Bei Behinderung von Betriebsräten stellen die Staatsanwaltschaften die Verfahren meist ein.
Bei Behinderung von Betriebsräten stellen die Staatsanwaltschaften die Verfahren meist ein.

§ 119 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) regelt Straftaten gegen Betriebsverfassungsorgane und ihre Mitglieder. Danach kann mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden, wer

  • eine Wahl des Betriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, oder andere Vertretungen der Arbeitnehmer behindert oder durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflusst,
  • die Tätigkeit des Betriebsrats, des Gesamtbetriebsrats, des Konzernbetriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung oder anderer Vertretungen der Arbeitnehmer, behindert oder stört, oder
  • ein Mitglied oder ein Ersatzmitglied des Betriebsrats, des Gesamtbetriebsrats, des Konzernbetriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, oder anderer  Vertretungen der Arbeitnehmer um seiner Tätigkeit willen benachteiligt oder begünstigt.

Es handelt sich bei der Strafnorm um ein Antragsdelikt. Das bedeutet, die Tat wird nur auf Antrag der Arbeitnehmervertretung oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft verfolgt.

Betriebsräte ohne Schutz – Das Versagen der Staatsanwaltschaft

In der Praxis ist zu beklagen, dass die Verfahren von den Staatsanwaltschaften oft eingestellt werden. Zu einer Anklage kommt es fast nie. Obwohl das Gesetz eindeutig ist, scheuen sich die Staatsanwälte wohl davor, Arbeitgeber als Straftäter darzustellen.

Der Report Mainz brachte in der ARD am 25.11.2014 eine Sendung mit dem Titel „Betriebsräte ohne Schutz – Das Versagen der Staatsanwaltschaft“. Hier standen zwei Firmen im Fokus. Die eine ist eine Frankfurter Firma für Spezialkräne, die andere ein bayrisches Papierwerk.
Beim Autodienst West (ADW) hatte der Mitarbeiter Gunter Seibold 26 Jahre gearbeitet bis er von einem Tag auf den anderen seinen Job verlor nachdem er und Kollegen einen Betriebsrat gründen wollten. Der Strafantrag wurde hier von der Gewerkschaft Ver.di gestellt. Das Strafverfahren läuft nun schon 7 Monate, also die Staatsanwaltschaft ermittelt - zumindest zum Schein. Die Hoffnungen auf eine Verurteilung sind indes gering.

Im Papierwerk Landshut Mittler klagten Betriebsräte und Beschäftigte über Einschüchterungen. Im Herbst 2012 hatte Ver.di Strafanzeige gegen den Geschäftsführer und sechs weitere Personen nach § 119 BetrVG gestellt. Der Vorwurf:  Behinderung der Betriebsratsarbeit, auch unter dem Aspekt der Erpressung, des Betrugs, des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt und sogar der Freiheitsberaubung. Die Staatsanwaltschaft hielt hier nicht einmal Ermittlungen für nötig. Es soll sogar der Kommentar gefallen sein, man sei schließlich in Niederbayern und der Betriebsrat könne nicht erwarten mit Samthandschuhen angefasst zu werden. Einen Betriebsrat gibt es im bayrischen Papierwerk nicht mehr.

 

Kündigung als vorsätzliche Behinderung des Betriebsrats

Es gibt Fälle, in denen Arbeitgeber strafrechtlich belangt wurden, auch wenn man danach gut suchen muss.

Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, wie auch deren Androhung, können eine vorsätzliche Behinderung der Wahl eines Betriebsrates darstellen. Das Amtsgericht Emmendingen hat in einem solchen Fall einen Taxiunternehmer zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er zwei Mitarbeitern, die einen Betriebsrat gründen wollten, “nahelegte“, von diesem Vorhaben Abstand zu nehmen. Nachdem diese das Ansinnen ablehnten, übergab der Arbeitgeber bereits geschriebene Kündigungen. Der Fall lag für das Gericht hier klar. Der Arbeitgeber wurde der vorsätzlichen Behinderung der Wahl eines Betriebsrates schuldig gesprochen und  zu einer Geldstrafe verurteilt.

 

Strafbare Wahlbeeinflussung bei Siemens

Ein „prominentes“ Beispiel: Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte es 2010 mit einer Strafbarkeit wegen Betriebsratsbeeinflussung zu tun. Verantwortliche der Siemens AG hatten jahrelang den ansonsten nicht überlebensfähigen AUB e.V., eine unabhängige Arbeitnehmervertretung, durch Zahlungen von Millionenbeträgen unterstützt. Das Ziel:  Einfluss auf die Zusammensetzung der Betriebsräte nehmen. Der BGH bewertet das Vorgehen als strafbare Wahlbeeinflussung und lässt es dabei ausreichen, dass die Vorteile sich mittelbar auf die Wahl auswirken. Der Arbeitgeber dürfe sich wegen seiner strikten Neutralitätspflicht grundsätzlich nicht in die Wahlpropaganda einschalten.

 

DGB-Vorsitzender Reiner Hoffmann zum Thema Betriebsratsbehinderung als Straftat:

Reiner Hoffmann äußerte sich im Rahmen der Reportage der ARD zum Thema des Versagens der Staatsanwaltschaften. Er hält Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften, die wissen mit welchen Konflikten sie sich auseinanderzusetzen haben und wie Arbeitnehmerrechte systematisch unterlaufen werden, für eine Möglichkeit.

Gewöhnlich ist jede Staatsanwaltschaft für die Verfolgung aller Straftaten zuständig, die im Gerichtsbezirk begangen wurden. Für bestimmte Deliktstypen kann die Zuständigkeit über den Bezirk eines Land- oder Oberlandesgerichts hinaus auf eine sogenannte deliktspezifische Schwerpunktstaatsanwaltschaft übertragen werden. Zweck der Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften ist unter anderem die Spezialisierung auf die Verfolgung von Deliktstypen, die besondere Sachkenntnis verlangen. In einzelnen Bundesländern sind solche Schwerpunktstaatsanwaltschaften gebildet für Bereiche der Wirtschaftskriminalität, Dopingdelikte oder Internetstraftaten.

 

Anmerkung der Redaktion:

Es stellt sich die Frage, ob die Untätigkeit der Staatsanwaltschaft System hat. So oder so erleichtert sie das Union Busting und eine Trendwende im Denken und Handeln der Ermittlungsbehörden muss her.

  

Lesen Sie dazu auch: Wenn der Arbeitgeber die Zusammensetzung des Betriebsrats beeinflusst

Hier der Link zum Bericht vom Report Mainz (ARD) zum Versagen der Staatsanwaltschaft

Amtsgericht Emmendingen, Urteil vom 24.07.08, 5 Cs 440 Js 26354 - AK 329/07

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.09.2010 - 1 StR 220/09