Angemessenheit der Ausbildungsvergütung (Bildquellenangabe: Karl-Heinz Laube/pixelio.de)
Angemessenheit der Ausbildungsvergütung (Bildquellenangabe: Karl-Heinz Laube/pixelio.de)

Der Arbeitgeber ist ein überörtlicher Ausbildungsverbund, der im Rahmen eines staatlichen Förderprogramms zusätzliche Ausbildungsplätze für schwerer vermittelbare Jugendliche, die eher keinen Ausbildungsplatz erhalten, organisiert. Die praktische Ausbildung erfolgt bei Partnern in der Privatwirtschaft. Die Auszubildende absolvierte bei dem Arbeitgeber eine Ausbildung zur Verkäuferin im Einzelhandel und erhielt im 1. Ausbildungsjahr eine mtl. Ausbildungsvergütung von 210 € brutto und im 2. Jahr eine Vergütung in Höhe von 217 € brutto. Dies entsprach ca. 1/3 der tariflichen Ausbildungsvergütung im Einzelhandel. Die Auszubildende hielt die Vergütung für nicht angemessen und verlangte die Zahlung der tariflichen Ausbildungsvergütung. Das Landesarbeitsgericht Thüringen sprach der Auszubildenden eine Vergütung in Höhe von 2/3 des einschlägigen BAföG-Satzes, demnach 310 € ab dem 1.10.2010 zu. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) bestätigte das Urteil. 

Angemessene Vergütung trotz Fördermittel

Auch Auszubildende, die auf staatlich geförderten Ausbildungsplätzen beschäftigt werden, haben Anspruch auf eine angemessene Ausbildungsvergütung gem. § 17 Abs.1 S. 1 Berufsbildungsgesetz. Arbeitgeber können dagegen nicht einwenden, dass sie an den Rahmen der gezahlten Fördermittel gebunden sind und deshalb keine höheren Vergütungen leisten könnten. Diesen Einwand weist das BAG mit deutlichen Worten zurück: Ein beschränktes Budget von Fördermitteln könne nicht von der Zahlung einer angemessenen Ausbildungsvergütung entbinden. Es müsse vielmehr schon bei der Vereinbarung der Fördermittel die vorgesehene Anzahl der Ausbildungsplätze und die angemessene Vergütungszahlung berücksichtigt werden.

Wann ist die Ausbildungsvergütung angemessen?

Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist auf die Funktion der Ausbildungsvergütung abzustellen. Mit ihr werden verschiedene Zwecke verfolgt. So soll sie zum einen dem Auszubildenden bzw. seinen Eltern bei der Finanzierung des Lebensunterhalts helfen, zum anderen einen ausreichenden Nachwuchs von qualifizierten Fachkräften heranbilden und schließlich in gewissem Umfang eine Entlohnung darstellen. Wenn Arbeitgeber und Auszubildende an einen Tarifvertrag gebunden sind, besteht Anspruch auf die tarifliche Vergütung. Fehlt es an der Tarifbindung, kann der Tarifvertrag dennoch ein Anhaltspunkt dafür sein, was angemessen ist. Eine an einem einschlägigen Tarifvertrag orientierte Ausbildungsvergütung hält das BAG für stets angemessen. Liegt der Verdienst daher um mehr als 20% unter der tariflichen Ausbildungsvergütung, ist dies in der Regel nicht mehr angemessen. 

Bei staatlich geförderten Ausbildungsplätzen gelten jedoch Besonderheiten, wenn die Ausbildung ausschließlich dem Auszubildenden zugutekommt, der Ausbilder selbst die Ausbildungsleistungen nicht verwertet und der Auszubildende ohne Förderung den Ausbildungsplatz nicht erhalten hätte. Das BAG geht davon aus, dass der Entlohnungszweck der Ausbildung in diesem Fall an Bedeutung verliere. Im Vordergrund stehe dann vielmehr die Finanzierung des Lebensunterhalts, der sich an den allgemeinen Lebenshaltungskosten und nicht an der tariflichen Ausbildungsvergütung einer bestimmten Branche orientieren müsse. Dazu bietet der BAföG-Satz gemäß § 12 Abs.2 Nr. BAföG einen Anhaltspunkt. 

Anmerkung der Redaktion:

Richtig ist, dass die Inanspruchnahme von öffentlichen Geldern Arbeitgeber nicht von ihrer Verpflichtung entbinden kann, angemessene Ausbildungsvergütungen zu zahlen. Um schwer in Ausbildung zu vermittelnden Jugendlichen die Chance auf einen Ausbildungsplatz zu gewährleisten, ist auch die Orientierung an den allgemeinen Lebenshaltungskosten, für die der BAföG-Satz einen Anhaltspunkt bieten kann, vertretbar. Kritikwürdig ist jedoch, dass das BAG ausdrücklich daran festhält, dass die an den einschlägigen Tarifverträgen ausgerichtete Ausbildungsvergütung stets angemessen ist. Dies gilt dann nämlich auch in Fällen, in denen die tarifliche Ausbildungsvergütung nicht einmal 2/3 des BAföG-Satzes erreicht wie etwa im Friseurhandwerk in Thüringen mit 214 €. Bliebe auch in diesen Fällen die tarifliche Vergütung stets Maßstab, müsste auch eine Vergütung von nur 80 %, also 168 €, als angemessen gelten. Das BAG betont in seiner Entscheidung die unterschiedlichen Funktionen der Ausbildungsvergütung, zu denen auch die Finanzierung des Lebensunterhalts gehört. Wird dieser Zweck durch eine Orientierung an einschlägigen tariflichen Ausbildungsvergütungen nicht mehr ansatzweise erreicht, erscheint es deshalb auch in diesen Fällen erforderlich, nicht die tarifliche Ausbildungsvergütung sondern stets den BAföG-Satz als Anhaltspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit heranzuziehen.

Hier zur Pressemitteilung Nr. 13/15 des Bundesarbeitsgerichts zum Urteil vom 17.03.2015, Aktenzeichen: 9 AZR 732/13

Hier direkt zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 17.03.2015, Aktenzeichen: 9 AZR 732/13 im Volltext