Befristung bei Drittmittelprojekt wirksam
Das Landesarbeitsgericht hatte den Fall eines Mathematikers zu verhandeln, der an der Universität Gießen befristet eingestellt war.
Kläger war in Projektarbeit beschäftigt
Der Kläger war als Mathematiker an der Universität Gießen beschäftigt. Die Universität Gießen ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, sie befindet sich in Trägerschaft des Landes Hessen. Von diesem Land Hessen stammten auch die Projektmittel, aus denen der Kläger bezahlt wurde.
Die Befristung des Klägers stützte die Universität auf die Sondervorschriften des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG), nach dem eine Befristung auch dann möglich ist, wenn der Arbeitnehmer überwiegend in Drittmittelprojekten beschäftigt ist.
Gegen diese Befristung klagte der Mathematiker vor dem Arbeitsgericht.
Landesarbeitsgericht: Land kann „Dritter“ sein
Das Arbeitsgericht Gießen hatte die Befristung für unwirksam erklärt. Zwar seien die Mittel für die Stelle nur zeitlich begrenzt im Rahmen eines Projektes zur Verfügung gestellt worden. Das Land Hessen sei aber nach Ansicht des Arbeitsgerichts nicht „Dritter" im Sinne der gesetzlichen Regelung über die befristete Beschäftigung von wissenschaftlichem Personal.
Dem hat das Landesarbeitsgericht nun ausdrücklich widersprochen. Es hat dabei auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) verwiesen, wonach eine Stelle für wissenschaftliches Personal für eine bestimmte Aufgabe befristet besetzt werden dürfe, wenn diese Stelle aus Drittmitteln finanziert werde, die nicht dauerhaft zur Verfügung stehen.
Dies sei auch zulässig, wenn der Universität die Drittmittel vom Land Hessen selbst bereit gestellt würden, wie sich aus der Begründung der entsprechenden Regelung des WissZeitVG im Gesetzgebungsverfahren (Bundestagsdrucksache 16/3438, Seite 13 f.) ergebe.
16 Verträge in 11 Jahren - kein Missbrauch
Darüber hinaus liege auch kein Missbrauch der gesetzlich vorgesehen Möglichkeiten von Befristungen vor. Ein Hinweis auf Missbrauch könne darin gesehen werden, dass der Arbeitnehmer schon in der Vergangenheit aufgrund von insgesamt 16 befristeten Verträgen gearbeitet hat, die sich über einen Zeitraum von elf Jahren jeweils aneinander anschlossen.
Nach Auffassung des LAG war die angegriffene Befristung im Wissenschaftsbereich unter besonderer Berücksichtigung der in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz (GG) geschützten Freiheit von Forschung und Lehre kein Rechtsmissbrauch.
Das LAG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen.
Anmerkung: Befristungswahn stoppen!
Legt man die Regelungen des Wissenschaftzeitvertragsgesetzes und dessen Gesetzesbegründung zu Grunde, so ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes wohl nicht zu kritisieren. Auch das BAG hat schon des Öfteren darauf hingewiesen, dass Projektarbeit eine Befristung rechtfertigen kann. Insofern wurde die Revision wohl zu Recht nicht zugelassen.
Die anders lautende Entscheidung des Arbeitsgerichts mag wohl eher dem Bauchgefühl entsprochen haben, dass hier etwas grundsätzlich nicht stimmt. Wenn das Land einerseits als Geldgeber, andererseits als Empfänger der Leistung in Erscheinung tritt, fällt es schwer, hier von einem echten „Dritten“ zu sprechen.
Die Konstruktion birgt immenses Missbrauchspotential: Wenn das Geld nicht mehr direkt an die Unis fließt, sondern die Träger es über Projekte vergeben, schafft dies ein weites Feld für Sachgrundbefristungen, der Staat stiehlt sich unter dem Deckmantel der von ihm selbst erlassenen Gesetze aus der Verantwortung. Die über Jahre hinweg befristet tätigen Wissenschaftler sind die Leidtragenden.
Diese Form des „universitären Ausflaggens“ erinnert an Konstruktionen in der Wirtschaft, wo sich Arbeitgeber mit der Gründung von Servicegesellschaften ihrer Pflicht entledigen und auch die sachgrundlosen Befristungen weidlich ausnutzen. Diese sind jedoch in der Privatwirtschaft auf zwei Jahre begrenzt.
Die Wissenschaft ist hinsichtlich ihrer Befristungsmöglichkeiten dagegen erheblich privilegiert, sachgrundlose Befristungen von 12 Jahren und länger sind unproblematisch möglich. Dass diese Freiheiten ebenfalls durch windige Konstruktionen ausgehebelt werden können, ist im Sinne der betroffenen Arbeitnehmer*innen nur schwer erträglich.
