Umkleidezeiten muss der Arbeitgeber bezahlen. Jedenfalls dann, wenn er es vorschreibt und die Kleidung Rückschlüsse auf die Tätigkeit zulässt.
Umkleidezeiten muss der Arbeitgeber bezahlen. Jedenfalls dann, wenn er es vorschreibt und die Kleidung Rückschlüsse auf die Tätigkeit zulässt.

Krankenpfleger müssen ihre Dienstkleidung nicht bereits zu Hause anlegen. Zu der vom Arbeitgeber zu entlohnenden Arbeitszeit gehört auch die Umkleidezeit. Dies hat nun das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 6. September 2017 entschieden.

Dienstkleidung in Betriebsvereinbarung geregelt

Der Kläger ist seit März 1984 als Krankenpfleger beschäftigt. Im Betrieb der beklagten Krankenhaus-gesellschaft gilt seit Juli 1995 eine „Dienstvereinbarung über das Tragen von Dienst- und Schutzkleidung im Kreiskrankenhaus“.

Darin heißt es auszugsweise:

  • „Die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Dienst-und Schutzkleidung bleibt in seinem Eigentum und wird von der/dem Beschäftigten für die Zeit der dienstlichen Verpflichtung zur Verfügung gestellt.“
  • Bei der Erstausstattung erhält das männliche Personal 6 weiße Hosen und 6 weiße Oberteile.
  • Tragen von Dienstkleidung: Jeder Beschäftigte ist verpflichtet während des Dienstes die entsprechende Dienstkleidung zu tragen. Der Arbeitgeber stellt Umkleideräume und abschließbare Schränke für jede/n Beschäftigten zur Verfügung.“


Die vom Kläger zu tragende Dienstkleidung hat keinerlei Beschriftung. Auch andere Kennzeichnungen bestehen nicht. Das Namensschild des Klägers ist abnehmbar. 

Kläger begehrt Vergütung für Umkleidezeiten

Die Zeit, welche der Kläger in der Vergangenheit für das Anlegen der Dienstkleidung aufgewendet hat, wurde von der Beklagten nicht vergütet. 

Mit seiner Klage verlangt der Kläger die Vergütung von Überstunden. Er habe zwischen Februar 2013 und April 2014 an 100 Arbeitstagen jeweils im Durchschnitt 12 Minuten gebraucht, um die Dienstkleidung an- und auszuziehen. Hinzu kämen Wegzeiten vom Umkleideraum zum Arbeitsort und zurück. 

Insgesamt seien 20 Überstunden zu vergüten, konkret rund 464 Euro brutto. Nach der Dienstanweisung sei es verboten, die Dienstkleidung bereits zu Hause anzulegen und auf dem Weg zur Arbeit zu tragen. 

Die Beklagte lehnte eine Vergütung von Überstunden ab. Sie war der Meinung, dem Kläger sei es sehr wohl erlaubt gewesen, die Dienstkleidung bereits zu Hause anzuziehen. Auch das Tragen der weißen Kleidung sei ihm auf dem Arbeits-und Heimweg durchaus zumutbar. 

Bundesarbeitsgericht stimmt Kläger zu

Während der Kläger sowohl in der ersten Instanz vor dem Arbeitsgericht Emden, als auch im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen unterlag, führte die Revision letztlich zum Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht sieht in den Umkleide- und Wegzeiten vergütungspflichtige Arbeitszeit. 

Ausgangspunkt hierfür ist zunächst die gesetzliche Regelung, nach der „versprochene Dienste“ dem Grunde nach zu vergüten sind. Das Bundesarbeitsgericht führt zur weiteren Begründung aus: Zu den „versprochenen Diensten“ zähle nicht nur die eigentliche Tätigkeit des Klägers als Krankenpfleger. Vielmehr werde auch sonstige Tätigkeiten umfasst, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Leistung unmittelbar zusammenhängen.

Letztlich verspricht die Beklagte als Arbeitgeberin des Klägers Vergütung für alle Tätigkeiten, die sie dem Kläger im Rahmen ihres Weisungsrechtes zuweist, so das Bundesarbeitsgericht. Ferner definiert das Gericht in seinem Urteil „Arbeit“ als „jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient“. 

Wechseln der Kleidung ist Arbeit 

Auch das An- und Ablegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung ist vergütungspflichtige Arbeit. Der Kläger habe als Arbeitnehmer bei nüchterner Betrachtung keinerlei Interesse daran, seine berufliche Tätigkeit der Öffentlichkeit zu offenbaren.

Der vom Kläger getätigte Zeitaufwand sei also von der Beklagten gewollt und zu verantworten. Das Aufsuchen der Umkleideräume beruhe auf der dienstlichen Anweisung der Beklagten, wonach der Kläger zum Tragen der Arbeitskleidung während der Arbeitszeit verpflichtet ist. 

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts nutzt nicht jedes Anlegen von Berufskleidung dem Arbeitgeber. Ist Dienstkleidung nicht auffällig gestaltet, fehlt es an dem Nutzen für die Beklagte. Denn dann kann die Kleidung bereits zu Hause angelegt werden. In einem solchen Falle wäre dies dem Kläger zuzumuten. Der Kläger könnte sie in diesem Fall auf dem Weg zur Arbeit tragen, ohne in der Öffentlichkeit aufzufallen. 

