Wenn ein Betriebsratsmitglied ausschließlich wegen des Verstoßes gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten abgemahnt wird, so ist die Abmahnung dann unwirksam, wenn zugleich eine Kündigung angedroht wird. In einem solchen Fall, so der 7. Senat des Bundesarbeitsgericht (BAG), hat das Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte.
Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunde:
Zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat wurde im Mai 2011 eine Betriebsvereinbarung über den Einsatz von Leiharbeitnehmern abgeschlossen. Der Betriebsratsvorsitzende versendete die Betriebsvereinbarung per E-Mail an alle Arbeitnehmer*innen des Unternehmens sowie des Mutterkonzerns.
Hierin erblickte die Arbeitgeberin einen Verstoß gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit und somit gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten, was eine Abmahnung gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden zur Folge hatte. Für den Fall eines weiteren Verstoßes wurde dem Betriebsratsvorsitzenden eine Kündigung angedroht.
Der Abgemahnte hielt die Abmahnung für unwirksam und verlangte deren Entfernung aus seiner Personalakte. Dieser Aufforderung kam die Arbeitgeberin nicht nach, woraufhin der Betriebsratsvorsitzende das Arbeitsgericht anrief.
BAG bejaht Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus Personalakte
Nachdem das Arbeitsgericht und auch das Landesarbeitsgericht Bremen dem Antrag des Betriebsratsvorsitzenden stattgaben, legte die Arbeitgeberin Rechtsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht (BAG) ein.
Unter Zurückweisung der Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin bestätigte das BAG die Entscheidung der Vorinstanz.
Dem Betriebsratsvorsitzenden, so die Richter*innen des 7. Senat, habe in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte zugestanden. Denn die Abmahnung sei zu Unrecht erfolgt.
Bei Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten geht eine Abmahnung mit Kündigungsandrohung ins Leere
Nach Ansicht des BAG sei der Ausspruch einer Abmahnung, die mit einer Kündigungsandrohung verbunden ist, unzulässig, wenn einem Betriebsratsmitglied ausschließlich die Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten vorgeworfen wird.
Letzteres sei hier der Fall gewesen. Die Arbeitgeberin habe nur einen Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten gerügt. Dies aber habe nicht zugleich mit der Androhung einer Kündigung verbunden werden dürfen.
Anmerkung:
Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen.
Der Anspruch besteht,
- wenn die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt ist,
- unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält,
- auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht
- oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt,
- und auch dann, wenn selbst bei einer zu Recht erteilten Abmahnung kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr an deren Verbleib in der Personalakte besteht.
Im Praxistipp: §§ 242 (Leistung nach Treu und Glauben), 1004 (Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch), Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Rechtliche Grundlagen
§§ 242 (Leistung nach Treu und Glauben), 1004 (Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch), Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 242 Leistung nach Treu und Glauben
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
§ 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.