbeitszeiten in begrenztem Umfang ausgeschlossen wird. Eine solche Regelung muss dann aber eindeutig, klar und verständlich sein. Der/die Arbeitnehmer*in muss insbesondere bei Vertragsabschluss erkennen können, in welchem zeitlichen Umfang er Arbeitsleistung ohne Vergütung maximal erbringen muss.


Da die hier vorgelegte Klausel aber keinerlei Begrenzung der unbezahlten Arbeitszeit vorgesehen hat, ist diese vertragliche Regelung als allgemeine Geschäftsbedingung intransparent und wegen unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers unwirksam.


Das Urteil des Arbeitsgericht Paderborn, Urteil vom 31.08.2015, Az.: 4 Ca 1968/14

ist noch nicht rechtskräftig, die Berufung ist für die Beklagte möglich.

 

 

§ 612 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Vergütung

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

 

Lesen sie hierzu auch unseren Artikel „Umkleiden ist keine Freizeitbeschäftigung“