Weiße Kleidung ist auffällig

Wäre  - wie im vorliegenden Fall  - die Dienstkleidung auffällig und der Kläger würde sie trotzdem freiwillig bereits zu Hause anziehen, so würde es ebenfalls an der Fremdnützigkeit fehlen. Dies jedenfalls für den Fall, dass die Beklagte es erlaubt, auch außerhalb der Dienstzeit die Dienstkleidung zu tragen.

Folgerichtig hält das Bundesarbeitsgericht fest: In solchen Fällen würden die Vorteile für den Kläger in den Vordergrund treten. Er würde nicht mehr eigene Kleidung auf dem Arbeitsweg einsetzen, da er die eigene Entscheidung getroffen habe, die Dienstkleidung bereits zu Hause anzuziehen. 

Die Dienstkleidung des Klägers ist nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts besonders auffällig. Dies hatte das Landesarbeitsgericht noch anders gesehen; die weiße Dienstkleidung ermögliche keine Zuordnung zu einem bestimmten Berufsbild oder gar Arbeitgeber. Weder läge eine wahrnehmbare markante Farbgestaltung vor, noch trage die Dienstkleidung Namenszüge. 

Weiße Kleidung lässt Zugehörigkeit zu Beruf erkennen

Das Bundesarbeitsgericht stimmt dem insoweit zu, als dass eine Zuordnung zu einem bestimmten Arbeitgeber nicht möglich ist. Aber immerhin könne der Kläger mit einem bestimmten Berufszweig in Verbindung gebracht werden. 

Dies genügt dem Bundesarbeitsgericht: Die weiße Kleidung mache es ohne weiteres möglich, den Kläger dem Arzt- oder Pflegeberuf zuzuordnen. Diesen Zweck verfolge auch die Dienstvereinbarung. Hieran habe der Kläger aber außerhalb der Arbeitszeit nachvollziehbar keinerlei Interesse. 

Nach Überzeugung des Gerichts macht es keinen Unterschied, ob Dienstkleidung in dezenten oder auffälligen Farben gestaltet ist. Maßgeblich sei allein, ob Dritte von der Dienstkleidung auf einen bestimmten Berufszweig schließen können. 

Höhe der Vergütung noch ungeklärt

Da der Kläger die von der Beklagten eingerichteten Umkleidemöglichkeiten nutze, sei die Zeit für das Anlegen der Dienstkleidung zu vergüten. Gleiches gelte selbstverständlich für das Ablegen der Dienstkleidung bei Dienstende.

Allerdings ist damit noch nicht abschließend über den Vergütungsanspruch des Klägers entschieden. Denn es sei unklar, auf welcher rechtlichen Grundlage der eingeklagte Betrag berechnet werde und wie hoch der geltend gemachten Anspruch sei. 

Das Bundesarbeitsgericht hat die Sache deshalb zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts an das zuständige Landesarbeitsgericht Niedersachsen zurückverwiesen.

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Urteil des Bundesarbeitsgerichts


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Das sagen wir dazu:

Das Bundesarbeitsgericht nimmt in seiner Entscheidung eine grundsätzlich richtige Wertung vor: Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben typischerweise die Widrigkeiten, die in ihren Verantwortungsbereich fallen, selbst zu tragen.

Wer bestellt, bezahlt!

Arbeitnehmer tragen etwa das sogenannte Wegerisiko. Der Arbeitnehmer muss seinen Arbeitsweg eigenverantwortlich organisieren, so dass er pünktlich zur Arbeit erscheint. Daher gilt: Kommt es zu Verzögerungen auf dem Weg zu Arbeit, so wird die versäumte Arbeitszeit regelmäßig nicht vergütet. Denn der Arbeitgeber kann regelmäßig keinen Einfluss auf den vom Arbeitnehmer gewählten Arbeitsweg nehmen. 

Anderes muss gelten, wenn ein Arbeitnehmer sich vor Schichtbeginn umziehen muss, da eine bestimmte Dienstkleidung vom Arbeitgeber vorgeschrieben ist. Dieser Zeitaufwand soll und darf nicht zu Lasten des Arbeitnehmers gehen. 

Hier gilt: Wer bestellt, bezahlt ! Arbeitnehmer müssen nicht den Aufwand tragen, der nötig ist, um überhaupt zur Arbeitsleistung bereit zu sein. Dies fällt in die Sphäre des Arbeitgebers. Er ordnet eine bestimmte Kleidung an – dann muss der Arbeitgeber auch die Zeit zum Anlegen der Kleidung vergüten. 

Auch muss Arbeit und Privates grundsätzlich getrennt werden: Richtigerweise soll ein Arbeitnehmer auf seinem Weg zur Arbeit und Heimweg nicht Kleidung tragen, die ihn als Angehörigen eines Berufes kennzeichnen. 

Rechtliche Grundlagen

§§ 611, 612 BGB

§ 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

§ 612 Vergütung

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) (weggefallen)