Betriebsvereinbarung zu Kurzarbeit unwirksam: voller Lohn für Beschäftigte
Betriebsvereinbarung zu Kurzarbeit unwirksam: voller Lohn für Beschäftigte

Der Arbeitgeber vereinbarte mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit. Das Ziel der Betriebsparteien war es, damit Entlassungen im Betrieb zu vermeiden. Von der Kurzarbeit ausgenommen waren unter anderem Auszubildende und geringfügig Beschäftigte. 

Betriebsvereinbarung sieht Ausnahmen vor

Zusätzlich konnte die Geschäftsführung auch Ausnahmen für Arbeitnehmer bewilligen, die aufgrund ihrer Aufgabenstellung zwingend zu den regulären Bedingungen weiterarbeiten sollten. Der Kläger war für neun Monate von der Kurzarbeit betroffen.


Der Betriebsrat hat die Betriebsvereinbarung vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit fristlos gekündigt. Anschließend hat der Kläger seine Arbeitskraft in dem ursprünglichen Umfang angeboten. Er fordert für die gesamte Dauer der Kurzarbeit die Bezahlung seines vertraglich vereinbarten Arbeitslohns.

Bundesarbeitsgericht: Betriebsvereinbarung unwirksam

Das Bundesarbeitsgericht hat die Betriebsvereinbarung für unwirksam erklärt. Die Regelung, wonach der Arbeitgeber nach eigenem Ermessen bestimmen kann, welche Beschäftigten aufgrund ihrer besonderen Aufgabestellung von der Kurzarbeit ausgenommen werden sollen, sei nicht bestimmt genug. 


Um die Arbeitszeit entgegen dem Arbeitsvertrag ausnahmsweise reduzieren zu können, müsse für die Arbeitnehmer die Auswahl der Betroffenen eindeutig erkennbar sein. Zudem sollte der jeweilige Vorgesetzte über die Anordnung der Kurzarbeit bestimmen können.  


Auch dies verstoße gegen die Anforderungen an einen wirksamen Eingriff in die arbeitsvertraglichen Hauptpflichten der Arbeitnehmer.

Praxistipp: Mitbestimmung bei Kurzarbeit

Die geschuldete Arbeitszeit wird nach dem Arbeits- oder einem Tarifvertrag bestimmt. In schwierigen Zeiten kann davon durch Kurzarbeit abgewichen werden. Dabei handelt es sich um die vorrübergehende Kürzung des Umfangs der Arbeitszeit. Dies bedeutet für die Arbeitnehmer finanzielle Einschnitte. Um die Lohneinbußen abzumildern haben die Arbeitnehmer haben während der Kurzarbeit einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld durch die Agentur für Arbeit.


Der Arbeitgeber kann nicht einseitig Kurzarbeit anordnen. Das ihm zustehende Direktionsrecht zur Bestimmung von Lage und Ort der Arbeitsleistung reicht dafür nicht. Vielmehr ist eine Vereinbarung mit dem einzelnen Arbeitnehmer oder dem Betriebsrat bzw. einer Gewerkschaft erforderlich. Eine Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit muss die Rechte und Pflichten klar und deutlich regeln. Die Beschäftigten müssen zuverlässig erkennen können, wer ab wann für wie lange an welchen Arbeitstagen von der Kurzarbeit betroffen ist.


Genügt die Betriebsvereinbarung nicht diesen Anforderungen, ist sie unwirksam. Arbeitnehmer haben dann einen Anspruch auf Zahlung der Lohndifferenz für die volle Arbeitszeit. Allerdings muss der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft gegenüber dem Arbeitgeber tatsächlich anbieten. Wenn der Arbeitgeber dieses Angebot nicht annimmt, gerät er in sog. Annahmeverzug und muss den Beschäftigten auch ohne Gegenleistung bezahlen. Die ausgefallene Arbeit muss nicht nachgeleistet werden. (Dieser Artikel ist zuerst erschienen in: „AiB-Newsletter, Rechtsprechung für den Betriebsrat“ des Bund-Verlags, Ausgabe 7/2016 vom 13.04.2016.)

Das Urteil des BUNDESARBEITSGERICHT vom 18.11.2015, 5 AZR 491/14 hier im Volltext

 

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