Im Praxistipp: Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (Wissenschaftszeitvertragsgesetz - WissZeitVG)
§ 2 Befristungsdauer; Befristung wegen Drittmittelfinanzierung
Rechtliche Grundlagen
§ 2 Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (Wissenschaftszeitvertragsgesetz - WissZeitVG) Befristungsdauer; Befristung wegen Drit
§ 2 Befristungsdauer; Befristung wegen Drittmittelfinanzierung
(1) Die Befristung von Arbeitsverträgen des in § 1 Abs. 1 Satz 1 genannten Personals, das nicht promoviert ist, ist bis zu einer Dauer von sechs Jahren zulässig. Nach abgeschlossener Promotion ist eine Befristung bis zu einer Dauer von sechs Jahren, im Bereich der Medizin bis zu einer Dauer von neun Jahren zulässig; die zulässige Befristungsdauer verlängert sich in dem Umfang, in dem Zeiten einer befristeten Beschäftigung nach Satz 1 und Promotionszeiten ohne Beschäftigung nach Satz 1 zusammen weniger als sechs Jahre betragen haben. Die nach den Sätzen 1 und 2 insgesamt zulässige Befristungsdauer verlängert sich bei Betreuung eines oder mehrerer Kinder unter 18 Jahren um zwei Jahre je Kind. Innerhalb der jeweils zulässigen Befristungsdauer sind auch Verlängerungen eines befristeten Arbeitsvertrages möglich.
(2) Die Befristung von Arbeitsverträgen des in § 1 Abs. 1 Satz 1 genannten Personals ist auch zulässig, wenn die Beschäftigung überwiegend aus Mitteln Dritter finanziert wird, die Finanzierung für eine bestimmte Aufgabe und Zeitdauer bewilligt ist und die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter überwiegend der Zweckbestimmung dieser Mittel entsprechend beschäftigt wird. Unter den Voraussetzungen des Satzes 1 ist auch die Befristung von Arbeitsverträgen des nichtwissenschaftlichen und nichtkünstlerischen Personals zulässig.
(3) Auf die in Absatz 1 geregelte zulässige Befristungsdauer sind alle befristeten Arbeitsverhältnisse mit mehr als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit, die mit einer deutschen Hochschule oder einer Forschungseinrichtung im Sinne des § 5 abgeschlossen wurden, sowie entsprechende Beamtenverhältnisse auf Zeit und Privatdienstverträge nach § 3 anzurechnen. Angerechnet werden auch befristete Arbeitsverhältnisse, die nach anderen Rechtsvorschriften abgeschlossen wurden. Zeiten eines befristeten Arbeitsverhältnisses, die vor dem Abschluss des Studiums liegen, sind auf die nach Absatz 1 zulässige Befristungsdauer nicht anzurechnen.
(4) Im Arbeitsvertrag ist anzugeben, ob die Befristung auf den Vorschriften dieses Gesetzes beruht. Fehlt diese Angabe, kann die Befristung nicht auf Vorschriften dieses Gesetzes gestützt werden. Die Dauer der Befristung muss bei Arbeitsverträgen nach Absatz 1 kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar sein.
(5) Die jeweilige Dauer eines befristeten Arbeitsvertrages nach Absatz 1 verlängert sich im Einverständnis mit der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter um
1.
Zeiten einer Beurlaubung oder einer Ermäßigung der Arbeitszeit um mindestens ein Fünftel der regelmäßigen Arbeitszeit, die für die Betreuung oder Pflege eines oder mehrerer Kinder unter 18 Jahren oder pflegebedürftiger sonstiger Angehöriger gewährt worden sind,
2.
Zeiten einer Beurlaubung für eine wissenschaftliche oder künstlerische Tätigkeit oder eine außerhalb des Hochschulbereichs oder im Ausland durchgeführte wissenschaftliche, künstlerische oder berufliche Aus-, Fort- oder Weiterbildung,
3.
Zeiten einer Inanspruchnahme von Elternzeit nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz und Zeiten eines Beschäftigungsverbots nach den §§ 3, 4, 6 und 8 des Mutterschutzgesetzes in dem Umfang, in dem eine Erwerbstätigkeit nicht erfolgt ist,
4.
Zeiten des Grundwehr- und Zivildienstes und
5.
Zeiten einer Freistellung im Umfang von mindestens einem Fünftel der regelmäßigen Arbeitszeit zur Wahrnehmung von Aufgaben in einer Personal- oder Schwerbehindertenvertretung, von Aufgaben eines oder einer Frauen- oder Gleichstellungsbeauftragten oder zur Ausübung eines mit dem Arbeitsverhältnis zu vereinbarenden Mandats.
Eine Verlängerung nach Satz 1 wird nicht auf die nach Absatz 1 zulässige Befristungsdauer angerechnet. Sie soll in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1, 2 und 5 die Dauer von jeweils zwei Jahren nicht überschreiten.