Das Arbeitsverhältnis eines sachgrundlos befristeten (Ersatz-)Betriebsratsmitgliedes endet ebenso - wie bei anderen Arbeitnehmern - mit Ablauf der vereinbarten Befristung. Der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 TzBfG ist nicht etwa aus unionsrechtlichen Gründen teleologisch zu reduzieren.
Der Fall:
Die Beklagte - ein tarifgebundenes Unternehmen des Wach- und Sicherheitsgewerbes schloss mit der Klägerin im Juli 2006 einen befristeten Arbeitsvertrag. In der Folge vereinbarten die Parteien zweimalig mittels „Verlängerungsabrede gem. § 14 Abs. 2 TzBfG …“ eine Gesamtverlängerung bis Januar 2010.
§ 2 Abs. 6 des Mantelrahmentarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe (MRTV) regelt unter „2 Arbeitsverhältnis / Kündigungsfristen“:
„Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von 42 Monaten zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer ist die höchstens viermalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages
zulässig. (…). „
Die Klägerin war seit 2009 erstes Ersatzmitglied des Betriebsrats. Nachdem die Beklagte ihr kein Anschlussarbeitsverhältnis anbot, hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristung geltend gemacht.
Die Entscheidung:
Die Befristung ist trotz der Betriebsratsfunktion zulässig, entschied das BAG.
Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG (Tariföffnungsklausel), unter denen nach § 22 Abs. 1 TzBfG zu Ungunsten des Arbeitnehmers von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG abgewichen werden kann, liegen vor. Der Tarifvertrag modifiziert mit § 2 Abs. 6 die Anzahl der Verlängerungen und die Höchstdauer einer ohne Sachgrund vereinbarten Befristung. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist diese Festlegung von der gesetzlichen Tariföffnungsklausel gedeckt (Entscheidung v. 15.08.2012 - 7 AZR 184/11). Daran hält der Senat vorliegend fest.
Der Anwendbarkeit dieser nationalen Vorschrift stehen auch keine unionsrechtlichen Bedenken entgegen. Aus Art. 7 und Art. 8 der Richtlinie 2002/14 ergibt sich jedenfalls kein Verständnis von § 14 Abs. 2 TzBfG dahingehend, dass die Vorschrift unionsrechtskonform zu reduzieren ist. Denn es fehlt insoweit an einer planwidrigen, korrekturbedürftigen Regelungslücke.
Dem unionsrechtlich gebotenen Schutz eines Betriebsratsmitglieds vor einer im Zusammenhang mit einer Befristung stehenden Benachteiligung kann durch § 78 Satz 2 BetrVG (ggf. iVm. § 280 Abs. 1 und/oder § 823 Abs. 2 BGB) Rechnung getragen werden.
Danach dürfen Mitglieder des Betriebsrats nicht wegen ihrer Tätigkeit benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung. Die Bestimmung erstreckt sich jedenfalls auch auf „amtierende“ Ersatzmitglieder der in § 78 Satz 1 BetrVG genannten Gremien und gilt unabhängig davon, ob das Gremiumsmitglied in einem unbefristeten oder in einem befristeten Arbeitsverhältnis steht.
Eine Benachteiligung iSv. § 78 Satz 2 BetrVG ist jede Schlechterstellung im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern, die nicht auf sachlichen Gründen, sondern auf der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied beruht. Eine Benachteiligungsabsicht ist nicht erforderlich. Es genügt die objektive Schlechterstellung gegenüber Nichtbetriebsratsmitgliedern. Faktisch kann daher auch die Nichtübernahme eines befristet beschäftigten Betriebsratsmitglieds in ein unbefristetes oder in ein weiteres befristetes Arbeitsverhältnis eine unzulässige Benachteiligung darstellen, wenn sie gerade wegen der Betriebsratstätigkeit erfolgt. Sich hierüber eine Überzeugung zu bilden, ist allerdings Sache des Tatsachengerichts.
Folgen für die Praxis:
Europa kommt. Noch finden die europäischen Rechtsnormen nur bedingt Berücksichtigung bei den Entscheidungen deutscher Gerichte. Diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts entspricht wohl dem derzeitigen Stand der Diskussion um die Einwirkung des europäischen in das deutsche Recht. Doch der Einfluss des europäischen Rechts steigt. Und daraus ergeben sich neue Möglichkeiten der Argumentation für Betriebsräte.
Das BAG prüft in diesem Urteil umfassend, ob gegen europäisches Recht verstoßen wurde. Es kommt aber zu dem Ergebnis, dass dies nicht der Fall sei, weil das europäische Recht keine Einschränkung der Bestimmungen zur Befristung von Arbeitsverträgen beinhalte. Die tarifliche Regelung sei wirksam, weil soziale Grundstandards nicht unterschritten würden.
Das Gericht stellt fest, dass Art 30 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vor jeder ungerechtfertigten Entlassung schützen soll. Entlassung meint eben nicht nur Kündigung, sondern auch Beendigung durch Ablauf der Befristung. Und es ist dabei auch Art. 28 der Europäischen Sozialcharta zu beachten, der den wirksamen Schutz von Arbeitnehmervertretern vor Benachteiligungen verlangt. Weiter verlangt Art. 28 dass Arbeitnehmervertretern Erleichterungen gewährt werden, die geeignet sind, ihnen eine wirksame Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu ermöglichen.
Das BAG sieht aber für den deutschen Gesetzgeber ein weitreichendes Ermessen, wie der ausreichende Schutz für Arbeitnehmervertreter gewährleistet wird. Das Unionsrecht sei nicht dahingehend auszulegen, dass Arbeitnehmervertretern einen verstärkten Kündigungsschutz haben müssten. Die deutschen Gesetze hierzu – wie § 78 BetrVG - würden ausreichen.
Doch tatsächlich kann der gewollte Schutz von Betriebsräten durch die sachgrundlose Befristung unterlaufen werden. Betriebsräte sollten daher immer wieder mit dem besonderen Schutz für Arbeitnehmervertreter argumentieren, den das europäische Recht und die Europäischen Sozialcharta verlangen. Denn: Europa kommt und die europäischen Rechtsnormen finden immer mehr Berücksichtigung.
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 05.12.2012, 7 AZR 698/11