Die einer betriebsbedingten Änderungskündigung zugrunde liegende Unternehmerentscheidung, die Nachtschicht in einem Pflegeheim nicht mehr mit nur für diese Schicht arbeitsvertraglich angestellte Mitarbeiter zu besetzen, sondern mit Mitarbeitern, die in allen Schichten eingesetzt werden können, ist nicht deshalb willkürlich, weil der Arbeitgeber die Betriebsratsmitglieder von der Regelung ausgenommen hat.

Der Fall:

 

Die Klägerin ist bei der Beklagten aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung als Altenpflegerin in der Nachtwache eingestellt. Vier weitere Mitarbeiter sind ebenfalls ausschließlich im Nachtdienst tätig. Diese sind Betriebsratsmitglieder bzw. Ersatzbetriebsratsmitglieder.

Die Geschäftsleitung der Beklagten beschloss, dass im Unternehmen keine Mitarbeiter mehr beschäftigt werden sollen, die nach ihren arbeitsvertraglichen Bestimmungen als examinierte Fachkräfte ausschließlich im Nachtdienst tätig sein können, es sei denn, dass sie lediglich außerordentlich kündbar sind.

Die Beklagte sprach lediglich gegenüber der Klägerin eine Änderungskündigung aus.
Diese hat das Änderungsangebot unter Vorbehalt angekommen. Sie rügt, dass im Hinblick auf die betriebsverfassungsrechtlich besonders geschützten Mitarbeiter keine Sozialauswahl stattgefunden habe.

Die Entscheidung:

Die Änderungskündigung ist wirksam, entschied das LAG Düsseldorf.

Der dringende betriebliche Grund für den Ausspruch der Änderungskündigung ist vorliegend in der von der Beklagten gefassten unternehmerischen Entscheidung zu sehen, die Nachtschicht nicht mehr mit nur für diese Schicht arbeitsvertraglich angestellten Mitarbeitern zu besetzen, sondern mit Mitarbeitern, die in allen Schichten eingesetzt werden können. Hierdurch soll ein flexibler Einsatz zur Überbrückung von Krankheits- oder Urlaubsausfällen der examinierten Mitarbeiter - sowohl in der Tag- als auch in der Nachtschicht erreicht werden.

Diese Unternehmerentscheidung ist nicht etwa deshalb willkürlich, weil die Beklagte Betriebsratsmitglieder sowie die unter gleichem Schutz stehenden Ersatzbetriebsratsmitglieder von der Regelung ausgenommen hat. Es kann nicht als willkürlich oder missbräuchlich angesehen werden, wenn Mitarbeiter mit Sonderkündigungsschutz, die nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen sind, in die neue Regelung nicht einbezogen werden, solange sie dem besonderen Kündigungsschutz unterfallen.

Denn auch für den Ausspruch einer außerordentlichen Änderungskündigung mit sozialer Auslauffrist ist mit Hinblick auf den Sonderkündigungsschutz das Vorliegen eines wichtigen Grundes erforderlich. Dies kann nach der Rechtsprechung des BAG etwa dann der Fall sein, wenn ohne die Änderung der Arbeitsbedingungen ein sinnlos gewordenes Arbeitsverhältnis über einen erheblichen Zeitraum nur durch Gehaltszahlungen fortgesetzt werden müsste (Urteil v. 07.10.2004 - 2 AZR 81/04). Ein derartiger Fall ist vorliegend gerade nicht gegeben, denn die Betriebsratsmitglieder können durchaus sinnvoll – und zwar bis zum Ende des Sonderkündigungsschutzes – dauerhaft in der Nachtschicht eingesetzt werden. Darin eine unzulässige Begünstigung der unter Sonderkündigungsschutz stehenden Mitarbeiter nach § 78 BetrVG zu sehen, hat das BAG in seiner vorbezeichneten Entscheidung ausdrücklich abgelehnt.

Bedeutung für die Praxis:

Betriebsräte haben die Aufgabe, die Interessen der Arbeitnehmer bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen gegenüber dem Arbeitgeber einzubringen und notfalls auch durchzusetzen. Sie befinden sich deshalb gegenüber dem Arbeitgeber oft genug in der Position eines Verhandlungsgegners. Damit Betriebsräte arbeitsvertraglich nicht unter Druck gesetzt werden können, genießen sie einerseits den besonderen Kündigungsschutz. Damit sie auch nicht der Versuchung ausgesetzt werden ihre Tätigkeit zu Gunsten des Arbeitgebers wahrzunehmen, dürfen sie andererseits wegen ihrer Tätigkeit nicht begünstigt werden. In diesem Spannungsfeld hatte das LAG seine Entscheidung zu treffen, als es die Kündigung eines Arbeitnehmers zu bewerten hatte. Hier hat das LAG auf der Basis der bestehenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts klargestellt, dass es keinen Fall der Begünstigung darstellt, wenn der bestehende Sonderkündigungsschutz dazu führt, dass der Arbeitgeber ein Betriebsratsmitglied bei der Sozialauswahl nicht berücksichtigt und zunächst einem anderen Mitarbeiter kündigt.

Aus dieser Entscheidung lässt sich nur ablesen, dass sich Arbeitnehmer sich nicht darauf berufen können, dass Betriebsräte in die Sozialauswahl einbezogen werden müssen. Tatsächlich können sich Betriebsräte aber natürlich auch auf ihren besonderen Kündigungsschutz berufen, wenn der Arbeitgeber sie einbeziehen würde. (siehe dazu BAG 17.11.2005, 6 AZR 118/05)

 


Tjark Menssen, DGB Rechtsschutz GmbH

Das Urteil des LAG Düsseldorf vom 15.08.2012, Az: 7 Sa 165/12