Arbeitgeberin verweigert Betriebsrat Einsicht in Bruttoentgeltlisten. Copyright by DOC RABE Media/fotolia.
Arbeitgeberin verweigert Betriebsrat Einsicht in Bruttoentgeltlisten. Copyright by DOC RABE Media/fotolia.

Die Arbeitgeberin betreibt ein Gesundheitszentrums, in dem ein Betriebsrat gebildet ist. Der Betriebsrat verlangte von der Arbeitgeberin die Einsichtnahme in nicht-anonymisierte Listen der Bruttolöhne und Gehälter. Die Arbeitgeberin lehnte dies ab. Das Arbeitsgericht Hannover gab dem hiergegen gerichteten Antrag des Betriebsrats statt.
 

Landesarbeitsgericht bestätigt erstinstanzliche Entscheidung

Gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts erhob die Arbeitgeberin Beschwerde beim Landesarbeitsgericht (LAG). Die Beschwerdeführerin vertrat die Ansicht, das der Betriebsrat seine Überwachungsfunktion auch dann wahrnehmen könne, wenn ihm der Einblick in anonymisierte Gehaltslisten ermöglicht wird. Als Arbeitgeberin obliege ihr die Pflicht, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ihrer Arbeitnehmer zu schützen. Zudem sei der Betriebsrat datenschutzrechtlich nur dann ein "Nicht-Dritter", wenn er im Rahmen der ihm gesetzlich übertragenen Aufgaben agiere. Dieser Argumentation folgte das LAG nicht.
 

LAG: Arbeitgeberin ist verpflichtet Einsicht in nicht-anonymisierte Listen der Bruttolöhne und -Gehälter zu gewähren.

Der Betriebsrat, so die Richter*innen des Beschwerdegerichts, muss kein besonderes Überwachungsbedürfnis darlegen, um Einsicht in nicht-anonymisierte Listen zu erhalten. Der nötige Aufgabenbezug sei bereits durch die sich für den Betriebsrat ergebenden Rechte und Pflichten aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) gegeben. Im Übrigen würde es die Überwachungstätigkeit des Betriebsrats unzumutbar erschweren, wenn dieser erst auf Verdachtsanzeigen hin die volle Einsicht in die Listen erhielte.
 
Gründe für die Auffassung der Arbeitgeberin vermochte das LAG nicht zu erkennen. Bei Einsicht in die Gehaltslisten werde der Betriebsrat vielmehr in Ausübung seiner Rechte und Pflichten als Interessenvertretung der Beschäftigten tätig.
 
Das LAG ließ die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zu. Dortiges Az: 1 ABR 44/18
 
Über den weiteren Verlauf werden wir berichten.
 
Hier geht es zur vollständigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 22.10.2018
 

Rechtliche Grundlagen

§ 80 Abs. 1 BetrVG und Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BetrVG; Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG; § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG

Betriebsverfassungsgesetz
§ 80 Allgemeine Aufgaben
(1) Der Betriebsrat hat folgende allgemeine Aufgaben:
1.
darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden;
2.
Maßnahmen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen, beim Arbeitgeber zu beantragen;
2a.
die Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern, insbesondere bei der Einstellung, Beschäftigung, Aus-, Fort- und Weiterbildung und dem beruflichen Aufstieg, zu fördern;
2b.
die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit zu fördern;
3.
Anregungen von Arbeitnehmern und der Jugend- und Auszubildendenvertretung entgegenzunehmen und, falls sie berechtigt erscheinen, durch Verhandlungen mit dem Arbeitgeber auf eine Erledigung hinzuwirken; er hat die betreffenden Arbeitnehmer über den Stand und das Ergebnis der Verhandlungen zu unterrichten;
4.
die Eingliederung schwerbehinderter Menschen einschließlich der Förderung des Abschlusses von Inklusionsvereinbarungen nach § 166 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und sonstiger besonders schutzbedürftiger Personen zu fördern;
5.
die Wahl einer Jugend- und Auszubildendenvertretung vorzubereiten und durchzuführen und mit dieser zur Förderung der Belange der in § 60 Abs. 1 genannten Arbeitnehmer eng zusammenzuarbeiten; er kann von der Jugend- und Auszubildendenvertretung Vorschläge und Stellungnahmen anfordern;
6.
die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer im Betrieb zu fördern;
7.
die Integration ausländischer Arbeitnehmer im Betrieb und das Verständnis zwischen ihnen und den deutschen Arbeitnehmern zu fördern, sowie Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb zu beantragen;
8.
die Beschäftigung im Betrieb zu fördern und zu sichern;
9.
Maßnahmen des Arbeitsschutzes und des betrieblichen Umweltschutzes zu fördern.
(2) Zur Durchführung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz ist der Betriebsrat rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten; die Unterrichtung erstreckt sich auch auf die Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen, und umfasst insbesondere den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben dieser Personen. Dem Betriebsrat sind auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen; in diesem Rahmen ist der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 gebildeter Ausschuss berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen. Zu den erforderlichen Unterlagen gehören auch die Verträge, die der Beschäftigung der in Satz 1 genannten Personen zugrunde liegen. Soweit es zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist, hat der Arbeitgeber ihm sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen zur Verfügung zu stellen; er hat hierbei die Vorschläge des Betriebsrats zu berücksichtigen, soweit betriebliche Notwendigkeiten nicht entgegenstehen.

