Stellt sich der Arbeitgeber in Mitbestimmungsfragen stur, kann der Betriebsrat die Entscheidung zur Sache durch die Einigungsstelle verlangen.
Stellt sich der Arbeitgeber in Mitbestimmungsfragen stur, kann der Betriebsrat die Entscheidung zur Sache durch die Einigungsstelle verlangen.


Der Arbeitgeber betreibt bundesweit 30 Standorte. Es gibt eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur elektronischen Erfassung der Arbeitszeit. Am Standort C schaffte das Unternehmen die elektronische Zeiterfassung im Zuge eines Umzuges ab. Der Betriebsrat des Betriebs C befürchtete deshalb, dass es zu unbezahlten Überstunden kommen würde.

 

Verhandlungsversuch scheitert

 
Er wollte daher mit dem Arbeitgeber über die Wiedereinführung der elektronischen Zeiterfassung verhandeln. Der Arbeitgeber lehnte aber Verhandlungen ebenso ab wie ein Verfahren vor der Einigungsstelle. Schließlich beantragte der Betriebsrat vor dem Arbeitsgericht, eine Einigungsstelle einzusetzen.

Der Betriebsrat war der Meinung, dass ihm § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) erlaube, die Initiative zur Wiedereinführung der elektronischen Zeiterfassung zu ergreifen. Einige Gerichte und manche Arbeitsrechts-Experten sehen das genauso.

Der Arbeitgeber vertrat das Gegenteil: Das Bundesarbeitsgericht (BAG) habe bereits entscheiden, dass ein Betriebsrat nicht von sich aus die Einführung einer Zeiterfassung verlangen könne.

Rechtliche Einigkeit ist nicht erforderlich


Das Arbeitsgericht setzte schließlich eine Einigungsstelle ein. Die Zeiterfassung als solche unterliege der Mitbestimmung. Einzelheiten seien rechtlich umstritten und würden von den Gerichten unterschiedlich beurteilt.
 
Gerade deshalb sei die Einigungsstelle nicht von vornherein offensichtlich unzuständig. Ob die Angelegenheit der Mitbestimmung unterliegt und die Einigungsstelle am Ende wirklich zuständig ist, müsse die Einigungsstelle selbst entscheiden.

Praxistipp


Der Beschluss aus Offenbach besagt nur, dass die Einigungsstelle eingesetzt werden muss. Welche Rechte der Betriebsrat nun tatsächlich hat, lässt das Gericht völlig offen. Diese Frage beantwortet dem Grunde nach eine Entscheidung des BAG aus dem Jahr 1989.
 
Danach muss ein Betriebsrat bei der Einführung der Zeiterfassung mitbestimmen, nicht aber bei deren Abschaffung. Der Entscheidung ist auch zu entnehmen, dass der Betriebstat das Recht hat, die Zeiterfassung von sich aus vorzuschlagen.
 
Unklar ist, wie mit der Wiedereinführung von Erfassungssystemen umzugehen ist. Denn eine Wiedereinführung hängt mit der Abschaffung unmittelbar zusammen. Aus der Entscheidung des BAG geht auch hervor, dass ein Betriebsrat weder verlangen kann, dass die Erfassung eingeführt, noch dass sie abgeschafft wird.

Ein Vorschlag tut es auch


Betriebsräten ist zu empfehlen, Einführung und Wiedereinführung nicht zu verlangen, sondern diese nur vorzuschlagen. Mit dem Anspruch, hierüber überhaupt zu verhandeln, dürfte der BR jedenfalls leichter in die Einigungsstelle kommen.
 
Dies sollte in dem Bewusstsein geschehen, dass mit der Einführung einer technischen Kontrolle Arbeitnehmerrechte zunächst beschnitten werden. Dass das mittelbar auch dazu führen kann, dass geltende Arbeitszeiten eingehalten werden, ist insoweit zweitrangig. Arbeitgeber neigen hier zur Rosinenpickerei.
 
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in: „AiB-Newsletter, Rechtsprechung für den Betriebsrat“ des Bund-Verlags, Ausgabe 34/2016 vom 07.12.2016.


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Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach


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Rechtliche Grundlagen

§ 87 I BetrVG

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
[...]
6. Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
[...]
(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.