Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber verlangen, Anordnungen in Bereichen zu unterlassen, in denen er ein zwingendes Mitbestimmungsrecht hat.
Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber verlangen, Anordnungen in Bereichen zu unterlassen, in denen er ein zwingendes Mitbestimmungsrecht hat.

Das Arbeitsgericht Würzburg gab dem Antrag des Betriebsrats in zentralen Punkten Recht und verurteilte den Arbeitgeber auf Unterlassung. Bei Verstoß droht ein Ordnungsgeld von
bis zu 10.000 €.
 

Arbeitgeber will für Ordnung sorgen

 
Ausgangspunkt des Rechtsstreits war ein Aushang des Arbeitgebers, mit dem er die Mitarbeiter zu größerer Sauberkeit und Ordnung aufforderte. Er wies darauf hin, dass
 

  • Persönliche Gegenstände nicht mehr als 10% der jeweils zur Verfügung stehenden Fläche ausmachen dürften.
  • Das Bekleben von Möbeln, Wänden und Glasflächen verboten sei.
  • Mitarbeiter nur einen Arbeitsplatz belegen dürften und Arbeitsplätze, die nicht durch einen Kollegen belegt sind nicht als Ablagefläche missbraucht werden dürften.
  • Die Kommunikation in „Open Space“-Bereichen so zu führen sei, dass benachbarte Kollegen dadurch nicht gestört würden.
  • Die Arbeitsplätze bei Arbeitsende aufgeräumt verlassen werden müssten.
  • Schrankoberseiten in regelmäßigen Intervallen überprüft werden müssten und alles Unnötige zu entfernen sei.
  • Alte, defekte oder nicht mehr benutzte Bildschirme und anderes IT-Equipment abzugeben sei.
  • Der Müll getrennt werden müsse.

 
 
Gegen diese Anordnungen ging der Betriebsrat vor, er machte sein Mitbestimmungsrecht geltend und forderte vom Arbeitgeber Unterlassung der Anordnungen.
 

Betriebsrat hat echtes Mitbestimmungsrecht bei Ordnung im Betrieb

 
Einen Anspruch auf Unterlassung hat der Betriebsrat dann, wenn der Arbeitgeber ohne die zwingende Mitbestimmung des Betriebsrats gehandelt hat. In Fragen der Ordnung im Betrieb hat der Betriebsrat ein echtes Mitbestimmungsrecht.
 
Kein Mitbestimmungsrecht besteht dagegen, wenn eine Maßnahme das Arbeitsverhalten betrifft. Anordnungen, die sich auf das Arbeitsverhalten beziehen, sind eine Ausprägung des Direktionsrechts des Arbeitgebers aus dem Arbeitsvertrag, sie konkretisieren die Arbeitspflicht und sind nicht mitbestimmungspflichtig.
 
Voraussetzung für das Mitbestimmungsrecht ist also, dass die Maßnahme sich auf das Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer im Betrieb bezieht und nicht nur auf die Arbeitsleistung Einzelner.
 

Persönliche Gegenstände, Schrankoberseiten und Pflanzen sind mitbestimmungspflichtig

 
Ein Mitbestimmungsrecht bestehe also dann, wenn der Arbeitgeber Anweisungen treffe, die Schrankoberseiten zu kontrollieren und Unnötiges zu entfernen; ebenso beim Verbot, ungenutzte Schreibtisch als Ablage zu missbrauchen. In beiden Fällen sei die Ordnung im Betrieb betroffen.
 
Gleiches gelte auch für die Anordnung, dass persönliche Gegenstände nicht mehr als 10% der jeweils zur Verfügung stehenden Fläche ausmachen dürfen, weil hier weniger das konzentrierte Arbeiten, sondern das Zusammenleben im Betrieb betroffen sei.
 
Schließlich sei auch der Umgang mit den Pflanzen, die Mitarbeiter in die Büroräume mitbringen mitbestimmungspflichtig: Dies betreffe ebenfalls nicht das Arbeitsverhalten, weil es sich um Gegenstände handele, die den Mitarbeitern gehörten.
 

Kein Mitbestimmungsrecht bei Beklebe-Verbot und Mülltrennung

 
Kein Mitbestimmungstatbestand liege dagegen vor, wenn der Arbeitgeber es untersage, Schränke und Wände zu bekleben oder anordne, ungenutzte IT-Geräte zurückzubringen. Beides sei Eigentum des Arbeitgebers und damit nicht mitbestimmungspflichtig.
 
Auch bei der Anordnung, in bestimmten Bereichen leise zu sprechen und seinen Arbeitsplatz aufgeräumt zu verlassen, habe der Betriebsrat nicht mitzubestimmen, da beide Anordnungen sich auf die Arbeitsleistung selbst bezögen.
 
Die Pflicht zur Mülltrennung ergebe sich zudem aus gesetzlichen Vorschriften, die der Regelungsmöglichkeit der Betriebsparteien ohnehin entzogen seien, so dass auch hier kein Mitbestimmungsrecht bestehe.
 

Anmerkung

 
Das Beteiligungsrecht bei Fragen der Ordnung im Betrieb ist ein scharfes Schwert: der Betriebsrat kann hier erheblichen Einfluss zu Gunsten der Beschäftigten ausüben.
 
Zum einen handelt es sich um einen Tatbestand der echten Mitbestimmung: der Betriebsrat verhandelt mit dem Arbeitgeber auf Augenhöhe. Kann man sich nicht einigen, entscheidet die Einigungsstelle. Maßnahmen, die der Arbeitgeber in diesem Bereich ohne Mitwirkung des Betriebsrats anordnet, sind unwirksam.
 
Zum anderen betrifft die „Ordnung im Betrieb“ eine Vielzahl von Themen, die für den einzelnen Arbeitnehmer im Alltag von großer Bedeutung sind. Dazu zählen etwa:
 

  • Tor- und Einlasskontrollen
  • Nutzung des dienstlichen Telefons und Internets
  • Bekleidungsvorschriften
  • Alkohol- und Rauchverbote
  • Abgabe AU-Bescheinigungen
  • Handyverbot

 
Oft meinen Arbeitgeber, als „Herr im Hause“ über diese Fragen eigenmächtig entscheiden zu können. Der Gesetzgeber hat sich aber bewusst dafür entschieden, die Belegschaft in diesen Fragen gleichrangig zu beteiligen, weil sie eine zentrale Rolle für den Arbeitsalltag spielen.
 
Als Betriebsrat muss man diese Möglichkeiten kennen, um selbstherrlichen Aktionen des Arbeitgebers zum Wohle der Beschäftigten effektiv etwas entgegen setzen zu können.
 
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Rechtliche Grundlagen

§ 87 BetrVG

§ 87 Mitbestimmungsrechte
(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
1. Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
[...]
(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.