Das ArbG Köln hat entschieden: Minderheitsgeschlecht darf überrepräsentieret sein
Das ArbG Köln hat entschieden: Minderheitsgeschlecht darf überrepräsentieret sein

Damit wies das Arbeitsgericht den Antrag eines Betriebsrates ab. Dieser hatte die Quote als übererfüllt angesehen, weil ein Mitglied des Minderheitengeschlechtes in den Betriebsrat nachgerückt war und dabei ein Mitglied des Mehrheitsgeschlechtes ersetzt hatte.

Betriebsratswahl erfolgt quotiert

Ausgangspunkt ist die Regelung des Betriebsverfassungsgesetzes, wonach das Geschlecht der Minderheit in einem Betriebsrat mindestens gemäß seinem zahlenmäßigen Anteil an der Belegschaft entsprechend vertreten sein. 


Wenn also in einem Betrieb mit 100 Beschäftigten 80 Frauen und 20 Männer beschäftigt sind, so beträgt der Anteil des Minderheitengeschlechtes in diesem Fall 20 %. Im Betriebsrat müssen dann auch 20 % Männer vertreten sein. Da in einem Unternehmen mit 100 Beschäftigten der Betriebsrat aus fünf Mitgliedern besteht, muss also mindestens ein Mann im Betriebsrat vertreten sein.


Das Betriebsverfassungsgesetz kennt also keine starre Quote, wie dies derzeit bei der Quotierung von Aufsichtsräten und Vorständen diskutiert wird, sondern berücksichtigt die Geschlechtern in dem Verhältnis, wie sie im Betrieb vertreten sind. 


Die Berechnung erfolgt gemäß der in der Wahlordnung festgelegten Verfahrensordnung nach dem Höchstzahlverfahren, hier ist auch geregelt, wie sich die Besetzung des Betriebsrats ergibt.

Frauenüberschuss im Betriebsrat ?

In dem vom Arbeitsgericht entschiedenen Fall war nach diesen Verfahrensregeln eine Bewerberin in den Betriebsrat eingezogen, weil die Frauen im Betrieb in der Minderheit waren. Dementsprechend war ein männlicher Bewerber, der mehr Stimmen erhalten hatte, nicht „zum Zug“ gekommen, er hatte der Bewerberin aufgrund der Geschlechterquote den Vorstritt lassen müssen.


Als wenig später ein  anderes männliches Mitglied aus dem Betriebsrat ausschied, wurde dieses durch eine weitere Mitarbeiterin ersetzt. Der Betriebsrat vertrat deshalb die Auffassung, dass die Minderheitenquote nunmehr übererfüllt sei. 


Damit müsse die zunächst in den Betriebsrat eingezogene Bewerberin aus dem Betriebsrat ausscheiden mit der Folge, dass der zunächst "verdrängte" Bewerber Mitglied des Betriebsrats werde.

Arbeitsgericht: „Übererfüllung“ unschädlich

Das Arbeitsgericht Köln ist dieser Argumentation allerdings nicht gefolgt und entschied, dass die zunächst in den Betriebsrat eingezogene Bewerberin Mitglied des Betriebsrates bleiben darf und nicht durch den "verdrängten" Bewerber ausgetauscht wird.


Dabei bezog sich das Arbeitsgericht auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG), das schon im Jahre 2013 festgestellt hatte, dass eine „Übererfüllung“ der Quote unschädlich ist. Das Wort „mindestens“ beziehe sich eindeutig auf das Minderheitengeschlecht, beziehe man es auf beide Geschlechter, sei dies sinnentleert. 


Die Entscheidung des Arbeitsgerichts ist rechtskräftig, da das Verfahren nach Beschwerderücknahme beim Landesarbeitsgericht Köln eingestellt wurde.

Kommentar: Schwieriger, als man(n) denkt

Wenn man den Gesetzestext unbefangen liest, ist der Ansatzpunkt des „übergangenen“ Betriebsrates gar nicht so dumm. Wenn im Gesetz steht, dass das Minderheitengeschlecht entsprechend seinem Anteil an der Belegschaft vertreten sein muss, warum soll dann eine Frau, die über die Quote in den Betriebsrat eingerückt ist, nicht wieder ausscheiden, wenn eine unquotiert gewählte Kollegin nachrückt und somit den Proporz quasi auf natürliche Weise wieder herstellt ?


Aber erstens übersieht dies das Wort „mindestens“, das an sich schon deutlich macht, dass eine Art „Übererfüllung“ gar nicht eintreten kann, es ist eben eine Grenze nach unten, nicht nach oben. Der Gesetzgeber hatte eine solche starre Quote, die eine Verteilung exakt entsprechend der Geschlechteranteile vorsieht, gerade nicht gewollt, wie das BAG in seiner Entscheidung ausführlich begründet.


Zum anderen wäre es mit dem Prinzip der Ämterstabilität nicht vereinbar, wenn man eine gewählte Person nachträglich aus dem Betriebsrat entfernen könnte, weil die Quote jetzt „auch so“ erfüllt sei. Dies würde die entsprechende Person zu einem Betriebsrat auf Abruf degradieren. Die Quotierung bezieht sich aber nur auf die Wahl selbst, wer gewählt ist, ist gewählt und ist Mitglied mit vollen Rechten.


Insofern offenbart der Beschluss, den das Arbeitsgericht völlig zu Recht abgewiesen hat, ein unzureichendes Rechtsverständnis des Betriebsrates, sowohl hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen, also auch seiner Stellung innerhalb der Betriebsverfassung. Bevor man einen solchen Rechtsstreit führt, empfiehlt es sich, sich bei der Gewerkschaft juristischen Sachverstand Rechtsrat beizuziehen.

 

Download der Entscheidungen im Volltext:

Arbeitsgericht Köln, Beschluss vom 12.11.2014 (AZ: 17 BV 296/14)

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13.3.2013, 7 ABR 67/11


§ 15 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) im Praxistipp

Rechtliche Grundlagen

§ 15 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)

§ 15 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
Zusammensetzung nach Beschäftigungsarten und Geschlechter *)

(1) Der Betriebsrat soll sich möglichst aus Arbeitnehmern der einzelnen Organisationsbereiche und der verschiedenen Beschäftigungsarten der im Betrieb tätigen Arbeitnehmer zusammensetzen.
(2) Das Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit ist, muss mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sein, wenn dieser aus mindestens drei Mitgliedern besteht.
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*)
Gemäß Artikel 14 Satz 2 des Gesetzes zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVerf-Reformgesetz) vom 23. Juli 2001 (BGBl. I S. 1852) gilt § 15 (Artikel 1 Nr. 13 des BetrVerf-Reformgesetzes) für im Zeitraum des Inkrafftretens bestehende Betriebsräte erst bei deren Neuwahl.