(3) Der Betriebsrat kann bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist.

(4) Für die Geheimhaltungspflicht der Auskunftspersonen und der Sachverständigen gilt § 79 entsprechend.



Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art 2
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art 1
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens
und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.


Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)
§ 26 Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses
(1) Personenbezogene Daten von Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung oder zur Ausübung oder Erfüllung der sich aus einem Gesetz oder einem Tarifvertrag, einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung (Kollektivvereinbarung) ergebenden Rechte und Pflichten der Interessenvertretung der Beschäftigten erforderlich ist. Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten von Beschäftigten nur dann verarbeitet werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass die betroffene Person im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Verarbeitung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse der oder des Beschäftigten an dem Ausschluss der Verarbeitung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.

(2) Erfolgt die Verarbeitung personenbezogener Daten von Beschäftigten auf der Grundlage einer Einwilligung, so sind für die Beurteilung der Freiwilligkeit der Einwilligung insbesondere die im Beschäftigungsverhältnis bestehende Abhängigkeit der beschäftigten Person sowie die Umstände, unter denen die Einwilligung erteilt worden ist, zu berücksichtigen. Freiwilligkeit kann insbesondere vorliegen, wenn für die beschäftigte Person ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Vorteil erreicht wird oder Arbeitgeber und beschäftigte Person gleichgelagerte Interessen verfolgen. Die Einwilligung bedarf der Schriftform, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist. Der Arbeitgeber hat die beschäftigte Person über den Zweck der Datenverarbeitung und über ihr Widerrufsrecht nach Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2016/679 in Textform aufzuklären.

(3) Abweichend von Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 ist die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses zulässig, wenn sie zur Ausübung von Rechten oder zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht, dem Recht der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegt. Absatz 2 gilt auch für die Einwilligung in die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten; die Einwilligung muss sich dabei ausdrücklich auf diese Daten beziehen. § 22 Absatz 2 gilt entsprechend.

(4) Die Verarbeitung personenbezogener Daten, einschließlich besonderer Kategorien personenbezogener Daten von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses, ist auf der Grundlage von Kollektivvereinbarungen zulässig. Dabei haben die Verhandlungspartner Artikel 88 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2016/679 zu beachten.

(5) Der Verantwortliche muss geeignete Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass insbesondere die in Artikel 5 der Verordnung (EU) 2016/679 dargelegten Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten eingehalten werden.

(6) Die Beteiligungsrechte der Interessenvertretungen der Beschäftigten bleiben unberührt.

(7) Die Absätze 1 bis 6 sind auch anzuwenden, wenn personenbezogene Daten, einschließlich besonderer Kategorien personenbezogener Daten, von Beschäftigten verarbeitet werden, ohne dass sie in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen.
(8) Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes sind:
1.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, einschließlich der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer im Verhältnis zum Entleiher,
2.
zu ihrer Berufsbildung Beschäftigte,
3.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie an Abklärungen der beruflichen Eignung oder Arbeitserprobung (Rehabilitandinnen und Rehabilitanden),
4.
in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen Beschäftigte,
5.
Freiwillige, die einen Dienst nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz oder dem Bundesfreiwilligendienstgesetz leisten,
6.
Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind; zu diesen gehören auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten,
7.
Beamtinnen und Beamte des Bundes, Richterinnen und Richter des Bundes, Soldatinnen und Soldaten sowie Zivildienstleistende.
Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis sowie Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist, gelten als Beschäftigte.